Lars Bolle
· 30.05.2022
Nur wenn das Grundeisen zuverlässig hält, kann der Skipper ruhig schlafen. Die richtige Handhabung des Ankers für verschiedene Szenarien, Schritt für Schritt erklärt
Ankern kann ein tolles Erlebnis sein – wenn das Eisen denn hält. In den vorangegangenen Folgen haben wir ausführlich die Wahl des richtigen Ankergeschirrs sowie des geeigneten Ankerplatzes beschrieben. Hier geht es nun um die Manöver selbst. Wie bei den allermeisten seemännischen Fertigkeiten ist auch das Ankermanöver vor allem eine Sache der Übung. Das gilt insbesondere für unerfahrene Ankerlieger oder Charterer, welche die Eigenschaften des jeweiligen Geschirrs nicht kennen. Sie sollten das Ankern bei moderaten Bedingungen ausprobieren, bevor es wegen eines überfüllten Hafens oder wegen der Wetterbedingungen zwingend notwendig wird.
Richtige Vorbereitung ist auch beim Ankern Grundvoraussetzung. Schon im Ausgangshafen und nicht erst am Ankerplatz sollte das gesamte Geschirr, also Leine, Kettenvorlauf und Anker, durchgesehen werden. Dabei vor allem auf die Verbindungen achten und darauf, ob Ersatz für diese vorhanden ist, wie Schäkel oder Sicherungsbändsel. Ein Ankerball gehört auch dazu sowie die Prüfung, welche Tiefe das Echolot anzeigt, ob unter dem Kiel oder von der Wasseroberfläche aus. Zum Ankern sollte man dann wie zu einem entsprechend langen Törn starten: mit vollem Wassertank, geladenen Batterien, aktueller Wettervorhersage und, auch wenn eigentlich keine Übernachtung geplant ist, funktionierendem Ankerlicht.
Wenn eine Bucht schon sehr voll ist, gibt es eigentlich nur eine vernünftige Verhaltensregel: eine andere ansteuern! Dennoch können Gründe wie ein Notfall an Bord oder ein aufziehender Sturm keine andere Wahl lassen, als sich noch einen Platz zu suchen. Grundsätzlich gilt dabei, dass der Schwoikreis einer anderen Yacht verbotenes Terrain ist. Vor allem moderne Boote schwoien vor Anker erheblich, sie segeln regelrecht hin und her. Es gibt jedoch Methoden, den Schwoikreis zu verkleinern, sowie einige weitere Tricks und Tipps, wie maximal viele Crews in den Genuss einer geschützten Bucht kommen. Eine ganz wichtige Regel sollten dabei jedoch alle beherzigen: Je voller die Bucht, desto wichtiger ist es, permanent Ankerwache zu halten und klar zum Manövrieren zu sein.
Im Folgenden wird gezeigt, wie das Standard-Ankermanöver zu fahren ist, sowie spezielle Methoden erklärt, etwa mit zwei Ankern oder Landverbindungen. Ausgespart wurde das sogenannte Verkatten, bei dem zwei Anker an derselben Kette gefahren werden, um so die Haltekraft zu erhöhen. Denn zum einen ist es recht schwierig, beide Anker gleichmäßig einzufahren. Gelingt das nicht, ist es fraglich, ob sich beim Ausbrechen des ersten Ankers der zweite, nicht gut im Grund sitzende weiter eingräbt. Viel gewichtiger aber ist das schlechte Handling beim Aufholen. Sollte dies in einer Notsituation erfolgen müssen, bedeutet es das Hantieren mit zwei Eisen auf dem Vorschiff. Der hintere Anker muss dann erst von der Kette gelöst werden, bevor der zweite Anker aufgeholt werden kann. Einfacher ist dagegen das Ausbringen eines Zweitankers.
Noch ein Tipp: Es ist keine Schande, in einer Notsituation zum schnellen Verlassen des Ankerplatzes das komplette Geschirr zurückzulassen; es kann sonst in seltenen Fällen schlicht zu lange dauern, den Anker, oder gar bei Varianten derer zwei, ordnungsgemäß zu lichten. Dazu an das Ende der Trosse oder Kette einen Fender knüpfen, bei einer Kette mit einer Leine, die länger ist als die Wassertiefe. Dann das Geschirr ausrauschen lassen, zusammen mit dem Fender. Wenn sich die Lage beruhigt hat, kann zum Ankerplatz zurückgekehrt werden, und das Geschirr lässt sich über den oben schwimmenden Fender einfangen und bergen.
Der Tiefenmesser kann benutzt werden, um ein Verdriften der Yacht zu kontrollieren. Das funktioniert aber nur, wenn der Grund in der Driftrichtung ansteigt oder abfällt. Dazu die minimal mögliche und maximal gewollte Tiefe als Alarmzonen einstellen. Bewegt sich die Yacht in seichteres oder tieferes Wasser, schlägt der Alarm an. Ganz ohne Elektronik geht es mit Handlot und Pütz. Das Lot wird am Ankerplatz mit viel Lose auf den Grund gefiert und die Lotleine an die auf Deck stehende Pütz gebändselt. Geht der Anker auf Drift, zieht die Lotleine die Pütz mit Lärm übers Deck.
Die Schiffsposition kann auch via Plotter oder übers Handy oder Tablet mit entsprechenden Apps überwacht werden. Dazu wird eine Position gesetzt sowie ein Toleranzradius. Bewegt sich die Yacht aus dem vom Radius gebildeten Kreis hinaus, wird Alarm ausgelöst. Wird als Position die Lage des Ankers gewählt, also zu Beginn des Manövers, deckt später der Alarmkreis den gesamten Schwoikreis ab. Wird dagegen die Position der Yacht nach dem Manöver und ein entsprechend kleinerer Radius gewählt, schlägt die Software auch schon bei starkem Schwoien an, wie auch bei größeren Winddrehern.
Für die ersten Versuche sollte nicht gerade die kleinste und vollste Bucht gewählt werden. Dies nicht nur, um Kollisionen zu vermeiden – sondern auch, um in Ruhe üben zu können. Denn Kommentare anderer Skipper können schnell zu Verunsicherung führen.
Sandiger Grund ist sehr gut geeignet, wie auch zwei bis drei Meter Wassertiefe. Wenn dann noch das Wasser klar ist, herrschen ideale Bedingungen. Denn nach dem Manöver kann der Sitz des Ankers im Grund per Sicht kontrolliert werden. Dazu reicht eine ABC-Ausrüstung. Liegt das Eisen lose oder nur leicht eingegraben auf dem Grund, wurde zu wenig Schub rückwärts gegeben. Oder es wurde zu wenig Trosse gesteckt, sodass der Zugwinkel zu steil war. Dasselbe gilt, wenn eine längere Spur im Grund gezogen wurde. Das kann auf einen schlechten Ankergrund oder eine zu kurze Kette hindeuten. Dieses Abtauchen des Ankers sollte auch am nächsten Morgen nach einer Ankernacht erfolgen. Dabei ist oft zu sehen, dass die Kette eine Art Fächerspur auf dem Grund hinterlassen hat, verursacht vom Schwoien. Reicht dieser Fächer schon bei moderaten Bedingungen bis an den Anker, wurde zu wenig Kette gesteckt. Liegen dagegen einige Meter Kette vom Anker aus nahezu in einer Spur auf dem Grund, ist das ein beruhigendes Zeichen. Ebenso natürlich, wenn der Anker noch an derselben Position liegt und so eingegraben ist wie am Vortag.
Den vorgesehenen Ankerplatz wenigstens einmal umkreisen. Der Radius sollte so groß sein wie das zu steckende Geschirr. So lassen sich eventuelle Untiefen oder unreine Stellen sowie die Beschaffenheit des Grundes erkennen, und der Skipper geht sicher, auch bei einer Winddrehung noch genügend Wasser unter dem Kiel zu haben.
Am gewünschten Ankerplatz dreht der Steuermann die Yacht in den Wind. Auf sein Zeichen, wenn die Fahrt voraus fast null ist, fiert der Vorschiffsmann kontrolliert den Anker, bis dieser den Grund erreicht hat. Außer in Häfen oder bei sehr großen Wassertiefen sollte die Position des Grundeisens mit einer Boje markiert werden. Der Winddruck wird die Yacht nun nach Lee versetzen, bei wenig Wind gibt der Steuermann Rückwärtsschub. Der Vorschiffsmann fiert in dem Tempo, wie sich die Yacht bewegt, damit das Geschirr gerade ausgelegt wird und weder der Anker zu früh Zug bekommt, noch Kette oder Trosse auf einem Haufen liegen.
Wie viel Kette oder Trosse? Wichtig ist, zur Wassertiefe noch den Freibord am Bug zu addieren, beides zusammen ergibt die Tiefe. Soll nur für einen kurzen Zeitraum wie die Mittagspause geankert werden und bleibt die Crew an Bord, kann es genügen, die dreifache Tiefe als Ankergeschirr zu stecken. Für sicheres Liegen über längere Zeiträume wird oft die Faustregel genannt, die siebenfache Tiefe (inklusive Freibord) als Länge zu stecken. Doch abhängig vom Geschirr, ob Kette oder Trosse, sowie der Wassertiefe und der Windangriffsfläche der Yacht können die wirklich benötigten Längen stark abweichen. Im Detail wurde das in diesem Artikel erklärt.
Ist ausreichend Kette oder Trosse gesteckt, beginnt das Eingraben. Dazu anfangs wenig Fahrt achteraus geben, damit der Anker die Gelegenheit hat, sich in die richtige Position zu drehen, und um das Geschirr nicht zu stark zu spannen. Dem Anker ruhig einige Minuten Zeit geben, sich tief einzugraben. Der Steuermann merkt anhand einer Landpeilung, bei klarem Wasser mittels einer Grundpeilung, wenn der Anker hält. Eine gute Methode ist auch, eine Hand auf die Kette/Trosse zu legen. Wenn diese ruckelt, poltert der Anker über den Grund. Soll über Nacht oder bei rauem Wetter liegen geblieben werden, den Zug, je nach Motorisierung, dosiert noch etwas erhöhen. Bricht der Anker zu früh aus, muss das Geschirr verlängert oder ein Zweitanker ausgebracht werden. Es ist übrigens nicht zu empfehlen, mit Anlauf achteraus ins Geschirr einzurucken.
Um die Haltekraft des Geschirrs zu erhöhen oder den Bewegungsspielraum der Yacht einzuschränken, kann das Ausbringen eines Zweitankers sinnvoll sein. Er sollte für die Schiffsgröße hinreichend dimensioniert sein und idealerweise über einen Kettenvorlauf und eine Trosse verfügen. Der Winkel zwischen den Ankern richtet sich nach dem erwünschten Effekt. Je dichter sie zueinander liegen, desto größer die Haltekraft bei konstanter Windrichtung – jedoch umso größer der Schwoikreis. Das andere Extrem ist das Vermuren: Beide Anker liegen maximal auseinander, 180 Grad, die Yacht kann nicht mehr schwoien, nur noch auf dem Punkt drehen, es hält aber immer nur ein Anker.
Geeignet zum Ankern in Gezeitenrevieren oder bei wechselnden Windrichtungen. Zuerst wird ein Anker an sehr langer Trosse über das Heck gegen den Wind und/oder Strom ausgebracht
Anschließend den zweiten Anker über den Bug fallen lassen. Es kann auch mit Schritt 2 begonnen werden, die Reihenfolge macht keinen Unterschied. Wird der zweite Anker mit dem Dingi ausgebracht, muss die Trosse des ersten nicht so lang sein
Die Yacht dreht sich um sich selbst, wenn beide Anker am Bug belegt werden. Sie bleibt dagegen stationär, wenn eine Trosse am Bug, die andere am Heck belegt wird. Dann jedoch kann Wind oder Schwell seitlich auf die Yacht treffen und diese sehr unruhig liegen
Ein elegantes, mit geringstem Aufwand verbundenes Manöver, das auch einhand gefahren werden kann. Die Yacht wird quer zum Wind gesteuert, der erste Anker fällt am Heck in Luv. Er kann auch am Bug ausgebracht werden, das birgt jedoch die Gefahr, dass die Trosse mit dem Propeller in Kontakt kommt
Ist ausreichend Trosse gesteckt, wird sie belegt, und der erste Anker wird etwas eingegraben. Manche Yachten lassen sich jetzt mit Schub voraus und Ruderlage so ausbalancieren, dass sie schräg zum Wind liegen bleiben. Da muss man etwas herumprobieren, auch mit dem Ruderwinkel. Gelingt dies, kann der Steuermann in Ruhe den zweiten Anker am Bug zu Wasser lassen
Die zweite Trosse wird nun so weit gefiert wie die erste, dann belegt. Wurde die erste Trosse am Heck fixiert, erst ihr loses Ende am Bug belegen, dann am Heck lösen, damit die Yacht mit dem Heck nach Lee dreht
Die Yacht liegt korrekt vor Anker. Wenn nun der Wind zunimmt oder der Schwoikreis verkleinert werden soll, kann der zweite Anker unter Zuhilfenahme des Motors an seinen Platz gebracht werden
In Zugrichtung des ersten Ankers diesem ein Stück entgegenfahren, dann abbiegen und schräg nach Luv weitersteuern, bis der erste Anker querab liegt. Um dies zu kontrollieren, sind Ankerbojen wichtig. Das Geschirr sollte keinen oder nur wenig Zug bekommen, da sonst der erste Anker ausbrechen könnte
Der zweite Anker fällt, der Wind treibt die Yacht nach Lee. Es wird so viel Trosse gesteckt wie für den ersten Anker
Wenn beide Trossen belegt sind, die Anker mit Rückwärtsschub langsam eingraben
Es ist dieselbe Ausgangssituation wie beim Ausbringen mit Maschine. Bei dieser Methode werden jedoch andere Ankerlieger weniger vom Motorlärm belästigt, außerdem ist die Gefahr geringer, dass der erste Anker ausbricht. Nachteilig ist, dass sich der Querabstand zwischen den Ankern nur schätzen lässt
Das Ankergeschirr befindet sich im Dingi. Das Ende der Trosse ist mit einer Sorgleine verbunden, die von Bord aus mitgefiert wird. Auf diese Weise muss mit dem Dingi nicht gegen die Trosse gerudert werden, was, je nach deren Gewicht, sogar unmöglich sein kann. Deshalb funktioniert dies auch nicht mit einer Kette
Der zweite Anker ist ausgebracht und markiert, die Trosse wird mit der Sorgleine an Bord geholt. Hält sich der Dingi-Fahrer an der Trosse fest, muss er nicht zurückrudern oder -fahren
Die Trossen so lange dichtholen, bis beide gleich lang sind, die Yacht also in der Mitte zwischen den Markierungsbojen liegt. Beide Anker erneut eingraben
Eine Methode für steil abfallenden Grund, wie häufig in der Türkei. Der Anker wird auf einer Tiefe ausgebracht, die gerade noch mit der Geschirrlänge vereinbar ist. Der Anker hält oft sehr gut, denn er wird in günstigem Winkel "bergauf" gezogen. Dreht die Yacht jedoch, wie immer bei ablandigem Wind, in den Tiefbereich, bricht der Anker schnell aus
Um das zu vermeiden, werden Landleinen ausgebracht, die das Herumdrehen und Schwoien sowie das Ankergeschirr unter Zug halten. Die Landleinen können entweder von der Yacht aus per Dingi oder schwimmend ausgebracht werden. Leichter ist es jedoch, zunächst mit dem Dingi an Land zu fahren, dort die Leine zu befestigen und mit ihr im Dingi zur Yacht zurückzukehren
Viele Schären fallen so steil ins Wasser ab, dass an ihnen festgemacht und trockenen Fußes an Land gegangen werden kann. Dabei wird zunächst ein Heckanker ausgebracht. Die Trosse beim Ausbringen immer wieder einmal blockieren, um zu testen, ob sich das Eisen verhakt hat. Hier gibt es nur ein Entweder-oder – fest oder lose. Deshalb können mehrere Anläufe nötig sein
Manchmal fällt ein langer, seichter Strand abrupt auf größere Tiefe ab – kein idealer Ankerplatz. Wer aber dennoch bleiben möchte, und sei es nur zum Baden, benötigt einen Heckanker statt einer Landleine. Der Buganker wird im tiefen Bereich ausgebracht und hält sehr gut, da er "bergauf" zieht
Der Heckanker kann mit der Yacht oder, wenn es zu flach wird, dem Dingi ausgebracht werden und verhindert, dass die Yacht in den Tiefbereich driftet. Wird der zweite Anker sehr weit ins Flache gebracht, muss er manchmal per Hand ausgegraben werden
Ein eleganter Schwung, den nicht nur Einhandsegler beherrschen sollten. Der Anker sollte nicht bei kompletter Kette gefahren werden, da dabei die Gefahr besteht, den Rumpf zu zerkratzen. Der Kettenvorläufer sollte am Heck in einem Eimer gestaut werden. Das Ende der Trosse wird am Bug belegt (siehe unten) und außenbords zum Heck geführt. Der Steuermann lässt den Anker am Heck fallen und fiert Vorläufer und Trosse
Ist das Geschirr lang genug, belegt man die Trosse am Heck und wartet, bis der Winddruck den Anker eingegraben hat. Man kann mit der Maschine nachhelfen und hat dabei, da das Ruderblatt vom Propeller angeströmt wird, sehr gute Kontrolle über die Yacht
Die Trosse am Heck wird gelöst, dieses schwingt herum, die Yacht hängt nun mit dem Bug im Wind
Und nun viel Spaß beim Üben!