PolizeikontrollenDroht Bußgeld, wenn aktuelle Papierseekarten fehlen?

Lasse Johannsen

 · 04.06.2024

Polizeikontrollen: Droht Bußgeld, wenn aktuelle Papierseekarten fehlen?
Kontrollfahrt der Polizei, was die ahnden darf, ist umstritten | Fotograf: YACHT/B. Scheurer
Der Norddeutsche Rundfunk heuerte während der „Maritime Safety Days“ bei den Niedersächsischen Wasserschützern an. Der anschließend veröffentlichte TV-Bericht sorgt für Diskussionen an der Küste über Bußgeldandrohungen wegen fehlender aktueller Papierseekarten auf privat genutzten Segelyachten. Jetzt hat sich die Polizei gegenüber der YACHT zu dem Thema geäußert

Für einen Tag auf der Jade ging das Kamerateam in Wilhelmshaven an Bord. Es entstanden Aufnahmen, die Sinn und Zweck der präventiven Kontrollen verdeutlichen sollten. „Dabei geht es primär um die Sicherheit der Sportboote“, sagt Polizeikommissar Kevin Kofoth. „Wir kontrollieren im Speziellen, ob Befähigungsnachweise vorhanden sind und die aktuellen Seekarten mitgeführt werden.“

Doch bei den Kontrollen blieb es nicht. Im entstandenen Filmbeitrag ist auch zu sehen, wie die Beamten dem Eigner einer Segelyacht mitteilen, dass er einen Bußgeldbescheid erhalten werde. Der Grund sei, dass er keine aktuellen Papierseekarten an Bord habe.

Der Skipper nimmt die angedrohten 100 Euro zuzüglich Verwaltungsgebühr wegen veralteter Seekarten gelassen. Es sei ja gerechtfertigt, und die Regeln seien auch klar.

Die Reaktionen im Netz und zahlreiche Leserzuschriften zeigen, dass das nicht jedem so geht.

Bußgeld – was ist das eigentlich?

Nicht jeder Gesetzesverstoß endet vor Gericht mit einer Strafe, bei leichteren Rechtsverletzungen sieht das Gesetz lediglich eine Verwarnung vor, die gratis erfolgen oder Verwarnungsgeld kosten kann. Die nächste Eskalationsstufe ist dann die Geldbuße.

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Beim Bußgeldverfahren geht es um leichtere Rechtsverstöße, auf die der moderne Rechtsstaat nicht mit der Ultima Ratio des Strafrechts reagieren will. Ob im jeweiligen Fall ein Bußgeld erhoben werden darf, steht in den einschlägigen Gesetzen. Steht es da nicht, ist es rechtswidrig, ein Bußgeld zu erheben.

Unübersichtliche Vorschriften

Für Segler ist es bisweilen nicht leicht herauszufinden, wann sie ein Bußgeld riskieren. Es gibt hierzulande leider kein Regelwerk, in dem zusammengefasst wäre, was die Verkehrsteilnehmer auf dem Wasser zu beachten haben. Die einschlägigen Gebote und Verbote für Wassersportler finden sich in zahlreichen, höchst unterschiedlichen Vorschriften, mit denen sich auszukennen nicht ganz einfach ist.

Da sind zum einen internationale Abkommen wie Solas und KVR mitsamt zahlreichen nationalen Umsetzungsverordnungen. Zum anderen gibt es mit den landes- und bundesrechtlichen Verkehrsvorschriften wie der Bodensee-Schifffahrts-Ordnung oder der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung Regelungen, die sie ergänzen und entsprechend in Konkurrenz stehen können.

Seemännische Sorgfaltspflicht

Was grundsätzlich für alle Verkehrsteilnehmer auf dem Wasser gilt, ist die seemännische Sorgfaltspflicht. Dieser Begriff taucht an verschiedenen Stellen auch im Gesetz auf, etwa in den KVR und den deutschen Ausführungsgesetzen. Als Auslegungshilfe dieses unbestimmten Rechtsbegriffs dient die jährlich überarbeitete Broschüre „Sicherheit auf dem Wasser“ des Bundesverkehrsministeriums. Danach wird durchaus verlangt, dass aktuelle Papierseekarten an Bord sind.

Was als seemännisch sorgfältig anzusehen ist, muss als unbeständig gelten. Die für Sportboote verfügbare Technik spielt da ebenso eine Rolle wie die sich verändernde Natur. Aktuell könnte bei der Frage, ob aktuelle Papierseekarten an Bord gehören, die Problematik der GPS-Störungen eine Rolle spielen und dazu führen, dass der Karte in der Bordpraxis wieder mehr Gewicht beigemessen und ihr Fehlen als Verstoß gegen die seemännische Sorgfaltspflicht angesehen wird.

Folgen der Pflichtverletzung

Allein, eine Verletzung dieser Pflicht führt in der Rechtspraxis typischerweise nur dann zu Konsequenzen, wenn sie sich in einem „Erfolg“ realisiert. Damit meinen Juristen, das etwas passieren muss. Andernfalls geschieht erst einmal nichts außer der Tatsache, dass sich eben das Risiko erhöht, das eigene und das der Mitsegler.

Ein Bußgeld darf allein aufgrund der Verletzung seemännischer Sorgfaltspflichten aber nicht erhoben werden. Und so führt kein Weg an der Suche danach vorbei, wo im Gesetz etwas über aktuelle Papierseekarten zu finden ist.

Keine Ausrüstungspflicht für privat genutzte Sportboote

Einen Katalog mit verpflichtend mitzuführenden Ausrüstungsgegenständen auf privat genutzten Segelyachten enthält keines der einschlägigen Regelwerke. Dennoch gibt es Dinge, die an Bord gehören und deren Fehlen rechtliche Konsequenzen haben kann. Die Suche danach im Gesetz ist aus den genannten Gründen nicht ganz leicht.

Naheliegend ist es, in die See-Sportbootverordnung zu schauen. Die wurde vor etwas über 20 Jahren in Umsetzung einer EU-Richtlinie erlassen, regelt die Inbetriebnahme von Sportbooten und enthält eine Anlage mit Ausrüstungspflichten.

Für gewerblich genutzte Yachten, etwa Charteryachten, werden in dieser Anlage zum § 5 der See-Sportbootverordnung, der die Voraussetzungen zur Erteilung des Bootszeugnisses festlegt, unter der laufenden Nummer 22 auch Seekarten genannt. Genauer beschrieben werden die dort aber nicht.

Und: Die Regelung steht im Abschnitt 3, der die Vermietung von Sportbooten regelt. An Eigner, die ihre Yachten privat nutzen, richtet sie sich nicht.

Verstöße gegen die Schiffssicherheitsverordnung

Die Suche im „Buß- und Verwarnungsgeldkatalog Binnen- und Seeschifffahrtsstraßen“ führt schließlich zur Schiffssicherheitsverordnung. Das ist die Umsetzung der Solas in das deutsche Recht.

In dem Bußgeldkatalog nun werden die Papierseekarten unter der Nummer 34.100410 im Kapitel 3 genannt, wo die bußgeldbewehrten Zuwiderhandlungen gegen die Ordnung in der Seeschifffahrt aufgführt werden.

Der dort aufgeführte Tatbestand lautet: „Unterlassen der Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass auf der Brücke stets folgende Unterlagen vorhanden sind: die für die jeweiligen Seereisen erforderlichen amtlichen Ausgaben von Seekarten und Seebüchern.“ Eine Pflicht, die aus § 13 Absatz 1 Nr. 2 der Schiffssicherheitsverordnung folgt.

Umstrittene Folgen

Der richtet sich an Eigentümer von Schiffen, welche die Bundesflagge führen. Unter Fachleuten ist umstritten, ob er auch für privat genutzte Sportboote gilt. Dafür spricht, dass er explizit ausführt: “... bei Sportbooten im Sinne der Sportbootführerscheinverordnung-See genügt es, wenn an Bord nichtamtliche Ausgaben mitgeführt werden”. Doch es gibt für beide Meinungen vernünftige Argumente. Sie gegeneinander abzuwägen und eine Entscheidung zu treffen wäre allerdings Sache eines Gerichts. Und solange das nicht passiert, ist alles Weitere Spekulation.

Nicht nur deshalb ist es dringend zu empfehlen, aktuelle Papierseekarten an Bord zu haben. Sie sind nicht nur in Zeiten unsicherer GPS-Signale das Handwerkszeug bei Ausfällen der Elektronik, und daher sollte es auch als seemännisch sorgfältig gelten, sie an Bord zu haben.

Gegen einen Bußgeldbescheid können Sie dennoch Einspruch einlegen.

Update vom 4. Juni: Wie die Polizei es sieht

Auf Nachfrage der YACHT bekamen wir eine „Gesamtantwort der Wasserschutzpolizeien der Küstenländer Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern“.

Danach sei die Rechtsauffassung der ahndenden Behörde, der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS), dass grundsätzlich auf allen Sportbooten, gleich ob gewerblich oder privat genutzt, aktuelle Papierseekarten des jeweiligen Fahrtgebietes mitzuführen seien, die aber nichtamtlich sein können und auch lediglich aus einem Kartenausschnitt bestehen dürfen. Das gehe aus § 13 Absatz 1 Ziffer 2 SchSV hervor, der Sportboote ausdrücklich nenne und nicht zwischen großen und kleinen Sportbooten im Sinne der See-Sportbootverordnung unterscheide. Elektronische Seekarten seien für die Sportschifffahrt derzeit nur als zusätzliche Navigationshilfe einsetzbar.

Als aktuell sieht die Wasserschutzpolizei Seekarten nur dann an, wenn sie auf dem Berichtigungsstand der Nachrichten für Seefahrer sind.

Ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid würde danach voraussichtlich abschlägig beschieden und es bliebe nur der Weg zum Verwaltungsgericht.


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