Ein schweres Erdbeben im Nordpazifik hat Tsunami-Wellen an den Küsten etlicher Länder ausgelöst. Das Zentrum des Bebens lag in der offenen See, etwa 130 Kilometer vor der russischen Halbinsel Kamtschatka. Mit einer gemessenen Stärke von 8,8 war das Beben laut der US-Erdbebenwarte das weltweit stärkste seit der Katastrophe von Fukushima im März 2011. Das Deutsche Geoforschungszentrum in Potsdam gab die Stärke mit 7,8 an. Die daraus folgenden Flutwellen sorgten nicht nur in Russland für Überschwemmungen - auch Japan, Hawaii und die US-Westküste sind betroffen. Selbst im weit entfernten Lateinamerika gaben mehrere Länder Tsunami-Warnungen heraus.
Mehr als drei Meter hohe Tsunami-Wellen erreichten Russlands Pazifikküste vor Kamtschatka. Die stärkste Welle sei sogar fünf Meter hoch gewesen, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti.
Die anfänglichen Warnungen für die US-Westküste, Hawaii oder Japan wurden mittlerweile leicht zurückgestuft.
Bei der Halbinsel Kamtschatka treffen die pazifische und die nordamerikanische Kontinentalplatte aufeinander, was die Region zu einer der weltweit erdbebenreichsten Zonen macht. Diese tektonischen Platten können sich ineinander verhaken und Spannungen aufbauen, die sich schlagartig entladen und Erdbeben auslösen. Dabei werden die Platten horizontal und vertikal verschoben, wodurch sich auch die darüberliegenden Wassermassen bewegen.
Tsunamis unterscheiden sich grundlegend von normalen Meereswellen. Während Windwellen nur die oberflächennahen Wasserschichten bewegen, erfassen Tsunamis die gesamte Wassersäule vom Meeresboden bis zur Oberfläche. Auf offener See sind sie kaum wahrnehmbar und breiten sich mit Geschwindigkeiten von bis zu 800 km/h aus. Erst in Küstennähe, wo das Wasser flacher wird, türmen sich die Wellen auf und entwickeln ihre zerstörerische Kraft. Ein Tsunami besteht meist aus mehreren Wellenbergen, die im Abstand von einigen Minuten bis zu über einer Stunde aufeinanderfolgen.
Segelyachten auf offenem Meer sind von Tsunamis normalerweise nur gering betroffen, während die Hauptgefahr in unmittelbarer Küstennähe besteht. Ein Tsunami ist auf hoher See meist kaum wahrnehmbar, da sich die Welle als sehr breite, flache Woge mit hoher Geschwindigkeit fortbewegt, die Boote allenfalls leicht hebt und senkt. So wird es auch in diesem Bericht vom Tsunami 2004 in Thailand auf der Homepage von Bobby Schenk geschildert. Segler, die sich zur Zeit eines Tsunamis in tiefem Wasser befinden (also mit ausreichendem Abstand zur Küste, üblicherweise ab einer Tiefe von etwa 100 Metern), berichten in der Regel nur von ungewöhnlichen Strömungen und geringem Wellengang – Schäden sind hier selten.
Erst beim Erreichen flacher Küstenregionen türmt sich die Welle auf, verliert an Geschwindigkeit und entfaltet ihre zerstörerische Kraft. Dabei werden kleinere Boote in Hafennähe, besonders solche, die an flachen Stränden festgemacht oder in Ufernähe verankert sind, häufig zerstört oder an Land geworfen.
So erging es der Yacht “Freydis II” des Weltumseglerpaares Heide und Erich Wilts beim Tsunami 2011 an der Küste Japans, der auch das Atomkraftwerk Fukushima zerstörte. Die 15 Meter lange Stahlyacht “Freydis II” lag im Yachthafen, als der Tsunami über diesen hinwegging. Drei Tage schien das Schiff verloren, bis Freunde der Wilts die rote Reinke Hydra auf einem Felsen entdeckten. Nur 30 Kilometer entfernt vom stark beschädigten Atomreaktor. Eine Bergung war jedoch nicht möglich, es konnten nur ein paar Ausrüstungsgegenstände gesichert werden.
Segler sollten bei einer Tsunami-Warnung also eher das offene, möglichst tiefe Meer suchen als die vermeintlich schützende Küste.