Uwe Janßen
· 17.08.2017
Die Skipperin der "Mädchen" starb im Alter von 69 Jahren. Als erste Deutsche war sie von 1988 bis 1990 allein um die Welt gesegelt
Das größte Abenteuer ihres Lebens war zunächst ein großes Geheimnis. Als Gudrun Calligaro aus Stuttgart, damals 42 Jahre alt, am 11. Juli 1988 in Brest auslief, wusste kaum jemand von ihrem Plan, allein die Welt zu umrunden. Erst als sie relativ sicher war, den Weg rundum schaffen zu können, machte sie das Vorhaben publik.
Und tatsächlich: Am 9. Juli 1990 legte die gelernte Bankkauffrau wieder in Brest an, nach 31.834 Seemeilen in 338 Seetagen. Nur sieben Stopps hatte sie sich unterwegs gegönnt, was insofern bemerkenswert ist, als das Leben auf See ihr eine Menge abverlangte – ihr Boot „Mädchen“ war lediglich 9,25 Meter lang, eine 18 Jahre alte Dufour Arpège, ein mit gerade einmal 48 Quadratmetern besegelter Kurzkieler.
Calligaro segelte seit ihrem siebten Lebensjahr, anfangs auf einem Stausee in Stuttgart. Auf unterschiedlichen Jollen entdeckte sie zunächst die süddeutschen Reviere und ab 1975 auch die Küstengewässer: IJsselmeer, Nordsee, Ostsee, Mittelmeer, Englischer Kanal. Seit 1977 skipperte sie bei Frauen- und Jugendtörns auf der Ostsee, vier Jahre später zog es sie in die Welt hinaus – als Deckshand fuhr Calligaro erstmals transatlantik.
Auf dieser Reise setzte sich eine Idee in ihr fest, die sie fortan beharrlich verfolgte: Sie wollte allein um die Welt – das hatte vor ihr noch keine Deutsche geschafft. Auf weiten Törns mit kleiner Crew bereitete sie sich auf das große Abenteuer vor – und legte sich 1987 das Schiff dafür zu, die „Mädchen“, die Vereinsyacht ihres Stuttgarter Segelclubs.
Im Jahr darauf begann die große Reise, und sie verlief so strapaziös wie erwartet. Die extremen Belastungen auf dem Weg von West nach Ost erreichten ihren Höhepunkt in der Tasmansee, wo sie tagelang mit monströsen, brechenden Seen zu kämpfen hatte und nach einer Kenterung ohnmächtig wurde.
Ihre Erlebnisse veröffentlichte Calligaro in ihrem Buch "Ein Traum wird wahr" (Delius Klasing Verlag). Es wurde ein Bestseller.
Für ihre Pionierleistung wurde Calligaro vielfach geehrt: Sie erhielt Trans-Ocean-Medaille und Trans-Ocean-Preis, den Schlimbachpreis sowie den Award of Merit des britischen Ocean Cruising Club.
Der See und dem Segeln blieb Gudrun Calligaro weiterhin treu. Wiederum einhand segelte sie unter anderem nach St. Petersburg und nach Island, es folgte 1996/97 eine 17.736-Seemeilen-Schleife durch Nord- und Südatlantik. Ihr schlossen sich weitere Atlantikübersegelungen und Überführungen an. Zuletzt war die „Mädchen“ überwiegend auf der Ostsee unterwegs, „eine gute Umgebung, um zu träumen und zu planen“, wie Gudrun Calligaro fand.
Die Segelpionierin starb, wie erst jetzt bekannt wurde, am 4. August im Alter von 69 Jahren.