Tatjana Pokorny
· 20.08.2022
Sie könnten Opas und ihre Enkel sein, sind es aber nicht. Als ehemalige und aktuelle Athleten hatten sie sich dennoch viel zu sagen: Beim ersten Club-Abend des Deutschen Segler-Verbandes (DSV) trafen sich in Schilksee zu 50 Jahre Olympia in Kiel Olympia-Stars von gestern, heute und morgen. Daraus ergab sich ein spannender Generationen-Talk
Erfolgreiche Olympiateilnehmer von 1972, von 2020 und hoffnungsvolle Nachwuchstalente unterhielten sich am Wochenende in der DSV-Lounge vor knapp 100 Gästen über ihre Leidenschaft: den olympischen Segelsport. Authentisch erzählte Anekdoten, Einblicke in die Olympischen Spiele 1972 und ein lebendiger Austausch über das Leben als Olympia-Athlet damals und heute machten diese ganz besondere Talkrunde zum Erlebnis mit viel Meerwert. „Dieser Abend war ein toller Erfolg“, freute sich DSV-Präsidentin Mona Küppers, die das Gespräch als Gastgeberin eröffnet hatte. Das Fazit dieses Events kam von einer der Jüngsten im prominenten Kreis. Die 22-jährige Nacra-17-Bronzemedaillengewinnerin von Enoshima (2021) sagte: „Die Liebe zum Segeln macht alles möglich.“ Dafür erhielt sie uneingeschränkten Beifall der anderen Talkgäste und des gebannt lauschenden Publikums zu 50 Jahre Olympia in Kiel.
Inmitten der sehenswerten Jubiläums-Ausstellung mit vielen Original-Exponaten von den olympischen Segelwettbewerben 1972 trafen sich in der DSV-Lounge im Bundestützpunkt Segeln drei Generationen erfolgreicher Segler und Seglerinnen zu einer launigen Gesprächsrunde: Ulli Libor, als Steuermann im Flying Dutchmann Bronzemedaillen-Gewinner von 1972, Hans-Christian Schröder, 1972 Siebter im Finn-Dinghy für die DDR und Europameister, Heinz Laprell, 1972 Elfter im Tempest, Alica Stuhlemmer und Ole Schweckendiek, Jugend-Europameister im Ilca 6. Hier geht es zu allen aktuellen Infos und Ergebnissen rund um die Regatten anlässlich von „50 Jahre Olympia“.
Moderator Tim Kröger, selbst erfolgreicher Segelprofi, startet den Abend mit einem Blick zurück auf die besondere Situation 1972: Erstmals starteten vor 50 Jahren zwei eigenständige deutsche Teams. Die Frage: Wie viel Kontakt gab es damals zwischen den DDR- und den bundesdeutschen Seglern? „Offiziell natürlich gar keinen“, erzählt der damalige DDR-Segler Hans-Christian Schröder mit Augenzwinkern. „Wir waren mit einem klaren Leistungsauftrag im Gepäck angereist. Darum ging es.“ Doch was auf dem Wasser passierte, das habe niemand kontrollieren können. Zwischenmenschlich, erinnert Schröder, habe es nie Probleme gegeben. Auch Ulli Libor erinnert sich 50 Jahre nach dem Gewinn seiner zweiten olympischen Medaille an viele Gespräche von Boot zu Boot, etwa mit dem Schweriner FD-Steuermann Herbert Hüttner.
Als das Gespräch auf das Attentat in München kommt, ist auch heute noch Betroffenheit und Entsetzen in der Lounge zu spüren. „Für meinen Vorschoter Wolf Stadler waren die Spiele zu Ende, er wollte sofort abreisen“, erzählt Heinz Laprell. Und auch Ulli Libor weiß noch wie heute: „Das waren so heitere, fröhliche Spiele. Das war schlagartig vorbei.“ Zur Rückschau gehören am Clubabend auch viele bauliche und technische Aspekte, die anschaulich ausgeführt und kommentiert wurden. Ulli Libor hatte die Lacher auf seiner Seite, als er mit spitzbübischem Lächeln vom Finetuning an der Wasserlinie seines Flying Dutchman berichtete: „Man nannte es One Design mit Bautoleranzen.“
Hans-Christian Schröder würde heute im Ilca segeln wollen („Er ist leicht, athletisch anspruchsvoll und lässt sich gut transportieren“). Heinz Laprell würde den rassigen 49er wählen. Und Ulli Libor? Der würde gern mit Alica Stuhlemmer als Vorschoterin Nacra 17 segeln. Ohnehin kamen die 22-Jährige und der 82-Jährige glänzend ins Gespräch. Stuhlemmer scherzte angesichts von Libors offenkundigem Interesse an technischer Entwicklungsarbeit charmant in seine Richtung: „Ihr merkt es schon, ich rekrutiere gerade …“
Als bekannter Visionär und früherer Conger-Mitentwickler brachte Libor auch die Waszp als Einwechsel-Boot für Olympia ins Spiel. Der mit 17 Jahren Jüngste in der Runde steht tatsächlich gerade vor einem Klassenwechsel. Ole Schweckendiek steigt nach seinen vielen Ilca-6-Erfolgen in Serie nun bereits in den olympischen Ilca 7 (Ex-Laser) um. Dort wird er auch auf sein Idol Philipp Buhl treffen, der in dieser Disziplin 2020 den ersten WM-Titel für einen deutschen Steuermann gewonnen hatte. „Philipp ist schon olympisch gesegelt, als ich noch im Opti saß“, sagte Schweckendiek. Und weiter: „Ich werde viel von ihm lernen.“ Noch fehlen dem Jungstar bei 75 Kilogramm rund zehn Kilogramm zum optimalen Wettkampfgewicht von 85 Kilogramm. Doch bei leichten Winden dürfte der intelligente, gerade erst zum Deutschen Meister gekürte und taktisch starke Steuermann schon bald bei den Top-Akteuren „anklopfen“.
Bootsformen, Regattaformate, Technik, Trainingsmethoden, die Unterstützung der Leistungssport-orientierten Seglerinnen und Segler durch den Deutschen Segler-Verband, staatliche Fördermaßnahmen und private Sponsoren – es hat sich viel verändert seit 1972. Das ergaben die Gespräche beim Talk-Gipfel zu 50 Jahre Olympia in Kiel. Doch eines – das machten die Mitglieder der Gesprächsrunde altersunabhängig immer wieder klar – eint die Generationen. Alica Stuhlemmer zeichnete die Leidenschaft gut nach, die auch sie mit enormer Hingabe und viel Arbeit auf das olympische Podest hat segeln lassen: „Da ist als Erstes die Liebe zum Segelsport, dann springt dieser Funke über, dein Ehrgeiz erwacht, du fährst Regatten. Du fällst hin, du stehst auf, du steckst viel Energie in diesen Sport. Stück für Stück kannst du dann die Früchte ernten. Und schließlich kommt Olympia …“