Abenteuer ForschungSegeln wie die Wikinger

Ursula Meer

 · 21.12.2025

Abenteuer Forschung: Segeln wie die Wikinger
IIn YACHT 03/2026 berichten wir in einem längeren Artikel über sein Abenteuer Forschung. Im Interview vorab erzählt der Schotte, warum die Wikinger es ihm angetan haben, wie sich das Segeln in kargen Booten anfühlt und was er als Nächstes plant.

Landmarken wie Berge und Inseln wiesen Wikingern die Route.
Foto: Greer Jarrett

Dass Abenteuer und Wissenschaft kein Gegensatz sein müssen, bewies jüngst der Archäologe Dr. Greer Jarrett von der Universität Lund. Er wollte wissen, wie die Nordmänner vor über tausend Jahren navigierten, welche Routen sie nutzten und wo sie festmachten. Fast 2.800 Seemeilen ließ er dafür an skandinavischen Küsten im Kielwasser – unter weitestgehendem Verzicht auf Komfort und moderne Navigationstechnik, in offenen nordischen Klinkerbooten mit Rahsegeln, deren Vorfahren schon die Wikinger nutzten.

Seine Törns führten ihn ins Kattegat und zum Bottnischen Meerbusen, vor allem aber erkundete er die norwegische Westküste – frierend für die Forschung sogar bis hoch zu den Lofoten jenseits des Polarkreises.

Mit wachsender Erfahrung entwickelte die Crew eine Art mentales Logbuch und segelte intuitiv – wie es einst die Wikinger taten, ohne Seekarte und Kompass. Sie orientierten sich an Landmarken, erkannten gefährliche Strömungen in Fjorden und entdeckten bisher unbekannte Wikingerhäfen entlang der skandinavischen Küste.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

YACHT: Wie bist du auf die Wikinger als Thema für deine Doktorarbeit gekommen?

Greer Jarrett: Ich war schon immer an Archäologie interessiert und habe zunächst meinen Bachelor in Archäologie in Schottland gemacht. Von Anfang an war ich fasziniert von den Wikingern als Menschen, die viel gereist und dabei vielen verschiedenen Kulturen begegnet sind. Zu dieser Zeit trafen viele verschiedene Gruppen zum ersten Mal aufeinander, unterschiedliche Kulturen und Gemeinschaften. Das schafft ziemlich interessante Prozesse und Ereignisse in der Geschichte.

Wie gefällt Ihnen dieser Artikel?

Außerdem wollte ich etwas Maritimes machen. Zum einen, weil ich aus einer Seglerfamilie komme und das Meer liebe, aber auch, weil ich den Eindruck hatte, dass dies ein sehr unterforschter Teil der Archäologie ist. Denn Archäologie ist normalerweise ein terrestrisches Fach, aber für die Wikingerzeit ist das Meer zentral. Sie waren eine Seefahrerkultur, also fand ich es wichtig, ein Projekt aus maritimer Perspektive zu machen.

Wie bist du das Projekt angegangen?

Ich saß eines Tages in meinem Büro und dachte: Moment mal, ich weiß, wie man moderne Boote segelt, aber ich weiß wirklich nicht genug über alte, rahgetakelte Holzboote. Und so hatte ich das Gefühl, wenn ich darüber schreiben wollte, sollte ich praktische Erfahrung haben. Ursprünglich wollte ich das nur ein oder zwei Monate in Norwegen auf traditionellen Booten üben. Aber als ich dort ankam, war es so eine fantastische Erfahrung, dass ich am Ende fast ein ganzes Jahr blieb für meine Feldforschung. In den folgenden drei Jahren bin ich dann jeden Sommer für einen oder zwei Monate zurückgekehrt.

Du hattest schon viel Erfahrung auf modernen Booten. Für deine Forschung bist du mit traditionellen Bootstypen gesegelt, in Klinkerbauweise hergestellt und mit nur einem Rahsegel, also sehr ähnlich denen der Wikinger. Wie fühlte es sich an, mit ihnen zu segeln?

Es ist in vielerlei Hinsicht sehr unterschiedlich. Wenn man zum ersten Mal einsteigt, fühlt sich alles viel extremer an, weil das Boot im Vergleich zu einem modernen Boot sehr tief im Wasser liegt. Es gibt kein Deck, du sitzt also auch noch tief im Boot, sehr, sehr nah am Wasser. Es fühlt sich an, als würde man sehr schnell fahren.

So ein Boot ist wegen der Klinkerbauweise auch sehr flexibel, es verdreht sich sozusagen in den Wellen. Und weil es eine sehr einfache Takelage hat, kannst du die Kräfte um dich herum wirklich leicht spüren. Du kannst die Interaktion zwischen Wind und Segel und dem Rumpf in den Wellen und allem spüren. Alles wird auf eine Weise sehr klar.

Wie verhalten sich die Boote beim Segeln?

Ganz anders als moderne Boote, weil sie vergleichsweise leicht sind. Sie sinken also nicht so sehr in die Wellen ein, daher sind sie sehr gut für größere Wellen geeignet. Und weil sich der Rumpf gewissermaßen verdrehen kann, kann er sich den großen Wellen ziemlich gut anpassen.

Wegen des Rahsegels krängen sie nicht so stark, weil das Segel senkrecht zum Rumpf steht. In gewisser Weise fühlt es sich also auch stabiler an, weil sich das Boot nie so stark neigt. Das Rahsegel hat auch den Vorteil, dass man es einfach schnell fallen lassen kann. Es hängt oben am Mast an der Rah, und das Fall ist nur mit einem Slipknoten befestigt. Das gibt viel Kontrolle, denn wenn es gefährlich wird oder eine starke Böe kommt, kann man das Segel viel, viel schneller fallen lassen als auf einem modernen Boot.

Man sagt, diese Boote könnten nicht aufkreuzen. Stimmt das?

Nicht ganz. Man kann beim Wenden gutes Gewichtstrimm machen, indem man zwei oder drei Crewmitglieder nach vorne oder achtern schickt, das macht einen großen Unterschied beim Steuern. Wir haben einen Versuch gemacht und sind durch einen langen Sund gekreuzt. Es war viel Arbeit, aber 60 Wenden später wussten wir, dass es geht.

Du bist für deine Forschung überwiegend auf der Nordsee, aber auch auf der Ostsee gesegelt. Welche Unterschiede hast du dabei entdeckt?

Die Ostsee ist interessant, weil sie im Vergleich zu Teilen der norwegischen Küste so flach ist. Die Seebedingungen ändern sich also viel schneller. Das ist vielleicht der größte Kontrast. Man kann morgens ruhige See haben, und dann können die Wellen in wenigen Stunden richtig groß werden. Man muss also auf alles vorbereitet sein. Aber auch die Küste in Norwegen hat es in sich. Sie ist sehr steil mit Bergen bis zur Küste hinunter. So hat man sehr unvorhersehbare Windmuster mit Fallwinden. Der Wind kann auch sehr instabil sein. Man kann wohl sagen, dass auf der Nordsee die Wellen stabiler sind und auf der Ostsee der Wind. Interessant fand ich, dass auch die traditionellen Boote entsprechend unterschiedlich gebaut wurden.

Heißt das, dass du auf der Ostsee mit anderen Booten gesegelt bist?

Nein, aber bei unserem Törn von Schweden nach Finnland haben wir viel mit Leuten gesprochen, die traditionelle Boote fuhren, ähnlich den unseren. Sie heißen Storbåt. Es sind große Boote von den Åland-Inseln. Sie sind auch in Klinkerbauweise, aber sie wurden entworfen, um den Fisch von den Åland-Inseln nach Stockholm oder nach St. Petersburg zu transportieren. Sie sind breiter und niedriger, mit einem sehr großen Segel. Das ist gut, um seinen Fisch in den Hafen zu bringen, aber ziemlich gefährlich, wenn der Wind richtig stark wird.

Diese Segler sagten, dass man in der Ostsee fast immer innerhalb von ein paar Stunden einen sicheren Hafen finden kann. Die Boote müssen nicht so stark sein wie die norwegischen Boote. In Norwegen gibt es einige Orte, wo man schnell erledigt ist, wenn man das Boot nicht richtig segeln kann oder das Boot kaputt geht. Die norwegischen Boote sind also wirklich für alle möglichen Szenarien konzipiert.

Das bringt uns zu eurem Törn auf die Lofoten. Wenn man das Video zu eurer Reise hinter den Polarkreis anschaut, beginnt man unmittelbar zu frieren. Wie habt ihr das überstanden auf dem kargen Boot ohne Heizung?

Es war kalt, das stimmt! Aber wir haben uns in vier-Stunden-Wachen abgewechselt, man ist also nach vier Stunden an Deck vier Stunden in der Koje. Und das funktioniert ziemlich gut, weil man in der Zeit zwar kalt wird, aber nicht super kalt. Wir waren mit 13 Leuten an Bord, man schläft also sehr eng zusammen, und die Körperwärme hilft wirklich. Ich erinnere mich auch gar nicht so sehr ans Frieren, sondern eher daran, dass ich sehr demoralisiert war vom ständigen Regen und Schnee. Auf dem Weg zu den Lofoten hat es 13 Tage lang ohne Pause geregnet oder geschneit! Und das ist sehr demoralisierend. Es war also fast mehr eine mentale als eine physische Herausforderung. Man kann sich aufwärmen, aber sich glücklich zu fühlen ist manchmal schwieriger in diesen Situationen. Es war eine Herausforderung, aber wir als Crew waren zu diesem Zeitpunkt schon sechs, sieben Monate zusammen gesegelt. Wir waren ein sehr gutes Team und konnten uns gegenseitig helfen, damit alle sich besser fühlen.

Dafür hatten wir dann auf dem Rückweg schönen Nordostwind und Sonnenschein. Es hat uns zwei Wochen gekostet, zu den Lofoten zu kommen, und weniger als drei Tage, zurückzusegeln. Das war fantastisch! Wir sind buchstäblich knapp drei Tage lang in einer geraden Linie gesegelt. Das war supercool. Und es zeigt dir, dass, wenn du dein Wetterfenster gut wählst, die Welt kein so großer Ort ist.

Du bist also nicht kuriert nach diesem Törn. Was planst du als Nächstes?

Grönland wäre fantastisch, weil dort sehr wenig Forschung betrieben wurde. Aber es ist ziemlich schwierig, ein Boot dorthin zu transportieren und dann von dort aus zu segeln oder auch direkt nach Grönland zu segeln. Es ist auch gefährlich. Es gibt also ein bisschen Logistik zu bewältigen. Mal sehen, ob wir es möglich machen können. Aber der Plan ist, zumindest mit dieser Forschungsmethode weiterzumachen.

Meistgelesen in der Rubrik Special