Eigner Petersen ist mit seiner Yacht bei guten Sichtverhältnissen unter Motor im Fahrwasser Richtung Burgstaaken auf Fehmarn unterwegs. Er orientiert sich am grünen Tonnenstrich. Nach Tonne 9 erfordert der Kurs zur nächsten grünen einen Kurswechsel nach Steuerbord. Nach diesem kollidiert die Yacht mit einem Unterwasserhindernis, kommt schlagartig zum Stillstand, Petersen wird zu Boden geschleudert und verletzt sich schwer.
Es stellt sich heraus, dass erst nach Tonne 11 ein Kurswechsel hätte erfolgen dürfen. Die befand sich aber nicht an ihrem Platz, weil der von der zuständigen Gemeinde beauftragte Fischer die Tonne 11 zur Durchführung von Wartungsarbeiten eingezogen hatte.
Eigner Petersen macht sämtliche Ansprüche gegen die Gemeinde geltend. Die weist jedoch alle gegen sie gerichteten Forderungen zurück. Der Fischer habe die Tonne 11 eingeholt und die Stelle durch ein Fischerfähnchen markiert. Dann habe er eine neue Tonne gelegt. Zudem hätte sich Petersen auch an den roten Backbordtonnen orientieren und das auch tagsüber betriebene Sektorenfeuer beachten müssen.
Eigner Petersen erhebt Klage. Ein Fischerfähnchen sei ihm nicht aufgefallen. In einem betonnten Fahrwasser sei es nicht üblich, nach Leuchtfeuern zu navigieren. Zudem orientiere man sich dort üblicherweise an den Lateralzeichen der Fahrwasserseite, die befahren wird, und nicht an den gegenüberliegenden.
Im Urteil (LG Lübeck, Urt. v. 19. September 2022 – 10 O 173/18) wurde festgestellt, dass die Gemeinde die ihr obliegende Amtspflicht verletzt hat, den Schiffsverkehr in einer zum Kommunalhafen gehörenden Fahrrinne sicher zu regeln, indem vorübergehend eine Fahrwassertonne ohne geeigneten Ersatz aus der Fahrrinne entfernt wurde. Wenn dann eine Segelyacht auf Grund läuft, trifft die Gemeinde ein ganz überwiegendes Verschulden mit entsprechenden Haftungsfolgen für materielle und immaterielle Schäden gemäß § 839 Abs. 1 BGB.
Das Gericht stellte maßgeblich darauf ab, dass die Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, indem die Fahrwassertonne 11 durch den beauftragten Fischer entfernt wurde. Denn das Fischerfähnchen stellte auch mit grün angestrichenem Schwimmkörper und grünem Fähnchen keinen geeigneten Ersatz dar.
Zu den nautischen Fragestellungen hat das Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt und zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Darin wurde hervorgehoben, dass Fahrwassertonnen eine wesentliche Kennzeichnung des sicher zu befahrenden Fahrwassers darstellen, trotzdem aber lediglich als Hilfe anzusehen seien, die Navigation also nicht ausschließlich auf Fahrwassertonnen beschränkt werden dürfe. Gerade in Kurvenverläufen könne es falsch sein, sich exakt an den Tonnenstrich zu halten.
Es müsse daher stets in der Seekarte gearbeitet und der eigene Kurs auch unter Einbeziehung des Echolots an den Verlauf des Fahrwassers angepasst werden.
Das Landgericht Lübeck hat vor diesem Hintergrund ein Mitverschulden des Eigners Petersen angenommen und eine Kürzung der Ansprüche um ein Drittel zugrunde gelegt. Zwar sei das Verschulden der Gemeinde deutlich höher zu bemessen. Eigner Petersen hätte aber durch sorgfältiges Navigieren in der Seekarte erkennen müssen, dass die Tonne 11 fehlte, insbesondere auch wegen des großen Abstands zur nächsten Tonne nach dem Passieren der Tonne 9. Insoweit sei auch eine zusätzliche Orientierung an den Backbordtonnen auf der gegenüberliegenden Seite der Rinne geboten gewesen.
Anders sah es das Gericht hinsichtlich des weißen Sektorenfeuers. Dies stelle bei Tag keine geeignete Navigationshilfe dar.
Die Entscheidung des Landgerichts Lübeck ist nachvollziehbar, im Hinblick auf das übliche Verhalten an Bord kurz vor dem Einlaufen in den Hafen ist das Urteil aber durchaus überraschend.
Zwar ist der Schiffsführer immer gehalten, eine sorgfältige Navigationsarbeit durchzuführen und dabei alle ihm zur Verfügung stehenden Seezeichen zu berücksichtigen. Die Bordpraxis sieht in vergleichbaren Situationen regelmäßig so aus: Es werden Segel festgezurrt, Leinen klariert und vielleicht Hafenhandbücher eingesehen. Die Navigation beschränkt sich nach dem Erreichen der Fahrrinne häufig – wie bei Eigner Petersen – auf das schlichte Fahren von Tonne zu Tonne. Die hohen Anforderungen des Gerichts an eine sorgfältige Navigation werden damit aber nicht hinreichend erfüllt.