120 Jahre YACHTGlorreiche Jahre – das waren noch Zeiten!

YACHT-Redaktion

 · 28.07.2024

120 Jahre YACHT: Glorreiche Jahre – das waren noch Zeiten!Foto: YACHT
Die YACHT ist 120 Jahre alt geworden. Zum Jubiläum kramten Zeitzeugen der YACHT-Geschichte ganz persönliche, bisher unveröffentlichte Anekdoten aus dem vielseitigen Redaktionsalltag hervor. Hier sind sie in mehreren Teilen zu lesen. Heute: Fridtjof Gunkel, stellv. Chefredakteur

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Fridtjof Gunkel, stellv. Chefredakteur

Tests mit Betriebsausflugscharakter

Fridtjof Gunkel, dienstältester YACHT-Redakteur, über glorreiche Cupper-Jahre und die „Testivals“ von Damp

Kaum zu fassen: Von den 120 Jahren bin ich jetzt schon knapp 39 Jahre dabei, ein Drittel der Existenz dieses Magazins. Eine lange Zeit, die nie auch nur ansatzweise langweilig geworden ist. Außenstehende sehen im gemeinen YACHT-Redakteur jemanden, der sein Hobby zum Job gemacht hat und idealerweise private mit seinen beruflichen Aktivitäten zu verknüpfen weiß. Da haben sie recht. Es ist die perfekte Kombination, wenn man das Thema lebt, liebt und fortwährend in Herz und Hirn bewegt. Wir hatten mal einen (nicht segelnden) Grafiker, der nach zwei Jahren gekündigt hat. Begründung: „Ihr redet dauernd vom Segeln.“ Ach was!

Fridtjof Gunkel kommt aus Helgoland und hat dort im Opti das Segeln gelernt. Der Leiter Test & Technik sowie stellvertretende Chefredakteur war jahrelang aktiver Regattasegler mit Einsätzen vom Starboot bis zum Maxi und ist seit jeher auch 
begeisterter Fahrtensegler. Sein Lieblingsrevier sind die ostschwedischen Schären.Foto: Fridtjof GunkelFridtjof Gunkel kommt aus Helgoland und hat dort im Opti das Segeln gelernt. Der Leiter Test & Technik sowie stellvertretende Chefredakteur war jahrelang aktiver Regattasegler mit Einsätzen vom Starboot bis zum Maxi und ist seit jeher auch begeisterter Fahrtensegler. Sein Lieblingsrevier sind die ostschwedischen Schären.

Es geht fast nicht anders. Wer bei der YACHT arbeitet, hat idealerweise ein Boot, schraubt gern daran herum, segelt so viel wie möglich, opfert Geld, Zeit und im Zweifelsfall sogar soziale Kontakte, zumindest während der Saison.

Ich habe mich 1983 initiativ bei der YACHT beworben. Die Volontariatsstelle war gerade neu besetzt, aber man sicherte mir die nächste in zwei Jahren zu. Der Hammer: Zwei Jahre mit klarer Perspektive waren für mich wie ein Segel-Sabbatical, bevor der Job überhaupt begonnen hatte. Ich nutzte sie weidlich: Eintonner-WM in Frankreich, Überführung von der Bretagne nach Ibiza, Sardinia Cup, Voiles de Saint-Tropez, Southern Ocean Racing Circuit in Florida lösten einander im Stakkato ab. Und dann ging’s los für mich in der Hamburger Blumenstraße, alsternah. Was für Zeiten. Wir residierten in einer Villa, die Umsätze waren grandios, sodass die Verleger schon mal ein zweites Weihnachtsgeld raushauten.

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Da war sie, die ideale Kombi von Job und Hobby, wobei „Hobby“ nicht ansatzweise Segeln greift, wenn man es leidenschaftlich betreibt. Es war die goldene Ära der International Offshore Rule, als das „Dickschiffsegeln“ in Deutschland seinen Höhepunkt erreichte. Vier Kollegen und ich waren mittendrin, segelten auf „Rubin“, „Espada“, „Container“ & Co.

Wir halfen den Admiral’s und den Sardinia Cup gewinnen, segelten Tonnerweltmeisterschaften, Transatlantikregatten oder im Whitbread Round the World Race. Das ließ sich zuweilen mit dem Job verbinden, in dem wir über diese Events berichteten. Das Ganze ging so weit, dass ein Kollege eine Gehaltserhöhung haben wollte, weil er ja schließlich den Admiral’s Cup gewonnen hätte. Gut, es gab zu der Zeit Hefte, die waren so dick und mit Anzeigen gespickt, dass sie fast nicht mehr geklammert werden konnten, weshalb der Verlag Inserate ablehnen musste. Aber der Wunsch nach mehr Lohn wurde dann doch nicht erfüllt.

Regattasegeln war jedoch nie das Hauptthema der YACHT, das war neben großen Reisereportagen, Serviceteilen und Praxisthemen immer der YACHT-Test. Der lief damals im Wesentlichen so: Der Testleiter versammelte Neuheiten, die bereits an deutschen Küsten segelten, in Damp, jenem im vergangenen Oktober zerstörten Hafen mit Siebziger-Jahre-Stahlbeton-Architektur. Und dann wurde mit einer ganzen Schar von Redakteuren getestet, was durchaus Betriebsausflugscharakter hatte. Warum auch nicht?

Die Boote waren längst nicht so perfekt wie heute, von wegen gute alte Zeit. Damals wurden noch Kiele versetzt, weil der Kon­strukteur die ideale Position nicht gleich getroffen hatte. Yachten segelten schon mal leegierig oder ließen sich kaum auf dem Ruder halten, vereinzelt fielen Kiele ab, Wellen aus dem Rumpf und Masten um.

Ein Highlight war der Crashtest, der sich heute noch auf Youtube findet (Suchbegriff: Crashtest Dehler 31). Die Werft in Freienohl hatte eine Neun-Meter-Yacht zur Verfügung gestellt, um zu beweisen, wie unkaputtbar moderne GFK-Konstruktionen sind. In der Tat: Nichts konnte dem Boot etwas anhaben, weder ein stahlumrandetes Floß noch ein Baumstamm, noch eine Tonne. Bis wir es quasi im Blutrausch, angefeuert von Kalle Dehler auf dem Fotoboot, auf die Steine der Hafenböschung setzten. Es schwamm am Ende immer noch und soll heute fröhlich auf der Elbe unterwegs sein.

Großer Spaß: gezielte Zerstörungsversuche mit einer 
Dehler 31 vor Damp. Das Boot schwimmt heute nochFoto: Kiesel, Hans-GünterGroßer Spaß: gezielte Zerstörungsversuche mit einer Dehler 31 vor Damp. Das Boot schwimmt heute noch

So wie die Boote hat sich auch der Test weiterentwickelt. Wenn irgend möglich segeln wir gern schon die Baunummer eins im Werftrevier, wie in dieser Ausgabe die neue Hanse 360 in Greifswald. Nix Damp. Wichtigen Booten reisen wir europaweit hinterher. Wir sehen das sportlich, sind meist die Ersten an Bord, zuweilen sogar vor dem Werftchef. Und wir testen obendrein im direkten Vergleich, wenn in einem Segment mehrere Neuheiten auf den Markt kommen – die beste Form der Erprobung. Ebenso viel Spaß macht uns die Rubrik „Das besondere Boot“, die vom Einbaum über den neuen Rettungskreuzer bis zum Imoca abdeckt, was schwimmt und eine Geschichte bereithält.

Alleinstellungsmerkmal Vergleichstest: viel Aufwand, viel Ergebnis und nebenbei die beste Weiterbildung für jeden YACHT-RedakteurFoto: YACHTAlleinstellungsmerkmal Vergleichstest: viel Aufwand, viel Ergebnis und nebenbei die beste Weiterbildung für jeden YACHT-Redakteur

Auf internationalen Regatten ist kein Kollege mehr aktiv unterwegs, dafür hat sich der Sport zu sehr professionalisiert. Wir als Redaktion auch. Kai Krüger, einst Co-Chefredakteur und ebenso guter Segler wie Schreiber, beklagte in den Achtzigern, dass sich ein YACHT-Redakteur über seine seglerischen Fähigkeiten definieren würde, nicht über seine journalistischen. Das ist heute sichtlich anders: Es braucht Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten in beiden Disziplinen. Etwas vom Spaß und der Freiheit früherer Jahre ist im Laufe der Zeit auf der Strecke geblieben. Ich bin daher froh, beides erlebt und gelebt zu haben.

Fridtjof GunkelFoto: ArchivFridtjof Gunkel

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