120 Jahre YACHTErinnerungen, die Sie gelesen haben müssen!

YACHT-Redaktion

 · 16.07.2024

120 Jahre YACHT
Die YACHT ist 120 Jahre alt geworden. Zum Jubiläum kramten Zeitzeugen der YACHT-Geschichte ganz persönliche, bisher unveröffentlichte Anekdoten aus dem vielseitigen Redaktionsalltag hervor. Hier sind sie in mehreren Teilen zu lesen. Heute: Harald Schwarzlose und Konrad Delius

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Ein Vorwort von Martin Hager, Chefredakteur

120 Jahre ist es her, dass die YACHT zum ersten Mal erschien. Am 15. Juli 1904 ging die „Illustrierte Zeitschrift für Yachtwesen, Wassersport, Reisen, Motor- und Schiffbau“ erstmals in den Verkauf – für damals 50 Pfennige. Die Nummer 1, von der in unserem Redaktionsarchiv noch genau ein Exemplar existiert, hatte 30 Seiten und war mit 25 Fotos und einem ganzseitigen Gemälde illustriert. Das „Vergnügungssegeln“, wie die Kollegen von einst unser liebstes Hobby so schön beschrieben, war damals noch den Wohlhabenden vorbehalten und die Zahl privater Yachten sehr überschaubar. Doch der Segelsport löste bereits allenthalben Bewunderung aus.

Unter anderem dank des America’s Cup, der schon mehr als 50 Jahre vor der ersten YACHT-Ausgabe Premiere hatte. Und der seither in steter Unregelmäßigkeit Garant ist für seglerische Höchstleistungen, aber auch für großes Spektakel. In diesem Jahr dürfen wir uns auf ein weiteres aufregendes Kapitel im Kampf um die berühmte Silberkanne freuen.

Was hat sich die Zeit doch gewandelt. Heute fliegen America’s Cupper auf messerscharfen Foils mit 100 Kilometern pro Stunde über die Regattabahn, bewegt von Athleten, die eingepackt in Prallschutzweste, Helm, Skibrille und Funktionskleidung eher an moderne Gladiatoren erinnern als an Segler. Und auch unser Fahrtensegeln geht längst einher mit Schiffsdiesel und oftmals ausgefeilter Elektrik. Plotter, GPS und Autopilot sind uns ans Herz gewachsen. Mindert das den Spaß am Sport, an der Fortbewegung mit dem Wind? Keinesfalls.

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Harald Schwarzlose, ehemaliger Chefredakteur

Du – hörst – hier wieder – auf!”

Wie Harald Schwarzlose mehr oder weniger zufällig zur YACHT kam – und ihr dienstältester Chefredakteur wurde

Mein Schlüsselerlebnis liegt fast halb so lange zurück, wie die YACHT alt ist. Es ereignete sich vor 56 Jahren am denkbar unwahrscheinlichsten Ort: auf der Rolltreppe eines großen Hamburger Kaufhauses. Mein Freund Kai Krüger fährt nach unten, ich bin auf dem Weg nach oben. Als sich unsere Wege und Blicke kreuzen, ruft er: „Komm runter!“

Harald Schwarzlose 1994. Er ist eine Art wandelndes Lexikon. Niemand kennt die zweite Hälfte der YACHT-Geschichte besser als der ehemalige Werbekaufmann. Viele Leser kennen und schätzen ihn bis heute, auch wegen seiner großen Liebe zu kleinen FahrtenkreuzernFoto: YACHT/H.-G. KieselHarald Schwarzlose 1994. Er ist eine Art wandelndes Lexikon. Niemand kennt die zweite Hälfte der YACHT-Geschichte besser als der ehemalige Werbekaufmann. Viele Leser kennen und schätzen ihn bis heute, auch wegen seiner großen Liebe zu kleinen Fahrtenkreuzern

Krüger ist Chefredakteur und hat eine Idee. „Du kannst doch schreiben“, sagt er. „Und Segeln kannst du auch. Wir brauchen einen Redakteur!“ So begann er, mein Berufswechsel. Nicht ohne Zweifel. Denn, nun ja, ein paar Ausrüstungs-Tests hatte ich für das Magazin schon geschrieben – aber dort fest als Redakteur anfangen? „Ich kann nicht mal Schreibmaschine schreiben“, entgegne ich. Schließlich bin ich Werbekaufmann.

Die Bewerbung

Ich gehe dann trotzdem zu einem Termin in die Redaktion. Den Beruf mit dem Hobby verbinden – das passt doch, finde ich. Neben Kai sitzen drei interessiert dreinblickende Herren im Konferenzraum: die Verleger Kurt und Konrad Wilhelm Delius sowie YACHT-Herausgeber Horst Stern. „So, so, Redakteur wollen Sie werden“, sagt der. „Haben Sie denn eine Ahnung vom Journalismus?“– „Eine Ahnung schon“, antworte ich, „aber Praxis nicht. Ich kann segeln, und ich habe ein Boot, einen Piraten“, füge ich nicht ohne Stolz an. Kai bekräftigt: „Wir kennen uns vom Segeln.“ Darauf Horst Stern: „Versuchen wir’s doch einfach mal!“

Der erste Arbeitstag

Ein paar Monate später finde ich mich in der Hamburger Magdalenenstraße in einem Büro wieder, von dem der Hausbesitzer mit einer weit ausholenden Armbewegung sagt: „Hier hat schon der große Axel Cäsar Springer gesessen.“ Das beeindruckt mich freilich wenig, zumal das Büro stockdunkel ist, weil eine riesige Blutbuche vor dem Fenster alles Tageslicht schluckt.

Ich arbeite an einer museumsreifen Olivetti-Schreibmaschine und mühe mich, einen Text zustande zu bringen. Nach jedem Tastendruck im Zwei-Finger-Suchsystem raunt mir eine innere Stimme zu: „Du – hörst – hier – wieder – auf!“ Warum ich dieser Stimme nie gefolgt bin, weiß ich bis heute nicht recht. Aber ich weiß, dass es goldrichtig war, zu bleiben. Denn ich sollte eine Zeit des Aufbruchs erleben, die Blüte des Bootsbaus.

Die ersten Yachttests erscheinen damals, in den späten sechziger Jahren, und sie faszinieren mich. Mit den Test-Gurus Robbert Das und Lex Pranger zusammen reise ich alsbald nach Holland, nach Dänemark, ans Mittelmeer, um Boote zu erproben.

Damals, Ende der siebziger Jahre, gelten Segelschiffe um 27 Fuß bereits als Yachten. Für die meisten Fahrtensegler verkörpern sie den Inbegriff von Seetüchtigkeit. Für Vergleichstests bringen wir ganze Flotten zusammen und lassen die Boote gegeneinander antreten. Das Interesse daran ist gewaltig, die Auflage steigt und steigt. Auch die Technik entwickelt sich rasant. Glasfaserverstärkte Kunststoff-Konstruktionen verdrängen die kurz zuvor noch weit verbreiteten Holzyachten. Und Boote werden bald in großen Serien gebaut, zu vergleichsweise günstigen Preisen.

Hätte mir damals jedoch ein Visionär gesagt, es werde die Zeit kommen, da riesige Trimarane auf ausfahrbaren Tragflügeln in 40 Tagen um die Erde fliegen, ich hätte ihn ohne zu zögern für unzurechnungsfähig erklärt.

Der Aufstieg der YACHT

In den achtziger Jahren erlebt die YACHT einen wahren Boom. Die Redaktion wächst auf über 30 Mitarbeiter an; es gibt sogar ein Zweigbüro in München mit drei Mitarbeitern, die sich der Segelszene in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz sowie im Mittelmeer annehmen sollten.

Bunt und munter. In den sechziger Jahren erscheinen die ersten Titel in Farbe, ab den Achtzigern das ganze Heft – bis auf die KleinanzeigenFoto: Repro, YACHTBunt und munter. In den sechziger Jahren erscheinen die ersten Titel in Farbe, ab den Achtzigern das ganze Heft – bis auf die Kleinanzeigen

Die inzwischen hochprofitable Zeitschrift spült beständig Geld auf die Konten des Delius Klasing Verlags. Das ermutigt Herausgeber Horst Stern zur ersten farbig gedruckten Titelseite. Bis dahin war aus Kostengründen nur Schwarz-Weiß-Druck möglich. Stern wählt sinnigerweise eine junge Frau in Ölzeug als Covergirl, was zu einigen Irritationen insbesondere bei älteren Lesern führte. Schließlich haftet dem Segeln immer noch der Ruch eines „Herrensports“ an. Das Titelmotiv soll eine Ausnahme bleiben, nicht aber der Farbdruck. Es dauert nicht mehr lange, bis die YACHT komplett in 4c erscheint, was ihr wiederum neuerlichen Aufschwung beschert.

Die Stelle als Chefredakteur

Ich bin inzwischen mit meinen Aufgaben als Redakteur und Yachttester gewachsen und als Quereinsteiger so etwas wie Establishment geworden. Als Kai Krüger eines Tages verkündet, dass er zum Nachrichtenmagazin „Spiegel“ wechseln werde, beginnt die Suche nach einem neuen Kapitän. Die Verleger finden aber keinen, der ihnen geeignet erscheint, und so berufen sie notgedrungen mich zum Interims-Chefredakteur.

Ein weiteres Mal lautet die Prämisse: „Versuchen wir’s doch mal!“ Fortan leite ich die Geschicke der Segler-Bibel, mit allen Höhen und Tiefen, die sich im Laufe der Zeit ereignen. Und Tiefen gibt es in diesen Jahren des scheinbar grenzenlosen Wachstums durchaus. Im Spannungsfeld zwischen Überzeugung und Umsatz, zwischen Leser- und Verlagsinteressen gilt es, einige Klippen zu umschiffen.

Krach mit den Verlegern

Da ist zum Beispiel dieser Anzeigenkunde, der eine ganze Kampagne für das „Waterbike“ aufgeben will – einen Wasserflitzer, den er aus Japan importiert. Es wäre ein fetter Auftrag. Aber ich sage Nein. „Diese Wassermopeds kommen mir nicht ins Blatt!“ Denn ich hatte erlebt, wie sie in ruhigen Buchten zwischen friedlich ankernden Yachten herumsausen, Lärm, Gestank und Schwell verbreitend.

Meine Haltung führt bei den Verlegern nicht nur zu Irritationen, sondern auch zu handfestem Verdruss. Schließlich darf man Anzeigen nicht ohne Weiteres ablehnen, es sei denn, sie verstoßen gegen Gesetze oder die gute Sitten.

Das, so argumentiere ich, sei genau das, was für die Wasser-Rowdys zutreffe. Im Verlagshaus am Siekerwall in Bielefeld berät man sich dennoch bereits darüber, ob ich noch tragbar sei für die YACHT. Mein Job steht auf der Kippe. Doch dann regelt sich die Angelegenheit von selbst. Der Kunde wechselt mit seiner Kampagne kurzerhand zur Schwesterzeitschrift BOOTE.

So bleibe ich, der Verlegenheitskandidat, der nur durch Zufall bei der YACHT gelandet ist, am Ende 25 Jahre in der Chefredaktion – die längste Zeit, die in den vergangenen 120 Jahren ein Schriftleiter die Geschicke des Magazins geleitet hat.

Und auch darüber hinaus arbeite ich als Herausgeber und Buchautor weiter für den Delius Klasing Verlag. Mehr als 40 unvergessliche Jahre kommen so am Ende zusammen. Nie hätte ich mir erträumt, welche schicksalhaften Ereignisse mein Zusammentreffen mit Kai Krüger auf der Rolltreppe auslösen würde.


Konrad Delius, ehemaliger Verleger

Der Segelsport hat keine Tribünen. Aber er hatte stets die YACHT“

Was das Magazin von der Kaiserzeit bis heute so einzigartig machte

Eine Zeitschrift hat Geburtstag, und was für einen: 120 Jahre! Kaum ein Magazin weltweit kann auf eine so lange und erfolgreiche Geschichte zurückblicken. Zum Vergleich: „auto, motor und sport“, im Gründungsjahr 1949 noch unter dem Titel „Das Auto“ erschienen, feiert erst 75-jähriges Bestehen. „Brigitte“ ist im Mai 70, „Capital“ im Juni 62 geworden. Das verleiht der YACHT allemal eine Ausnahmestellung.

Konrad Delius führte den Delius Klasing Verlag in dritter Generation bis September 2022. Seit dem Verkauf des Familienunternehmens an die Mediengruppe Klambt begleitet er den Kurs der YACHT als BeiratsvorsitzenderFoto: Repro/Delius-KlasingKonrad Delius führte den Delius Klasing Verlag in dritter Generation bis September 2022. Seit dem Verkauf des Familienunternehmens an die Mediengruppe Klambt begleitet er den Kurs der YACHT als Beiratsvorsitzender

Sie ist vielen zu verdanken: den Lesern, die ihr Abo oft jahrzehntelang halten. Der Redaktion, die in Stärke und Kompetenz ihresgleichen sucht. Und dem Verlagsteam, das mit Leidenschaft daran arbeitet, die einzigartige Marktführerschaft zu behaupten, die nicht nur für das gedruckte Magazin gilt, sondern auch im zunehmend wichtiger werdenden Digitalgeschäft.

Mein Vater sagte auf einer Preisverleihung in Hamburg einmal: „Der Segelsport hat keine Tribünen.“ Er findet oft weit draußen auf dem Wasser statt, wo es anders als im Fußball, im Tennis oder in der Leichtathletik keine Ränge gibt. Aber der Segelsport hatte stets die YACHT, die schon von der Kaiserzeit an vermochte, die Faszination Segeln für alle nacherlebbar zu machen. Vielleicht blieb sie deshalb bis heute so unerreicht.



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