YACHT-Redaktion
· 09.10.2022
Gerade noch schien die Sonne, plötzlich prasseln Starkregen und Hagel auf uns nieder. Wie man solche und weitere Wettergefahren erkennt
von Sebastian Wache
Dass uns Seglern das Wetter bisweilen übel mitspielen kann, haben wir bereits beim letzten Mal gelernt: Insbesondere wenn eine Kaltfront durchzieht, ist Vorsicht geboten. Die übermäßige Feuchtigkeit vor der Front in Verbindung mit dem großen Temperaturunterschied davor und dahinter sorgen zusammen mit einer raschen Verlagerungsgeschwindigkeit für das extrem schnelle Emporschießen von Quellwolken. Damit nicht genug. Diese Vorwärtsbewegung ist es auch, die unter Umständen eine Rotation auslöst, sodass sich eine sogenannte Böenwalze bilden kann. Sie bringt oft stürmischen oder gar orkanartigen Wind von über 100 Stundenkilometern mit sich. Hinzu gesellen sich dann noch Gewitter und Niederschläge, und zwar nicht nur in flüssiger, sondern auch in fester Form.
Dabei kommt das Prinzip der Verdunstungskälte zum Tragen. Das kennt jeder selbst vom Baden im Freien: Sobald man aus dem Wasser kommt, lässt uns schon ein leichte Brise frösteln. Der Wind sorgt dafür, dass die Wassertropfen auf dem Körper verdunsten. Dabei wird ihm Wärme entzogen, es entsteht sogenannte Verdunstungskälte. Das passiert auch in der Wolke, wenn trockene Luftmassen, Wind und Wassertropfen aufeinandertreffen. Was wiederum bedeutet, dass sich die Luft innerhalb der Wolken von selbst herunterkühlen kann, sobald es zu Niederschlägen kommt. Tatsächlich lässt sich dieses Phänomen im Winter am besten beobachten: Kommt es während der kalten Jahreszeit zu kräftigen Schauern, kann dies zunächst in Form von Regen der Fall sein. Setzt dann der beschriebene Selbstkühlungsprozess ein, wandelt sich der Regen zunächst in Schneeregen, später in reinen Schnee.
Doch auch im Sommer spürt man diesen Abkühlungseffekt bei Schauern. Zuallererst am eigenen Körper. Objektiv ablesen kann man das Absinken der Temperatur natürlich an einem Thermometer. Im Auto beispielsweise: Fährt man aus Sonnenschein und 26 Grad Celsius in einen Schauer, dann sinken die Werte auf der Anzeige rasch um ein paar Grad ab. Das Gefährliche daran ist der damit einhergehende „Downburst“. Der Begriff meint einen sehr plötzlichen Starkwind direkt aus der abregnenden Wolke, der so unvorhergesehen und stark daherkommt, als hätte man in der Wolke einen Stöpsel gezogen.
An dieser Stelle erinnern wir uns an den ersten Teil dieser Wetter-Serie: Kalte Luft ist schwerer als warme. Da sich die Luft in der mächtigen Turmwolke selbst herunterkühlen kann, macht sie sich zugleich schwerer. Die Folge: Luft rauscht nur so aus der Wolke heraus. Und das muss nicht zwangsweise in Verbindung mit einer Kaltfront sein, die man frühzeitig auf einer Bodendruckkarte hätte erkennen können. Kleinere Troglinien können völlig ausreichen, wenn nur der Temperaturunterschied groß genug und auch die Feuchtigkeit in der Atmosphäre als nötiger Energieträger da ist. Sofern man nicht vorher schon mit den entsprechenden Wetterkarten darauf vorbereitet ist, heißt es beim Aufkommen solcher Wolken, die Segel reffen, alles an Deck festbinden, den Lifebelt einpicken und dann mittendurch!
Das aber ist gar nicht ohne. Denn zu den schweren Böen gesellt sich weiteres Ungemach: Im Sommer, und hier vornehmlich in wärmeren Gegenden, sind die Prozesse innerhalb einer solchen Wolke derart kräftig, dass die Wasserteilchen mit den Aufwinden bis hoch in den Eisbereich getragen werden. Dort gefrieren sie und wachsen zu Körnern heran. Wer Glück hat, bekommt nur einen Graupelschauer ab. Unangenehmer wird es, wenn Hagel von oben herabprasselt. Dann heißt es, Kopf einziehen! Hagelkörner von Golf- oder gar Tennisballgröße sind in der Mittelmeerregion keine Seltenheit. Auf Nord- und Ostsee kommen Segler meist glimpflicher davon, da hier der thermische Energieeintrag geringer ist. Doch sollte man auch einen starken Graupelschauer nicht unterschätzen. Der kann durchaus schon wehtun.
Hagel ist hingegen das Härteste, was einem aus den Wolken auf den Kopf fallen kann. Die größte bisher gefundene und gemessene „Kugel“ aus dem Juli 2010 hatte einen Durchmesser von 20 Zentimetern, einen Umfang von 47,3 Zentimetern und wog 880 Gramm. Gefunden wurde sie in South Dakota/USA. In Deutschland liegt der Rekord bei 14 Zentimeter Durchmesser. Das entsprechende Hagelkorn fiel 2013 in Reutlingen vom Himmel. Wer weiß, vielleicht gehört angesichts des Klimawandels ein Helm bald zur Standardausrüstung von Seglern.
DER UNTERSCHIED VON GRAUPEL UND HAGEL Beide Niederschlagsarten werden oft in einen Topf geworfen, jedoch: Graupel ist weiß und weich, die Oberfläche rau. Hagel dagegen ist hart, klar und glatter. Graupel bildet sich, wenn Wassertropfen in der Wolke zu Miniatur-Schneebällen von bis zu fünf Millimeter Größe verklumpen. Das geschieht meist bis zum Frühjahr, wenn kalte Höhenlüfte einfließen können. Hagel dagegen entsteht infolge starker Auf- und Abwinde innerhalb mächtiger Gewitterwolken. Dabei gefrieren die Regentropfen im Eisbereich, tauen beim Weg nach unten wieder auf und gefrieren erneut auf dem Weg nach oben. Die Hagelkörner wachsen immer weiter an, bis sie zu schwer für die Aufwinde sind – und aus der Wolke herabfallen. Sie sind typisch für die warmen Monate, wenn sich die Wolken am höchsten auftürmen.
Gefährlich wird es aber nicht nur, wenn sich Graupel oder Hagel bilden, sondern auch, wenn die Luftmassen in Rotation geraten. Dann kann sich aus ihnen ein Trichter bilden. Diese Säule oder auch Trombe genannte Ausformung tritt auf, wenn am Unterrand der Wolken das Wasser auszukondensieren beginnt und dieser Prozess sichtbar wird. Sollte diese rotierende Luftsäule den Boden erreichen, spricht man von einem Tornado.
Dabei spielt es keine Rolle, ob man die gesamte Säule erkennen kann oder nicht. Oft verwirbelt die bodennahe Luft oder das Wasser schon, obwohl man am unteren Rand der Säule noch durch sie hindurchsehen kann. Sie hat also schon Bodenkontakt und kann erheblich Schaden anrichten. Dabei ist noch nicht alles an Wasser verdampft und sichtbar. Das ist trügerisch, denn man könnte sich noch in Sicherheit wiegen. Doch Videos im Internet zeigen eindrücklich, wie Tornados durch Bojenfelder wirbeln, ohne dass man sie überhaupt so richtig erkennen kann. Wie von Geisterhand werden da Boote um 90 Grad auf die Seite gekippt und alle losen Sachen von Bord gefegt.
Wann aber muss man mit einem Tornado rechnen? Nun, im Grunde können sie immer dann entstehen, wenn sich zum Beispiel eine weiträumige Gewitterzelle – Superzelle genannt – bildet und austobt. Die meisten Tornados daraus treten aber über Land auf und seltener über Wasser. Dort entwickeln sie sich eher bei windschwächeren Lagen, wenn es mit zunehmender Höhe aus leicht unterschiedlichen Richtungen weht. Dann kann die Luft zu rotieren beginnen. Dazu sollten sich Schauer und Gewitterzellen meist noch im Anfangsstadium befinden. Bodennahe Konvergenzlinien, wo Luftmassen zusammenströmen, oft einzelne Linien auf einer Wetterkarte, kennzeichnen solche Zonen.
Begünstigend wirkt sich dabei meist warmes Wasser aus, als Untergrund, über den sich teils kühlere Höhenluft legt, um so am Ende Schauer und Gewitter auszulösen. Das wiederum heißt, der Spätsommer und der Herbst sind die Zeiten mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Tornado bildet. Doch auch in der kalten Jahreszeit entstehen sie, denn dann ist das Wasser ebenfalls wärmer als die oft noch sehr kalte Luft aus dem hohen Norden. Kurz, Tornados sind prinzipiell überall möglich, wo ausreichend Feuchtigkeit nach oben gebracht wird, sich Wolken bilden und Luftmassen von verschiedenen Seiten vom Wind angeströmt und zur Rotation gebracht werden.
Ob der Klimawandel dazu führt, dass wir in Zukunft mehr Tornados sehen, wird aktuell gern mal in der Öffentlichkeit diskutiert. Studien zeigen, dass die Häufigkeit bisher nicht zugenommen at. Eher im Gegenteil. Auch wenn es eventuell den Anschein hat, als ob sie sich häufiger bilden, kommen hier besonders Handys und soziale Netzwerke ins Spiel: Tornado-Sichtungen gelangen schneller als früher ins Internet, und so fühlt es sich an, als ob es immer mehr werden. Doch bleibt die Statistik mit rund 70 beobachteten Wirbelstürmen pro Jahr in Deutschland relativ konstant – selbst wenn die Dunkelziffer deutlich darüber liegen dürfte. Hinsichtlich ihrer Stärke ist die Wissenschaft dagegen weniger sicher. Ein Trend deutet darauf dahin, dass Tornados fortan heftiger als in vergangenen Jahren ausfallen könnten.
Verwechseln darf man Tornados nicht mit Hurrikans oder tropischen Wirbelstürmen. Das sind zwei gänzlich unterschiedliche Wettergefahren. Allein schon die Größe spiegelt das wider. Tornados haben meist einen Wirkradius von einigen Metern. Hurrikans dagegen sind selbst aus dem Weltall gut zu erkennen. Ihr Durchmesser kann bis zu 1.500 Kilometer betragen. Sie bilden sich meist in tropischen Regionen, wo das Wasser mindestens 26 Grad Celsius erreicht und so ausreichend Wasserdampf zur Verfügung steht. Leichte Windscherung, also wieder eine Richtungsänderung der Luftmassen mit der Höhe, sowie die infolge der Erddrehung hervorgerufene Corioliskraft bilden das Gerüst für die mögliche Bildung dieser weiträumigen Wirbel.
Sobald sich solch eine Störung als zunächst tropische Depression, später Sturm und am Ende als Hurrikan gebildet hat, sorgt das warme Wasser für eine Art Selbsterhalt dieses mächtigen thermischen Tiefs. Der Kerndruck fällt nicht selten unter 900 Hektopascal. Im Kern selbst ist es dabei oft wolkenfrei und ruhig. Erst etwa 15 bis 30 Kilometer zum Rand hin bildet sich eine sogenannte Eyewall. Das ist eine riesige Mauer aus Wolken, kreisrund um das Zentrum und bis zu 18 Kilometer hoch!
Hurrikan-Flieger der amerikanischen Wetterdienste fliegen dort hinein und durch, um Messungen vorzunehmen, die anschließend in die Wettermodelle einfließen. Auch dazu finden sich beeindruckende Bewegtbilder im Internet. Insbesondere, wenn die Wolkenmauer durchbrochen wird, man in den Kern fliegt und ganz plötzlich bei strahlendem Sonnenschein komplette Ruhe herrscht, ist das ein atemberaubender Moment. Genau diese Mauer um den Kern ist es, wo der stärkste Wind weht. Geschwindigkeiten von über 200 Stundenkilometer sind die Regel.
Hurrikans bilden sich über dem Atlantik oft nahe der Kapverden und ziehen dann immer stärker werdend westwärts in Richtung Karibik und die USA. Kurz vor der Küste des Kontinents drehen die meisten Hurrikans ab. Ihre Zugbahn wird maßgeblich vom Azorenhoch bestimmt. Dehnt sich das Hoch sehr weit nach Westen aus, können die Wirbelstürme nicht frühzeitig abbiegen. In diesem Fall stoßen sie auf Mittel- und Nordamerika, und es drohen erhebliche Schäden durch Wind und extreme Wassermassen.
Vor allem im oft sehr warmen Golf von Mexiko können die dort teils schon abgeschwächten Stürme nochmals an Energie und Stärke zulegen. Erreichen sie dann Land oder die kühleren Gefilde im Norden, schwächen sie sich recht schnell ab. Später können sie als außertropische Sturmtiefs in unsere Tiefdruckbahn eingegliedert werden. Meist bringen sie dann noch sehr warme Luftmassen mit und treffen im Herbst auch schon mal auf kalte Luft aus dem hohen Norden. Dann ist eine erneute Verstärkung solch eines Tiefs möglich. Ferner läuten diese ehemaligen Tropenstürme beim Erreichen von Europa einen generellen Großwetterlagenwechsel bei uns ein. Auf den Wetterkarten sind sie gut anhand ihres Namens zu erkennen, den sie behalten. Es steht dann lediglich ein „Ex-“ davor: „Ex-Sandy“ oder „Ex-Katrina“. Als Segler weiß man dann, dass solch ein Tief mit Sturmböen über uns hinwegziehen kann.
Während der vergangenen fünf Jahre hat sich einiges verändert. Tropische Stürme und sogar Hurrikans bildeten sich statt auf Höhe der Kapverden auf Höhe von Madeira und sogar der Azoren. So dicht vor Europa hatte man das zuvor für nicht möglich gehalten.
Boris Herrmann und die Flotte der Vendée Globe hatten 2020 beispielsweise kurz nach dem Start mit einem Tropensturm bei Madeira zu kämpfen. Und wenn wir etwas weiter nach Osten in den Mittelmeerraum schauen, sehen wir eine ähnliche Entwicklung: Die Wetterextreme legen zu. Im Herbst treffen dort kalte Luftmassen aus dem Norden auf immer wärmeres Wasser.
Im ungünstigsten Fall kann sich dann aus einem klassischen Genuatief im Lee der Alpen – infolge der Energiezufuhr von unten aus dem warmem Wasser – ein sogenannter Medicane (Mediterranean Hurricane) bilden. 2020 hatte Medicane „Ianos“ mit Windgeschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern für große Schäden vor allem in Westgriechenland gesorgt.
Wasser ist auch das Stichwort für die nächsten Gefahren, die vom Wetter, besser: vom Starkwind oder Sturm ausgehen: Es baut sich häufig eine beachtliche Windsee auf. In Verbindung mit der Dünung, also der einem Tief voraus- oder nachlaufenden Welle, türmen sich die Wassermassen sukzessive auf. In der Nähe eines Tiefkerns oder beim Windrichtungswechsel während des Durchzugs von Fronten treffen sich dann die Wellensysteme aus unterschiedlichen Richtungen. Es kommt zu sogenannten Interferenzen, und die Wellenberge und -täler addieren sich. Kürzere und steilere Wellen werden auf diese Weise immer höher.
Durch solche Überlagerungen sind Einzelwellen vom Zwei- bis Zweieinhalbfachen der anderen Wellen möglich. So kam es bei einem Orkan vor Irland bei einer signifikanten Wellenhöhe von 13 Metern zu einer einzelnen Welle, die über 26 Meter hoch war. Sie wurde von einer Messstation auf einer Ölbohrplattform registriert. Die Geschichten von Monsterwellen, Freakwaves, Kaventsmännern oder den „drei Schwestern“ sind also keineswegs bloßes Seemannsgarn.
Eine weitere Gefahr, die überall auf dem Wasser vorkommen kann, selbst auf Binnengewässern, ist Nebel. Vor allem Seenebel ist oft sehr dicht, wenn auch lokal begrenzt. Wann aber müssen Segler mit Nebel rechnen? Ganz einfach gesagt, ist Nebel nichts anderes als Wolken, die sich dicht überm Boden bilden. Das passiert, wenn sich Luftmassen abkühlen, den Wasserdampf nicht mehr halten können und dieser sichtbar wird. Es gibt mehrere Arten wie Kalt- und Warmwassernebel sowie Mischungs- oder auch Strahlungsnebel.
Ist im Frühjahr das Wasser noch recht kalt, die Luft aber schon warm, dann wird sie über dem Wasser abgekühlt, und es kann sich Nebel bilden. Umgekehrt passiert das in den Herbstmonaten, wenn das Wasser warm, die Luft hingegen phasenweise bereits recht kühl ist. Sobald die Kälte über das Wasser strömt, wird die oberflächennahe und feuchtere Luft abgekühlt und Nebel entsteht.
Mischungsnebel unterliegt ähnlichen Prozessen. Hierbei werden durch die Wetterlage beziehungsweise deren Wechsel zwei unterschiedliche Luftmassen zusammengeführt, was infolge ihrer Angleichung zu einer Übersättigung der Feuchte in der Luft führen kann. Der Taupunkt wird erreicht, es bildet sich Nebel.
Im Kleinen ist dies im Sommer nach einem Regenschauer bodennah bei starker Sonneneinstrahlung zu beobachten. Strahlungsnebel schließlich zeigt sich häufig ebenfalls nach Regen. Folgt danach eine klare und längere Nacht, so kann es aufgrund einer fehlenden Wolkendecke stärker auskühlen. Die Luft ist aber wegen des Regens zuvor noch feucht. Somit wird durch ihr Herunterkühlen irgendwann der Taupunkt erreicht, und wiederum kann sich Nebel bilden.
Tückisch hierbei ist, dass eine klare und oft auch ruhige Nacht ein Indiz für ein Hochdruckgebiet ist. Verweilt das länger an Ort und Stelle, so wird es auch in den Tagen danach windstill und neblig bleiben. Denn es gibt häufig nur drei Faktoren, die Nebel wieder auflösen können: die Sonne, der Wind oder die Mischung von Luftmassen. Die Sonne ist aber vornehmlich im Herbst zu schwach und tief. Der Wind muss wenigstens mit fünf bis sechs Knoten wehen, um die Luftschichten zu durchmischen. Ohne Wind ist wärmere und auch trockenere Luft erforderlich, um dort, wo die Luft völlig gesättigt ist, eine Untersättigung einzuleiten und damit für klare Sicht zu sorgen.
Insbesondere der Strahlungsnebel kommt recht häufig in unseren Breiten in den Herbstmonaten vor. Da es nachts über Land stärker auskühlt, kann auch Nebel von Land aus im Verlauf auf See verdriften. Somit besteht die Gefahr, nach einem sonnigen Start in den Segeltag plötzlich in eine dichte Nebelbank zu geraten. Das ist manches Mal eine sehr lokal begrenzte Angelegenheit.
Thermik und damit der Seewind stellt sich nicht überall gleichermaßen ein. Dafür braucht es erst einmal einen Temperaturunterschied von mindestens vier Grad Celsius zwischen Wasser und Land. Idealerweise ist das Land wärmer als das Wasser. Zeigt sich am Morgen gar ein leichter ablandiger Wind von nicht mehr als fünf Knoten, fördert dies das Aufleben der Thermik, solange die Sonne einheizt. Da dieses System sehr fragil ist, können kleinere Störfaktoren zu einem Zusammenbruch des Windfeldes führen. Das kann das aufkommende Windfeld eines Drucksystems sein oder zu viele Wolken, die zu wenig Sonne durchlassen. Schon sitzt man in der Flaute.
Gerade die Wolken sind es auch, die über Travemünde Schatten werfen können, vor Grömitz gerade aber nicht mehr – und so kann dort unter der Küste weiter gut gesegelt werden, während vor der Trave der Motor angemacht werden muss. Da sich zum Spätsommer und Herbst hin die Luft- und Wassertemperaturen angleichen, wird es dann auch immer seltener etwas mit einem guten auflandigen Seewind. Im Frühjahr und Frühsommer dagegen kann sich Thermik an windschwachen Tagen zum Nachmittag hin viel besser aufbauen. Ist man sich unsicher, ob es nun Seewind ist oder nicht, der da in die Segel weht, braucht man nur einen Blick an die Küste zu werfen. Sind dort, und auch nur dort, kleinere Cumuluswolken zu sehen, ist das das sichtbare Zeichen für eine Seewindzirkulation. Überlagern sich ein See- und ein späterer Gradientwind aus der gleichen Richtung, kann es sogar stürmisch werden, mit entsprechend hoher Welle.
Wir sehen also, dass es je nach Jahreszeit und Region zu unterschiedlichen Wettergefahren kommen kann. Der Vorteil heutzutage ist, dass wir uns als Segler mit den verfügbaren Daten gut darauf vorbereiten können. Der Grundstock, um die damit einhergehenden Abläufe in der Atmosphäre zu verstehen, ist nun gelegt. Im vierten und letzten Teil dieser Serie können wir daher in die Welt der Wetterdaten eintauchen. Was man dazu braucht, welche Wetter-Apps sinnvoll sind und welche Spielarten des Wetter-Routings es gibt, lesen Sie in Folge 4.
Sebastian Wache ist Diplom-Meteorologe; er arbeitet als Experte für Seewettervorhersagen und professionelles Wetter-Routing sowie als Törn- und Regattaberater bei der Wetterwelt GmbH in Kiel. Regelmäßig gibt er sein Wissen in Seminaren an Segler weiter, zudem präsentiert er gemeinsam mit Dr. Meeno Schrader die tägliche Vorhersage für Schleswig-Holstein im NDR-Fernsehen. Wache ist selbst begeisterter Segler und am liebsten auf Nord- und Ostsee unterwegs.