Von See aus wirken die schroffen, steil ins Wasser fallenden Felsen der Halbinsel Formentor spektakulär, aber wenig einladend zum Ankern. Laut Revierführer versteckt sich im südwestlichen Zipfel der Cala Figuera jedoch ein idyllisches Plätzchen, um gut geschützt die Nacht verbringen zu können. Wir können es auch kaum erwarten, ins Wasser zu springen, denn es ist heiß, und seit Stunden treibt uns die Maschine durch die Flaute. Ab der Fünf-Meter-Tiefenlinie wird das zuvor dunkelblaue Wasser plötzlich türkis. Vorsichtig tasten wir uns an Steinen vorbei, dann fällt der Anker und gräbt sich in den sandigen Grund.
Kein anderes Boot weit und breit, lediglich ein bunter Sonnenschirm ist am grauen Kieselstrand auszumachen. Unter Wasser ist eindeutig mehr los: Hunderte Fische tummeln sich unter der Bavaria und machen das Schnorcheln zum Erlebnis. Als Mitsegler Olli ein paar Krumen trockenes Brot ins Wasser schnippt, fängt das Wasser regelrecht an zu brodeln.
Am Abend zaubert Hobbykoch Hajø aus spanischen Zutaten einen griechischen Salat sowie eine selbst gemachte Sangria. Die sich anschließende Nacht ist so wunderbar dunkel und sternenklar zugleich, dass wir für eine gefühlte Ewigkeit mit dem Blick nach oben im Cockpit liegen. Zum Einschlafen zählen wir Satelliten, die unbeirrt an den fixen Sternenbildern vorbeiziehen.
Aber der Reihe nach...
Der Kontrast zum Törnstart in Palma hätte größer nicht sein können. Der proppenvolle Flughafen mit Scharen von Partytouristen, die laut grölend durch die Terminals zogen, wirkte beinahe abstoßend. Auch Palma selbst ließ kein entspanntes Urlaubsgefühl aufkommen. Zu viele Menschen, Autos und asiatische Massagesalons, die bis spät in die Nacht um Kundschaft buhlen.
„Ich weiß genau, was ihr jetzt braucht“, begrüßte uns Helge Kröger von Starsails bei der Übergabe des Bootes. „Für kommende Woche ist für die Westküste mehr oder weniger Flaute angesagt. Das solltet ihr nutzen, um die bei Westwinden sonst sehr exponierten Ankerbuchten zu erkunden. Ihr werdet es lieben!“ Gesagt, getan. Noch am Abend kehren wir der Inselhauptstadt den Rücken und nehmen erst Kurs zum Leuchtturm am Cap de Cala Figuera, um dann nach Nordwest abzubiegen. Nach einer Nacht im Hafen von Andraitx geht es mit unserer „Ruckzuck“ in die Meerenge zwischen der Insel Sa Dragonera und dem westlichsten Punkt Mallorcas. Es ist wie das Tor in eine andere Welt. Mit einem Schlag hört die Bebauung an der Küste auf, stattdessen nur noch die grünen Berge des Tramuntana.
Bis zur Nordspitze Mallorcas sind es rund 50 Seemeilen entlang des gewaltigen Gebirgszuges, der zum UNESCO-Welterbe zählt. Auf halber Strecke befindet sich mit Port de Sóller der einzige schützende Hafen. Keine fünf Meilen davor liegt die markante Felsnadel Na Foradada, die nicht nur an einen bäuchlings liegenden Elefanten erinnert, sondern auch ein äußerst beliebter Ankerplatz ist.
Ein Grund dafür ist das gleichnamige Restaurant oben im Felsen, das nur vom Boot aus beziehungsweise per pedes zu erreichen ist. Es hat sich den Ruf erworben, die beste Paella der Insel zu servieren. Man kann dabei zugucken, wie die Gerichte auf dem knisternden Holzkohlegrill vor sich hin brutzeln. Einige Hollywood-Größen wie Michael Douglas oder Tom Hanks haben hier schon gespeist und dem Kliff lokal zu Weltruhm verholfen. So ist es nicht verwunderlich, dass wir uns die Ankerbucht unter anderem mit der 454-Fuß-Megayacht „Rising Sun“ teilen.
Wer glaubt, im „Na Foradada“ spontan einen Platz mit exklusivem Ambiente ergattern zu können, wird meist enttäuscht. Es empfiehlt sich, mindestens ein bis zwei Tage im Voraus zu reservieren. Nächstes Mal ganz bestimmt!
Gleiches gilt, wenn man einen sicheren Liegeplatz in Port de Sóller haben möchte: Unbedingt frühzeitig Kontakt mit dem Hafenmeister aufnehmen. Wir haben Glück und bekommen über Funk den letzten freien Platz an der Außenmole der Marina Tramontana zugeteilt, direkt neben einem sich anschließenden Militärareal.
Die schönste Art, um vom Hafen in den gleichnamigen Ort zu gelangen, ist eine Fahrt mit der historischen Straßenbahn. Ihr Weg führt erst entlang der Bucht, dann landeinwärts, vorbei an Orangen- und Zitronenhainen. Sóller liegt eingerahmt von den Ausläufern der Tramuntana-Berge und ist berühmt für seine Citrusfrüchte. Früher, als die Kleinstadt noch abgeschnitten und verkehrstechnisch kaum erschlossen war, wurden sie direkt ins französische Marseille gesegelt. Seit 1912 verkehrt die elektrische Schmalspurbahn, der „Rote Blitz“, zwischen Sóller und Palma. Einst beförderte er landwirtschaftliche Produkte, heute bringt er Touristen über den Berg.
Die schattenspendenden Gassen der schönen Altstadt sind ein angenehmer Rückzugsort vor der glühenden Sonne. Jedoch, der Andrang rund um die Pfarrkirche Sant Bartomeu ist enorm. Tipp: Wer früh aufsteht, kann von Sóller aus auf einem schönen Rundweg die Dörfer Bibibassi, Fortnalux und Biniaraix erkunden. Die knapp acht Kilometer lange Strecke lässt sich bei morgendlichen Temperaturen in rund zwei Stunden gut bewältigen. Auf halber Strecke finden sich in Fortnalux kleine Cafés für eine Frühstückspause.
Zurück im Hafen beobachten wir, wie der Mega-Explorer „Moka“ zwei Liegeplätze neben unserer Bavaria rückwärts anlegt. Ein Spektakel! Zu später Stunde tanzen dann alle kleineren Boote im Schwell, lediglich die 138-Fuß-Yacht liegt wie ein Brett auf dem Wasser. „Auf deren Stabilisatoren könnte man glatt neidisch sein“, nuschelt Olli mit Zahnbürste im Mund, bevor er schwankend in der Achterkoje abtaucht.
Tags drauf dann nehmen wir weiter Kurs auf Formentor. Nach der dortigen, traumhaften Nacht vor Anker zerreißt das Gemecker wilder Ziegen die Morgenstille. Heute soll das gleichnamige Kap gerundet werden, das sowohl das östlichste Ende der zerklüfteten Halbinsel als auch den nördlichsten Punkt Mallorcas ausmacht.
Kaum aus der Lee-Abdeckung heraus, greift der Wind in die Segel, in Rauschefahrt geht es in die Bucht von Pollença. Das Bojenfeld in der Cala Formentor lassen wir an Steuerbord liegen, ebenso den Leuchtturm auf der spitz zulaufenden Landzunge an der Punta Avenzada.
In Port de Pollença gibt es noch Plätze an der nördlichen Außenmole. Bei frischer Brise aus Ost gelingt das Anlegemanöver erst im dritten Anlauf; der Marinero nimmt die Achterleine trotzdem mit einem anerkennenden „Molt bé!“ an, was „sehr gut“ auf Katalanisch heißt. Geschmeichelt suchen wir das Gespräch, um Tipps für den Landgang zu ergattern. Sein Englisch ist in etwa so gut wie unser Katalanisch, aber die Verständigung mit Händen, Füßen und einer Portion Humor funktioniert erstaunlich gut. Bereits eine Stunde später ist die Crew auf Leihfahrrädern in Richtung Pollença unterwegs, das sich sieben Kilometer landeinwärts befindet. Obwohl die malerisch zwischen den Bergen gelegene Stadt zu den schönsten der Baleareninsel zählt, ist sie nicht dem Massentourismus erlegen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließen sich hier Maler, Musiker und Schriftsteller nieder, weshalb der Ort auch als Künstlerkolonie gilt. Im Zentrum der verwinkelten Altstadt finden sich zahlreiche Galerien und Boutiquen, in denen zu stöbern lohnt.
Hauptattraktion ist aber die von Zypressen und Kakteen gesäumte Freitreppe, die vom Ortskern auf den Kalvarienberg führt. Wer die schweißtreibenden 365 Stufen bewältigt, wird oben angekommen mit einem herrlichen Ausblick belohnt, der von Formentor über die Bucht von Pollença bis zur Halbinsel Alcudia reicht. Im Schatten der auf dem Gipfel thronenden Wallfahrtskapelle gibt es zudem Gelegenheit, sich mit einem Eis oder Getränk zu erfrischen.
Am nächsten Morgen besuchen wir den Markt in Port de Pollença, um uns mit frischem Obst einzudecken. Danach schaut die Crew gemeinsam auf die Seekarte, um den weiteren Törnverlauf zu besprechen. Zur Debatte steht entweder die vollständige Rundung Mallorcas oder zurück entlang der Westküste. Der wilde Westen und die einsame Nordspitze haben es uns so sehr angetan, dass einstimmig entschieden wird: Einige Buchten hatten wir auf dem Hinweg ausgelassen. Die wollen wir nun auch noch ansteuern.
Beispielsweise die schmale Cala en Gossalba an der Ostseite Formentors. Gegen Mittag legen wir dort einen Badestopp ein. Die zahlreichen Aleppo-Kiefern an den Felsen verleihen der kleinen Bucht eine erdig-harzige Duftnote. Um auch die Unterwasserflora, insbesondere das Seegras, zu schonen, sollte der Anker unbedingt nur über den hellen, sandigen Flecken am Meeresgrund geworfen werden.
Nach der erneuten Rundung des Kaps geht es dann rund 20 Seemeilen zurück durch die Flaute bis zur spektakulären Cala de sa Calobra. Vor dem Durchbruch der tief eingekerbten, von Sturzbächen geformten Schlucht lässt es sich auf zehn Meter Tiefe gut ankern. Jedoch nur bei stabiler, ruhiger Wetterlage. Andernfalls steht hier ein unangenehmer Schwell, der von den Felsflanken noch reflektiert wird.
Zwischen steil aufragenden Felsen entdecken wir einen kleinen flachen Uferstreifen, der sich zum Anlanden mit dem Dingi eignet. Barfuß ist der grobe Kieselstrand jedoch kaum zu bewältigen, daher Schuhe nicht vergessen! Bis zum Bau einer Serpentinenstraße in den 1930er Jahren war der Ort nur übers Wasser zu erreichen. Heute ist Sa Calobra eine der Top-Attraktionen Mallorcas: Ein Freeclimber bewegt sich artistisch wie eine Spinne an einem überhängenden Fels, während ein junges Brautpaar im Wasser stehend von einem Fotografen in Szene gesetzt wird. Andere Strandbesucher genießen den Blick auf die ankernden Schiffe und die untergehende Sonne. Kaum vorstellbar, dass sich hier bei Starkregen ein lebensgefährlicher Sturzbach bilden kann, der alles mit sich ins Meer reißt.
Später am Abend wagen sich ein paar junge Ziegenböcke herab an den Strand, um sich spielerisch die behörnten Köpfe aneinanderzuschlagen. Als auch das letzte Sonnenlicht erloschen ist, kehrt Ruhe ein in der Bucht. Nun ja, fast. Den Gästen eines voll besetzten Partykats scheint die Stille der Nacht nicht geheuer zu sein; ihr Gegröle ist noch eine Weile zu hören. Und am äußeren Ende der Bucht liegt eine Megayacht wie ein illuminiertes Bollwerk gegen Wind und Welle. Das haben wir in dieser Nacht gar nicht nötig, das Wetter bleibt bis zum Morgen ruhig.
Am vorletzten Tag möchte die Crew noch einmal essen gehen, am liebsten mit Aussicht übers Meer. Also steuern wir die Cala Deià an, die rund drei Seemeilen südlich von Port de Sóller liegt und mit zwei Restaurants direkt am Wasser aufwartet. Wir entscheiden uns für das höher gelegene, müssen aber etwas warten, bis ein Tisch frei wird. Das lohnt sich: Der gegrillte Tintenfisch schmeckt ausgezeichnet, und näher am Wasser mit Blick übers Ankerfeld kann man nicht sitzen. Dazu ein Glas Weißwein – perfekt!
Schwimmend und mit dem Dingi geht es zurück zum Boot. Der Badebereich ist mit gelben Bojen markiert, ihn dürfen motorisierte Beiboote nicht befahren.
Als am frühen Abend Sa Dragonera passiert wird, heißt es Abschied nehmen von der wilden Westküste. Einen behutsamen Übergang zurück in das touristisch überstrapazierte Mallorca bietet das Bojenfeld vor Sant Elm, der westlichsten Ortschaft der Insel. Hotelklötze gibt es hier keine, stattdessen ein vorgelagertes Eiland, das schwimmend erreicht werden kann.
Satelliten sehen wir keine in der letzten Nacht, dafür die Lichter der Flieger, die uns den Weg zurück nach Palma weisen. Auch ohne nennenswerten Wind ist die Zeit wie im Fluge vergangen.
Ein Besuch der charmanten Kleinstadt gehört zum Pflichtprogramm. In Port de Sóller, dem einzigen Hafen an der Westküste, steigt man am besten in die historische Straßenbahn, die erst am Strand entlang und dann durch das Tal der Orangen bis ins Zentrum der Altstadt fährt.
Hoch im Norden der Halbinsel Formentor liegt diese einsame Bucht, eingerahmt von hohen Felsen. Kristallklares, türkises Wasser und ein sandiger Grund laden zum Ankern und Schnorcheln ein. Restaurants oder Geschäfte gibt es nicht. Zum Kap Formentor ist es nur noch ein Katzensprung.
Ein idealer Zwischenhalt für hungrige Crews, die das Boot nicht aus den Augen verlieren wollen. Da die Bucht und die Tagesrestaurants auch bei Landtouristen beliebt sind, besser einen Tisch reservieren. Der Stopp hier ist zudem eine Alternative, falls das Lokal in Na Foradada voll ist.
Da es im Nordwesten Mallorcas bis nach Formentor tolle Wanderwege in allen Schwierigkeitsstufen gibt, zahlt es sich aus, gutes Schuhwerk einzupacken. So sind auch Port de Sóller und die Cala Deià mit einem idyllischen Küstenweg verbunden, der allerdings zwölf Kilometer lang ist.
Ein Besuch des wunderschönen und nicht überlaufenen Künstlerortes bleibt in Erinnerung. Vom gleichnamigen Hafen ist er per Rad oder mit dem Taxi oder Bus erreichbar. Wer ein besonderes Mitbringsel sucht, wird hier fündig. Das Wahrzeichen der Stadt ist eine 365-stufige Freitreppe.
Aufgrund von Steinen sollte der Anker im äußeren Bereich der Bucht, vor der Acht-Meter-Tiefenlinie geworfen werden. Der Besuch des Bergdorfes maurischen Ursprungs ist lohnenswert. Auf den markanten Terrassen wurde früher Wein angebaut, heute hauptsächlich Gemüse und Obst.
Die Navigation ist in dem Revier unkompliziert, lediglich in Landnähe vermehrt auf Steine achten. Auf UKW-Kanal 16 werden regelmäßig Wetterberichte und Warnungen in spanischer und englischer Sprache gesendet. Insbesondere in kleinen Buchten gegebenenfalls Landleinen ausbringen, falls nicht genug Platz zum Schwoien ist.
Mit 300 Sonnentagen im Jahr gehören die Balearen zu den beliebtesten Ferienzielen für Chartercrews. Im Hochsommer schwanken die Temperaturen zwischen 27 und 37 Grad Celsius. Bei Starkregen drohen in der Cala de sa Calobra gefährliche Sturzfluten. Aufgrund des vergleichsweise milden Winters kann bei entsprechenden Vorbereitungen das gesamte Jahr über gesegelt und gechartert werden.
Tagsüber meist schwacher, auflandiger Wind, nachts ablandig. Bei östlichen Winden ist im Westen mit Flaute zu rechnen. Zum Ende des Hochsommers können vermehrt Wärmegewitter auftreten. Dann kann der Wind in kürzester Zeit Sturmstärke erreichen. Diese berüchtigten, lokal begrenzten Stürme werden von den Einheimischen „Gota Fria“ genannt.
Eine der Besonderheiten des Reviers besteht darin, dass Charterboote sich einige der schönsten Plätze mit Mega yach ten teilen müssen. An der gesamten West-und Nordwestküste gibt es auf halber Strecke mit Port de Sóller nur einen einzigen Hafen. Reservierung eines Liegeplatzes ist erforderlich. Bei Schwell und Winden aus den westlichen Quadranten sind die meisten Ankerplätze zudem ungeschützt. Und: Seegrasfelder sind geschützt, sie dürfen nicht von Anker oder Kette beschädigt werden. Ankern nur auf den hellen, sandigen Flächen.
Törnführer „Balearen“ von Gerd Radspieler, 39,90 Euro, Delius Klasing Verlag. „Portbook Mallorca“ von Martin Muth, 29,90 Euro, BonaNova Books (Neuauflage 2024). „Küstenhandbuch Mallorca“, 39,90 Euro, Edition Maritim. Bezug: SHOP.DELIUS-KLASING.DE
Seekarten NV Charts „Spain ES2 – Balearic Islands, Ibiza to Menorca“, 64,99 Euro.
Wir waren mit einer Bavaria Cruiser 40 von Starsails Yachtcharter unterwegs. Das Schiff kostet je nach Saisonabschnitt von 1450 Euro bis 3050 Euro pro Woche (zzgl. Endreinigung, Bettwäsche und Handtücher). Infos und Buchung: 0221/630 608 130; STARSAILS.DE