SeenotOrcas versenken Segelboot vor Portugal – Familie gerettet

Ursula Meer

 · 13.10.2025

Seenot: Orcas versenken Segelboot vor Portugal – Familie gerettetFoto: Adobe Stock
Majestätisch und meist friedlich, bereiten Orcas Seglern heute oft Sorgen.
​Vor der Küste Portugals haben Orcas ein französisches Segelboot mit einer fünfköpfigen Familie an Bord zum Sinken gebracht. Der Zwischenfall ereignete sich am vergangenen Freitag, den 10. Oktober 2025, etwa 45 Seemeilen südwestlich von Peniche. Die elf Meter lange Yacht „Ti'fare" sank, nachdem die Tiere ein Leck im Rumpf verursacht hatten; an welcher Stelle genau das Leck entstand, wurde bisher nicht berichtet.

Die Insassen – ein französisch-portugiesisches Ehepaar und ihre drei Töchter im Alter von acht, zehn und zwölf Jahren – blieben unverletzt. Die Familie hatte ihre Reise am 29. September in der französischen Stadt Lorient begonnen. Sie konnte nach dem Angriff per Funk einen Notruf an das Seenotrettungszentrum in Lissabon absetzen, bevor sie sich in die Rettungsinsel begab.

Ein Fischerboot konnte die Familie aus der Rettungsinsel bergen. Später wurde sie von einem Helikopter übernommen und zur medizinischen Versorgung in ein Krankenhaus gebracht.Foto: Marinha PortuguesaEin Fischerboot konnte die Familie aus der Rettungsinsel bergen. Später wurde sie von einem Helikopter übernommen und zur medizinischen Versorgung in ein Krankenhaus gebracht.

Groß angelegte Suchaktion

Die portugiesische Marine koordinierte eine aufwendige Rettungsaktion, bei der verschiedene Einheiten zum Einsatz kamen. „Für den Ort wurden sofort mehrere Mittel des Meeres-Such- und Rettungsdienstes aktiviert, um schnell und wirksam handeln zu können", heißt es im Bericht der Behörden. An der Rettung waren eine Fregatte der portugiesischen Marine, ein Fischerboot und ein Seenotrettungsboot aus Peniche sowie ein Hubschrauber der portugiesischen Luftwaffe beteiligt. Das Fischerboot erreichte die Havaristen als erstes und barg die fünf Schiffbrüchigen aus der Rettungsinsel. Anschließend wurden sie von einem Hubschrauber zur Militärbasis Montijo gebracht und später in ein Krankenhaus überstellt.

Die letzte Position der gesunkenen “Ti´ Fare”, etwa 45 Meilen vor der portugiesischen Küste.Foto: Screenshot VesselfinderDie letzte Position der gesunkenen “Ti´ Fare”, etwa 45 Meilen vor der portugiesischen Küste.

Immer mehr Übergriffe?

Der Vorfall, der sich bereits am Freitagabend ereignete, aber erst am Wochenende bekannt wurde, ist kein Einzelfall. Seit 2020 werden immer wieder Segelyachten von Orcas teilweise schwer beschädigt. Nach Auskunft der portugiesischen Seeaufsichtsbehörde wurden in diesem Jahr vor den Küsten des Landes bereits 61 Meldungen wegen Orca-Begegnungen registriert. Eine echte Statistik existiert jedoch nicht. Segler helfen sich selbst, indem sie Plattformen wie orcas.pt oder der britischen Cruising Association Sichtungen von oder Interaktionen mit den Schwertwalen melden, die dann in Datenbanken und Apps erfasst und den Wassersportlern zugänglich gemacht werden. So weist orcas.pt in diesem Jahr bereits 109 Angriffe auf Segelboote entlang der gesamten Iberischen Halbinsel auf, zehn mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum.

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Erst einen Monat zuvor, am 13. September, hatten Orcas vor der Caparica-Küste unweit von Lissabon eine Segeljacht binnen kürzester Zeit zum Sinken gebracht, indem sie das Ruder des Segelboots beschädigten. Das Boot nahm Wasser auf und konnte trotz Bergungsversuchen nicht gerettet werden. Die Besatzung konnte von Booten in der Nähe gerettet werden. In den Foren werden derzeit beinahe täglich neue Orca-Attacken gemeldet.

Angriffe von Orcas nun auch in flachem Wasser

Besorgniserregend ist nicht allein die zunehmende Anzahl an Übergriffen, sondern auch das veränderte Verhalten. Galten bislang die flachen Gewässer mit weniger als zwanzig Meter Wassertiefe als relativ sicher, finden die Orca-Interaktionen mittlerweile auch in flachen Küstengewässern statt. So wurden am selben Tag, als das Segelboot vor der Costa da Caparica sank, zwei weitere Boote vor Cascais und dem Strand Fonte da Telha von Orcas angegriffen – in einem Bereich mit weniger als 20 Metern Wassertiefe. Bei diesen Vorfällen mussten insgesamt neun Personen gerettet werden.

„Die wollen nur spielen“

Wissenschaftler gehen davon aus, dass es sich bei den Vorfällen um spielerisches Sozialverhalten der Tiere handelt. Die Meeressäuger müssen nicht mehr so viel Zeit wie früher mit der Nahrungssuche verbringen, da sich die Bestände des Roten Thunfischs – ihrer Hauptnahrung - dank strenger Schutzmaßnahmen gut erholt. „Es bleibt ihnen mehr ‚Freizeit‘, die sie für soziale Interaktionen wie gemeinsames Spiel oder Ausleben von Neugierde nutzen können. All das führt dazu, dass sie sich und ihre Umwelt intensiver ausprobieren können. Und auf dem Meer bieten sich kleinere Boote als willkommene Spielobjekte sofort an“, vermutet etwa der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.

Wie er, gehen die meisten Experten nicht von gezielten Aggressionen der hochintelligenten Tiere aus der Familie der Delfine aus. Sie weisen deshalb den Begriff „Attacken" zurück und sprechen von „Interaktionen" oder Begegnungen. Die Ursachen des auffälligen Verhaltens, das erst seit 2020 verstärkt registriert wird, werden allerdings nach wie vor untersucht. Dennoch machten jüngst Schlagzeilen wie „Entwarnung: Die Orcas wollen nur spielen“ die Runde. Für Segler eine wenig hilfreiche Erkenntnis angesichts der teils dramatischen Folgen des „Spieltriebs“.

Dürfen sich Segler wehren?

Die Ursache für das Verhalten der Tiere zu kennen, könnte beizeiten auch zur Entwicklung konkreter Verhaltenshinweisen auf wissenschaftlicher Basis führen. Allerdings gibt es bisher keine Ansätze wissenschaftlicher Forschung, die die Wirksamkeit von Abwehrmaßnahmen und deren Auswirkungen auf den vom Aussterben bedrohten „Orca Iberica“ ermittelt.

Wie groß derweil die Verunsicherung ist, spiegeln die angeregten Diskussionen in Seglerforen in den sozialen Medien wider. Vom Einsatz von Wal-Pingern, Sand, Stromstößen, Lärm bis hin zu Feuerwaffen wird dort über die Wahl der Waffen spekuliert. Viele Erfahrungsberichte zu Abwehrversuchen hat die Cruising Association auf ihrer Website veröffentlicht. Eindeutige Rückschlüsse auf die Wirksamkeit bestimmter Maßnahmen lassen sich jedoch auch daraus nicht ziehen. Seglern bleibt nur, sich an die regelmäßig aus Erfahrungen anderer Segler entwickelten und angepassten Verhaltensweisen zu halten oder eigene Strategien zu entwickeln.

Die bedrohten Tiere werden von internationalen Übereinkommen und nationaler Gesetzgebung streng geschützt. Neuerdings kursiert jedoch eine hochprofessionell anmutende rechtswissenschaftliche Auslegung in englischer und portugiesischer Sprache, nach der der Einsatz von unterwassertauglichen Feuerwerkskörpern („Fire Crackers“) gegen die Killerwale legitim zu sein scheint. Die Analyse soll „von einem portugiesischen Anwalt“ erstellt worden sein. Um welchen Juristen es sich bei dem Verfasser konkret handelt, ist jedoch auch nach längeren Recherchen nicht zu ermitteln. An der Echtheit und damit auch der Zuverlässigkeit dieser Rechtsauslegung bestehen berechtigte Zweifel. Wer sich eines Orca-Angriffs erwehrt, bewegt sich rechtlich auf dünnem Eis.


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