IndonesienMit dem Katamaran auf Inseltour

Jan Jepsen

 · 21.12.2024

Nanu, Rotwild würde man in Indonesien nicht un­bedingt erwarten. Gibt es hier aber. Ein stattlicher Timorhirsch schlendert gelassen am Ufer einer Ankerbucht entlang
Foto: YACHT/Jan Jepsen
Sehr wenige europäische Segler verirren sich in die Inselwelt Indonesiens. Wer die Gelegenheit hat, erlebt garantiert ein Abenteuer. Und das nicht nur wegen der auf Komodo lebenden Riesenechsen

Mein Bruder Jörg sagt, dass er nur deshalb Bootsbauer geworden sei, weil ihm unser Vater keinen Jollenkreuzer kaufen wollte, als wir noch jung waren. Das ist lange her. Ein ganzes Berufsleben. Seit knapp 30 Jahren lebt Jörg in Indonesien. Er war dort Direktor einer Möbelfirma. Rechtzeitig zu seiner Pensionierung hat er sich auf Java einen Katamaran gebaut. Ein Woods-Design, Typ Gypsy 28, dessen Konstruktionspläne als „Budget Offshore Cruiser“ verkauft werden.

Bloß, mit dem Budget sei das in Indonesien so eine Sache, sagt Jörg. Außer Holz und günstigen Arbeitskräften muss so ziemlich alles mit happigen hundert Prozent Luxussteuer importiert werden. Ein Grund, weshalb er sich sogar den Mast aus Carbon selbst gebaut hat. Das Ergebnis kann sich sehen und segeln lassen. Das Schiff ist leicht, stabil und schnell.

Der Nationalpark Komodo ist Unseco-Weltnaturerbe...

Bruder Jörg segelt inzwischen gemeinsam mit seiner Frau Thawin die dritte Saison durch die indonesische Inselwelt. Welche Ziele sie ansteuern, hängt dabei immer vom Passat ab. Der wechselt mit dem Ende der Regenzeit seine Richtung. Daher geht es zu Beginn der Saison mit nordwestlichen Winden von Java aus via Bali, Lombok und Sumbawa gen Osten. Dort liegen Flores, Rinca und Komodo.

Die Kleinen Sundainseln liegen östlich von Bali. Dazu zählen auch Komodo, Rinca und Padar. Sie sind Teil des Nationalparks

Sie bilden mit einigen weiteren größeren und unzähligen kleinen Eilanden den schönsten Archipel ganz Indonesiens. Nicht zuletzt wegen der hier lebenden Warane ist ganz Komodo ein Nationalpark und bereits seit 1991 auch anerkanntes Unesco-Weltnaturerbe. Grund genug, einmal mit dem Bruder mitzusegeln. Ausgangspunkt für einen Törn durch die seltsam kahlen, fast steppenartigen Inseln ist Labuan Bajo auf Flores. Das ist ein moslemisches Fischerdorf auf einer ansonsten christlichen Insel.

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Komodo segelnFoto: YACHT

...und das Bootsbauer-Handwerk gleich mit!

Obwohl an Land groß in Leuchtschrift „Marina Labuan Bajo“ steht, sucht man Liegeplätze vergeblich. Vermutlich, weil alles Geld in eine überdimensioniert anmutende Promenade sowie in etliche Tribünen floss. Die entpuppen sich nach längerem Rätseln als hoch gelegener Zufluchtsort im Falle eines Tsunamis.

Das Schiff meines Bruders, die „Apolonia“, liegt längsseits an einem der unzähligen Ausflugsboote – Pinisis genannt. Das ist der traditionelle Schiffstyp in Indonesien. Das für den Pinisi-Bau erforderliche Handwerk wurde gleichfalls von der Unesco als bewahrenswert anerkannt. Es steht auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit.

Alle Muringbojen in der Bucht sind eng belegt. Dazwischen drängeln sich Ankerlieger. Bei Strömungswechsel kommen sich die Schiffe bedenklich nahe. Man mag sich das Gewusel in der Bucht kaum vorstellen, wenn ab Mai unzählige weitere Touristenschiffe aus den Tauchgründen bei Raja Ampats zurückkehren. Schon jetzt, Mitte März, herrscht reges Treiben, und das Geknatter etlicher Generatoren und Motoren erfüllt die Luft.

Bei leichter Brise machen wir zunächst gute Fahrt, passieren unterwegs ein paar sehr arm anmutende Fischerdörfer. Erster Landfall im Komodo-Nationalpark ist schließlich die Insel Rinca. Wir machen das Boot an einem Steg fest.

Komodowaran: Hungriger Drachen mit tödlichen Bissen

Wer die hiesigen Drachen und Wasserbüffel sehen und ein kleines Museum besuchen möchte, muss Eintritt bezahlen. Jeder Tag im Park kostet pro Boot und Person. Schnorcheln und der obligate Guide schlagen zusätzlich zu Buche. Am Ende hält man ein unübersichtliches Bündel an Tickets mit etlichen Nullen darauf in der Hand. Insgesamt kommen wir auf 650.000 Rupien, das sind rund 40 Euro. In meinem Indonesien-Reiseführer steht, man solle die gezahlte Summe unbedingt mit den Angaben auf den Tickets abgleichen – was ich leider erst im Nachhinein lese.

Man muss nicht weit gehen, um einen ersten Komodowaran zu sehen. Das Tier döst seelenruhig unter dem Holzsteg, der als Rundweg über das Gelände führt. Der Guide öffnet eine Pforte und dann geht es, mit einem Holzstock bewaffnet und leicht mulmigem Gefühl im Magen, ins Gelände. Denn: „Die Trägheit der Drachen täuscht“, sagt der Guide. „Sobald sie hungrig werden, werden sie auch schnell.“ Einen panisch flüchtenden Menschen könnten sie locker einholen.

Der Komodowaran: Drei Meter lang, über 70 Kilogramm schwer, bis zu 20 Stundenkilometer schnell – und sein Biss ist fast immer tödlich!

Wenn Warane zubeißen, endet das für die Gebissenen meist tödlich. Ihr Speichel enthält ein Gift sowie 57 Bakterienarten, die für eine Art Blutvergiftung sorgen. Komodowarane bringen selbst gewaltige Wasserbüffel zur Strecke. Vereinzelt fallen ihnen auch Menschen zum Opfer.

Auf Komodo lässt der erste Waran nicht lange auf sich warten.Foto: YACHT/Jan JepsenAuf Komodo lässt der erste Waran nicht lange auf sich warten.

Ich muss gestehen, selten bin ich nach einem Landgang so gern an Bord zurückgekehrt. Die Nacht verbringen wir in sicherer Distanz zum Land an einer von der Parkverwaltung ausgebrachten Boje.

Kaum sind wir erwacht, kommt anderntags im ersten Sonnenlicht ein geschäftiger Fischer in einem Einbaum angerudert. Er bietet uns seinen Catch of the Day an, einen Grouper. Viel Kundschaft hat er hier nicht. Wir sind die einzige Crew auf einem Fahrtenboot. Alle anderen Touristen sind pauschal auf einem der Tauch- oder Touristenboote unterwegs.

Komodo bietet überwältigende Ausblicke

Nächstes Etappenziel ist Pulau Padar. Dort wartet das zweite Highlight des Nationalparks – und das im Wortsinn: ein Aussichtspunkt, der es in sich hat. Wir erreichen die Insel nachmittags. Passieren eine Flotte Tintenfischfischer, die auf das Untergehen der Sonne wartet, um nachts mit dann künstlichem Licht ihre Beute anzulocken. Und das mitten im Nationalpark! Offenbar nimmt man es hier mit dem Schutz der Meeresfauna genauso wenig genau wie mit dem Wechselgeld für die Eintrittstickets.

Auf Padar sind wir die letzten Besucher an diesem Tag – und damit die einzigen, die den anstrengenden Aufstieg für eine spektakuläre Aussicht antreten. Begleitet werden wir von verschiedenen Rangern, die aufpassen, dass man ob der Hitze unterwegs nicht kollabiert. Aus gutem Grund treten die meisten Touristen den Aufstieg vor Sonnenaufgang an. Doch auch das ist nicht ungefährlich: Die ersten Ranger sind schon ab fünf Uhr morgens unterwegs, um Schlangen von den warmen Felsen zu verscheuchen.

Oben angekommen, ist die Wasserflasche fast leer. Egal, der Rest ist Staunen. Und Fotografieren. Die Inseln ringsum sind für ihre tropische Lage vergleichsweise kahl. Als Europäer fühlt man sich an die Hebriden oder Lofoten erinnert. Eben noch dankbar, dass der Himmel bedeckt war, würde man sich oben angekommen schöneres Licht wünschen. Aber auch so ist der Ausblick über die Hügel, Buchten und Strände überwältigend.

Die Inseln wirken so gar nicht tropisch. Sie sind grün, dichter Regenwald aber fehlt. Dafür gibt es Traumbuchten und -strändeFoto: YACHT/Jan JepsenDie Inseln wirken so gar nicht tropisch. Sie sind grün, dichter Regenwald aber fehlt. Dafür gibt es Traumbuchten und -strände

Traumhafter Strand in der Bucht Pantai Merah

Zurück an Bord genießen wir später die kühlere Abendbrise – und schmunzeln über den schlecht justierten Leuchtturm, dessen Lichtkegel eher die Insel abzufahren scheint, denn seinen Strahl übers Wasser zu schicken. Leider wird die anfängliche Stille empfindlich gestört, als plötzlich vier Pinisis um uns herum ihre Anker fallen lassen. Gnadenlos und mit Getöse knattern bald darauf die Generatoren für die Klimaanlagen an Bord der Schiffe.

Sobald irgendwo der Anker fällt, geht’s auf Entdeckungstour. Es gibt jede Menge zu sehen – über und auch unter Wasser!

Als wir nach halb durchwachter Nacht am nächsten Morgen ankerauf gehen, herrscht auf dem Pfad zum Aussichtspunkt, den wir am Vortag alleine genommen hatten, ein Gedränge wie am Mount Everest. Alles richtig gemacht. Voraus liegt nun die Insel Komodo an. Genauer: die dortige Bucht Pantai Merah. Gesäumt von einem traumhaften Strand und geschützt von einem vorgelagerten Korallenriff. Muringbojen gibt es leider nicht. Man tut sich schwer, einen geeigneten Ankerplatz zu finden, ohne die Korallen zu beschädigen. Kaum aber, dass wir ein leuchtenden Fleck Türkis gefunden haben und sich der Anker im Sand eingegraben hat, geht das Staunen unter Wasser weiter. Selbst schnorchelnd bekommen wir jede Menge bunte Fische, Rochen, Meeresschildkröten und Weichkorallen zu sehen. Das wirkt alles erfreulich intakt, vermutlich wegen des regen Wasseraustauschs, den die Strömungen zwischen den Inseln mit sich bringen.

Achterbahnfahrt vor Komodo in wilder Kreuzsee

Die Kehrseite der Gezeiten hier vor Komodo lernen wir an einem der nächsten Tage kennen. Bei vermeintlich moderaten Bedingungen verlassen wir mit achterlichem Wind eine Bucht. Schon nach einer Meile wundere ich mich über die Brandung am Horizont. Kurz darauf befinden wir uns in einer üblen Kreuzsee. Die achterliche Welle wird im rechten Winkel von einer alten Dünung aus dem Indischen Ozean buchstäblich überrollt.

Selten habe ich Ähnliches erlebt. Unmittelbar hinter dem Schiff vermählen sich die Wellen und bauen sich auf. Zum Glück ist die „Apolonia“ so leicht und agil, dass die Brecher nicht von achtern ins Cockpit einsteigen. Vielmehr heben sie das Schiff an, das sodann mit Speed ins nächste Wellental schießt. Vorwärts kommen wir bei dieser Achterbahnfahrt kaum. Im Schnitt sind es zwei bis drei Knoten über Grund.

Auslaufverbot bei ungewöhnlichen Bedingungen

Bruder Jörg ist sichtlich angespannt, Thawin verschwindet unter Deck und gönnt sich ein Glas Rum zur Beruhigung. Alle sind wir froh, als wir endlich in Labuan Bajo an die Muring gehen. Dort erfahren wir, dass für die nächsten Tage ein Auslaufverbot für sämtliche Schiffe verhängt wurde. Kein Wunder, wenn man sich die schlanken und hohen Pinisis ansieht. Die würden kaum unbeschadet durch solch eine Hexenküche kommen.

Wind gegen Welle und Strom sorgt für chaotische SeeFoto: YACHT/Jan JepsenWind gegen Welle und Strom sorgt für chaotische See

Mein Bruder meint, so ein Wetter habe er hier noch nie erlebt. Mir kommt unwillkürlich der Klimawandel und seine Folgen in den Sinn. Bevor Jörg weitersegelt zu den Inseln am anderen Ende von Flores, will er bessere Bedingungen abwarten. Trotz seines gut segelnden Katamrans, spätestens an der Kreuz hört der Spaß auf. Verständlich. Auf jeden Fall aber wäre ich bei der Fortsetzung gern wieder dabei.


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