Tatjana Pokorny
· 25.08.2022
Wer hätte das gedacht? Dem Hamburger Segelprofi Jörg Riechers ist auf der ersten Etappe des französischen Solo-Klassikers La Solitaire du Figaro eine Meisterleistung gelungen. Riechers war befriedigend ins Rennen gestartet, aber zwischenzeitlich auf die hintersten Plätze zurückgefallen. Im Endspurt holte er mit einem gelungenen Ausbruchversuch Platz vier.
Der Startschuss zur ersten Etappe war am 21. August bei Nantes gefallen. Sieger Fred Duthill (”Le Journal Des Entreprises”) hat die 644 Seemeilen lange Etappe in 3 Tagen, 18 Stunden, 24 Minuten und 59 Sekunden absolviert. Tom-Favorit Tom Laperche, der die Flotte der 34 Beneteau-Figaro-3-Segler lange angeführt hatte, kam knapp zwei Stunden nach dem Etappensieger erst als Neunter ins Ziel. Dazwischen konnte sich konnte sich der 53-jährige Riechers bei seiner zweiten Figaro-Teilnahme auf Platz vier platzieren. Zum Spitzenreiter fehlt ihm nach der ersten von drei Etappen nur eine gute Stunde. Das Echo im Hafen? “Es haben sich so einige gewundert, dass ein Deutscher so weit vorne ist. Viele haben mich aber auch schon als Franzosen auf der Liste…”, sagte Jörg Riechers lächelnd im Zielhafen. Hier geht es zu den Zwischenständen nach Etappe eins.
“Mein Rennen hatte gut begonnen”, erzählt Riechers kurz nach der Ankunft in Port-La-Forêt. Und weiter: “Bis Bshops Rock lief alles nach Plan. Dann hatte ich die geniale Idee einer Halse. Das war katastrophal, ein ganz großer Fehler.” Danach fiel Riechers im Mittelteil der Etappe sogar hinter Sanni Beucke zurück, die am Mittwochnachmittag als voraussichtlich 32. im Ziel erwartet wurde. “Ich habe mich über mich geärgert”, beschreibt Riechers seine Gefühlswelt der vergangenen Tage. Gleichzeitig wusste er in zweiten Etappen-Halbzeit, “dass irgendwann eine Front aus Westen kommen würde.” Sein Blatt wendete sich aber erst bei den Scilly-Inseln. “Da herrschte Totenflaute”, rekapituliert der “Alva Yachts”-Skipper. Ihm war klar, dass er dem Flautenloch entkommen muss. Das gelang in Kopplung mit dem gelungenen Ausbruchsversuch. “Philippe Hartz (Red.: Dritter im Ziel), mir und zwei weitere Seglern ist der Ausbruch dann gelungen. Und das war es.” Hier kann die Ankunft der Solisten auch in der Wiederholung geschaut werden.
Von einem der hinteren Plätze am Vortag sprang Riechers buchstäblich über Nacht vor auf Platz vier, indem er viele der vor ihm liegenden Boote einfach umkurvte. Damit war er plötzlich bei der wartenden Fanmenge und den Journalisten Gesprächsthema Nummer eins. YACHT online erreichten erstaunte und beeindruckte Nachrichten aus Frankreich. Riechers selbst kommentierte seinen Coup müde, ehrlich und demütig: “Da war auch ein bisschen Glück dabei. Und es war richtig harte Arbeit, das Boot bei 25 Knoten unter Spi zu segeln. Wir haben eine Option gesehen und die hat funktioniert.” In Port-La-Forêt kam Riechers komplett ohne Schlaf in der letzten Nacht sehr müde, aber glücklich an. “Das Figaro fordert alles von Dir. Wir haben jetzt noch zwei volle Tage Ruhe. Am Sonntag geht es in die zweite Etappe.” Er wisse, dass er ein Top-Ergebnis erzielt habe, so Riechers. “Deswegen brauche ich jetzt aber nicht zu glauben, dass ich Top of the World bin und das Figaro rocken kann. Was ich weiß ist, dass ich schnell bin. Jetzt heißt es also: dranbleiben!”
Riechers Ausblick auf die zweite Etappe des La Solitaire du Figaro von Port-La-Forêt über 635 Seemeilen nach Royan fällt respektvoll aus: “Die wird schwer! Die Passage von Guernsey ist sehr strömungsreich und tricky. Dazu kommt die Ankunft: Wer da zur falschen Zeit kommt, kann sehr viele Stunden verlieren.”