Eigner Schoppmann steuert seinen Motorsegler auf einen freien Liegeplatz. Er hat kräftigen Wind von Backbord. Um mittig in die Box zu kommen, gibt Schoppmann leichten Schub nach vorn. Als er noch etwas weniger als eine halbe Bootslänge vom Steg entfernt ist, stellt er den Gashebel auf Rückwärts, um kräftig aufzustoppen. Doch das Getriebe reagiert nicht, das Schiff bewegt sich weiter voraus und wird durch den starken Wind unsanft mit dem Bug gegen den Nachbarlieger gedrückt. An dessen Bordwand entsteht erheblicher Schaden. Die Reparaturkosten betragen knapp 4.000 Euro. Auf den ersten Blick ein eindeutiger Fall. Eigner Schoppmann ist verantwortlich. Bei der Prüfung der Ursachen des misslungenen Manövers stellt sich aber heraus, dass der Bowdenzug des Gashebels, der zugleich das Getriebe steuert, aus seiner Verankerung herausgesprungen ist. Deshalb hat Eigner Schoppmann den Rückwärtsgang nicht einlegen und seinen Motorsegler nicht aufstoppen können. Haftet er trotzdem für den Schaden?
Nach dem ersten Anschein sieht es so aus. Anders wäre es nur, wenn Schoppmann vor Gericht beweisen könnte, dass es sich um einen atypischen Kausalverlauf gehandelt hat und ihm weder als Eigner noch als Schiffsführer eine Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden kann, auch nicht fahrlässig.
Das ist eine sehr hohe Hürde. Denn fast jede Herbeiführung eines Schadens an fremdem Eigentum ist mit irgendeiner Sorgfaltspflichtverletzung verbunden.
Jedoch gibt es im deutschen Recht – von den wenigen Ausnahmen der sogenannten Gefährdungshaftung abgesehen – keinen Schadensersatzanspruch ohne Verschulden des Verursachers. Und das muss in der Regel der Geschädigte nachweisen. Im Fall des Eigners Schoppmann aber ist diese Beweislast ausnahmsweise umgekehrt, weil bei einem solchen Sachverhalt nach aller Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass Schoppmann beim Anlegen ein Fehler unterlaufen ist oder ein technischer Defekt zugrunde liegt, der auf sorgfaltswidrig versäumte Wartung beziehungsweise Kontrolle zurückzuführen ist.
Als Schiffsführer ist Schoppmann eine Pflichtverletzung tatsächlich nicht vorzuwerfen. Er wollte aufstoppen, was in der konkreten Situation auch richtig gewesen wäre. Wegen des aus seiner Verankerung gesprungenen Bowdenzugs hat das Getriebe aber nicht mehr reagiert.
Für sein Verschulden ist daher entscheidend, ob Eigner Schoppmann das Herausspringen des Bowdenzuges aus seiner Verankerung durch regelmäßige Wartung oder Kontrolle hätte verhindern können.
Ein fundiertes gerichtliches Gutachten hat im vorliegenden Fall jedoch ergeben, dass es eine Wartungspflicht für Bowdenzüge bei Segelyachten bauartbedingt grundsätzlich nicht gibt. Bei einer Motoryacht kann das je nach Größe wegen besserer Zugänglichkeit anders sein.
Das Amtsgericht Rendsburg hat dann auch festgestellt (AG Rendsburg – 43 C 25/19 v. 10. März 2023), dass Eigner Schoppmann kein Verschulden vorzuwerfen ist und er für den entstandenen Schaden daher schließlich auch nicht einstehen muss.
Die Entscheidung mag überraschend sein, sie ist aber rechtlich konsequent. Für den Geschädigten ergibt sich die Erkenntnis, dass nicht jeder durch einen anderen Schiffsführer verursachte Schaden zu Haftungsansprüchen führt. Der Abschluss einer Yacht-Kaskoversicherung für mögliche Schäden am eigenen Boot ist daher dringend zu empfehlen.
So auch in einem weiteren aktuellen Fall am OLG Hamburg (6 U 40/22 BSch v. 23. Februar 2023): Ein Hafenbetreiber an der Müritz war nach behördlichen Vorgaben verpflichtet, den Grund an den Liegeplätzen regelmäßig zu reinigen. Er kam dieser Verpflichtung nicht nach, ein Segler geriet mit der Schiffsschraube in einen alten Tampen und es entstand erheblicher Schaden. Im Berufungsverfahren verneinte das OLG in Hamburg einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung, dass es am Nachweis der Kausalität der Pflichtverletzung des Hafenbetreibers fehle. Denn niemand könne erwarten, dass der Bodengrund jeden Tag gereinigt werde. Angemessen sei eine Reinigung zum Beginn und zum Ende der Segelsaison. Da sich auch zwischen diesen Reinigungen Unrat am Grund absetzen kann und niemand weiß, wann sich der Tampen dort tatsächlich abgelagert hat, hätte der Schaden auch eintreten können, wenn sich der Hafenbetreiber pflichtgemäß verhalten hätte. Der Geschädigte ging leer aus.