Experten-InterviewRechte und Pflichten Geschädigter

Pascal Schürmann

 · 01.09.2021

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Experten-Interview: Rechte und Pflichten GeschädigterFoto: Seahelp

Was Eigner tun können oder sogar müssen, um nach einem Schadensfall an ihr Geld zu kommen, verrät Rechtsanwalt Dr. Heyko Wychodil

Wie schnell muss ich die Versiche­rung nach einem Schaden informieren?
In den Bedingungswerken findet sich meist die Formulierung "unverzüglich" – das bedeutet, ohne schuldhaftes Verzögern. Viele Versicherer sind heutzutage über Service-Telefonnummern rund um die Uhr erreichbar. Scheuen Sie daher keinesfalls davor zurück, auch wegen einer vermeintlichen Bagatelle mitten in der Nacht oder am Wochenende zu Funkgerät oder Handy zu greifen, mindestens aber so rasch wie möglich eine E-Mail zu senden. Die Versicherung kann hingegen warten, wenn Sie beispielsweise eine schwere Havarie erleiden und erst einmal alle Hände voll zu tun haben, Crew und Schiff sicher in den nächsten Hafen zu bringen. Gleiches gilt, wenn Sie infolge einer Havarie ernsthaft verletzt werden und ein Krankenhausaufenthalt nötig wird. Dann kann auch die Versicherung nicht verlangen, dass Sie trotz schwerwiegender Verletzung zum Telefon greifen.

Wen muss ich überhaupt anrufen: meinen Makler oder die Versicherung?
Grundsätzlich gilt: Die Versicherung ist Ihr Vertragspartner, nicht der Makler oder Vermittler, der Ihnen die Police verkauft hat. Das heißt, sie ist im Schadensfall direkt zu informieren. Tun Sie das nicht, kann Ihnen später mit Hinweis auf eine Obliegenheitsverletzung der Schadensersatz verweigert werden. Selbst dann, wenn Sie gutgläubig Ihren Makler oder Vermittler angerufen haben. Hatte der nämlich keine Vollmacht, Ihnen im Namen der Versicherung nach einem Schadensereignis Weisungen zu erteilen, sind Sie unter Umständen am Ende der Dumme.

Gibt es davon auch Ausnahmen?
Die gibt es. Große Versicherungsmakler und -vermittler haben in der Praxis mit den Gesellschaften, deren Policen sie an den Mann bringen, entsprechende Vereinbarungen getroffen. Das heißt, sie sind berechtigt, die Schadensfallbearbeitung selbst vorzunehmen. Dies muss Ihnen als Kunde aber schriftlich mitgeteilt werden. Ein Blick ins Kleingedruckte verschafft Klarheit. Ist dort nichts vermerkt, auf keinen Fall mündlichen Beteuerungen des Maklers Glauben schenken. Stattdessen direkt bei der Versicherung nachfragen und im Zweifel eine schriftliche Erklärung verlangen, dass der Makler tatsächlich im Auftrag der Versicherung agiert.

  Wassersport-Rechtsexperte Dr. Heyko WychodilFoto: H. Wychodil
Wassersport-Rechtsexperte Dr. Heyko Wychodil

Muss ich den Anweisungen der Versicherung in jedem Fall Folge leisten?
Ja, andernfalls setzen Sie Ihren Versicherungsschutz aufs Spiel. Das kann im Einzel­fall bedeuten, dass Sie Ihren Urlaubstörn abbrechen, einen außerplanmäßigen Hafen anlaufen oder Ihr Schiff zu bestimmten Zeiten einem Schadensgutachter zugänglich ma­chen müssen. Anweisungen nicht befolgen können Sie zu Recht nur dann, wenn Leib und Leben be­droht sind. Beispielsweise könnte niemand von Ihnen verlangen, auf Ihrem leckgeschla­genen Schiff zu verharren, bis die Versiche­rung einen Schlepper organisiert hat, wenn Sie dadurch sich selbst oder Ihre Crew in Gefahr brächten. Allerdings müssen Sie sich dann darauf gefasst machen, dass die Ver­sicherung später sehr genau wissen will, wo­rin diese Gefahr konkret bestand.

Muss ich den Gutachter, den die Versicherung schickt, akzeptieren?
Ja. Sie haben bei der Auswahl leider keinerlei Mitspracherecht.

Was kann ich tun, wenn mir die vom Gutachter ermittelte Schadenshöhe zu gering erscheint?
Sie haben zwei Möglichkeiten: Sie können selbst ein Gutachten in Auftrag geben. Das aber müssten Sie auch selbst bezahlen. Alter­nativ können Sie sich von einem seriösen Reparaturbetrieb einen Kostenvoranschlag machen lassen. Weicht der deutlich vom Versicherungsgutachten ab, konfrontieren Sie Ihre Gesellschaft beziehungsweise Ihren Makler damit. Stellt sich die Gegenseite stur, bleibt Ihnen der Gang zum Ombuds­mann. Das ist ein öffentlich bestellter Schlichter, der zwischen beiden Parteien vermitteln soll. Wer zuständig ist, können Sie Ihren Versicherungsunterlagen entnehmen. Hat auch das keinen Erfolg, bleibt noch der Gang zum Anwalt.

Darf ich mir aussuchen, wo ich die Reparaturen durchführen lassen will?
Prinzipiell ja, solange Sie es nicht übertreiben. Kein Anspruch besteht, Reparaturen beim besten und teuersten Betrieb vor Ort in Auf­trag zu geben. Maßgebend ist das mittlere Preissegment in einer Region. Sind Sie un­sicher, holen Sie Kostenvoranschläge ver­schiedener Firmen ein und wählen Sie eine aus der Mitte. Dann kann Ihnen die Versiche­rung keine Luxussanierung vorwerfen.

Habe ich Anspruch darauf, mein Schiff bei der Original-Herstellerwerft beziehungsweise deren autorisiertem Händler reparieren zu lassen?
Nein, das macht in der Regel auch wenig Sinn, da viele Yachtproduzenten gar nicht auf Reparaturen eingestellt sind. Die würden da­mit ebenfalls Servicebetriebe beauftragen. Zudem könnten Sie nicht von der Versiche­rung verlangen, den unter Umständen enorm aufwändigen Transport Ihres beschädigten Schiffs zur Herstellerwerft zu bezahlen.

Wie lange muss ich mich gedulden, bis ich das Schiff reparieren lassen darf?
Ein paar Wochen, ja sogar zwei bis drei Mo­nate Bearbeitungszeit für Ihren Schaden müs­sen Sie Ihrer Versicherung schon zugestehen. Die Erfahrung zeigt auch, dass die Gesellschaf­ten die Abwicklung eines Versicherungsfalls nicht vorsätzlich verzögern. Vor allem bei gra­vierenden Havarien können Sie daher fast immer davon ausgehen, dass die laufende Saison für Sie beendet ist, so bitter das im Einzelfall sein mag. Denn nach der Begut­achtung müssen ja auch noch Kostenvoran­schläge eingeholt werden, bevor die eigent­liche Reparatur überhaupt erfolgen kann.

Kann ich einen Schaden selbst reparieren und mir die Versicherungssumme auszahlen lassen?
Ja. Dann darf Ihnen allerdings nur der Netto­betrag erstattet werden. Anspruch auf die Zahlung der Bruttosumme besteht nur, wenn tatsächlich Mehrwertsteuer im Rahmen der Schadensbehebung gezahlt wird. Dies kann auch noch bis drei Jahre im Nachhinein ge­schehen. Sollten Sie also zum Beispiel ein Jahr nach Auszahlung der Versicherungs­summe merken, dass Sie die Reparaturen ganz oder teilweise doch lieber von einer Fir­ma professionell ausführen lassen wollen, können Sie sich die Mehrwertsteuer gegen Beleg nachträglich von der Versicherung er­statten lassen.

Trägt die Versicherung nach einer Havarie auch Kosten für Hotels, Flugumbuchungen, medizinische Versorgung etc.?
Bei einem selbstverschuldeten Scha­den gibt es dafür keinen Ersatz. Versichert ist allein das Schiff. Alle Folgekosten, die nicht unmittelbar dem Schiff zuzurechnen sind, müssen Sie selbst tragen – es sei denn, Sie haben auch eine Art Schutzbrief­-Police ab­geschlossen, die einige Versicherungen in­zwischen anbieten. Nur ausnahmsweise übernimmt auch der eigene Kaskoversicherer Hotel­ und Reisekosten, wenn die Aufwen­dungen vom Eigner im Interesse der Scha­densminderung veranlasst worden sind.

Und wenn ich selbst der Geschädigte bin?
Bei einem fremdverschuldeten Schaden sieht die Sache anders aus. Dann ist der Un­fallgegner zu einem weitergehenden Scha­densersatz verpflichtet. Dazu zählen sicherlich Übernachtungs­- und Reisemehrkosten der Crew, wenn ein Törn abgebrochen werden muss. Unter Umständen haben Sie sogar Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn Sie sich infolge einer Havarie verletzt haben.

Kann ich vom Unfallgegner beziehungsweise dessen Versicherung auch ein Ersatzschiff fordern für die Zeit, in der die eigene Yacht repariert wird? Oder zumindest Schadensersatz wegen entgangener Segelfreuden?
Boote werden von den aller­meisten Gerichten nach wie vor als Luxusgüter aufgefasst. Ganz im Gegensatz also zu einem Ge­brauchsgegenstand wie etwa dem Auto, auf das man angewiesen ist, weil man damit je­den Tag zur Arbeit fährt. In der Regel können Eigner daher infolge einer Havarie nicht auf eine Nutzungsentschädigung hoffen.

Aufgezeichnet von Pascal Schürmann; erschienen in YACHT 4/2010