ReiseCabrera - Mallorcas stille Schwester

YACHT-Redaktion

 · 27.08.2023

Ein Spiel der Farben: Bei hohem  Sonnenstand leuchtet der innere Teil der Hafenbucht spektakulär. Es finden sich 50 Muringtonnen zum Festmachen
Foto: M. Muth
Die Inseln des Cabrera-Archipels verzieren Mallorcas Südspitze wie dessen natürliche Verlängerung. Der Nationalpark mit zahlreichen Hotspots inmitten einmaliger Natur ist ein ganz besonderes Reiseziel

von Martin Muth

Manchmal kann es schlau sein, etwas Geduld zu zeigen. Als es mit leichter Verspätung erst am Sonntag auf See hinausgeht, hat der Himmel über dem Meer sein dunkles Grau abgelegt. Statt kräftigen Böen aus Nord fächelt der thermische Embat eine sehr angenehme, segelbare Brise aus Südwest auf die Hafeneinfahrt der kleinen Marina von Can Pastilla, wo der Club Náutico San Antonio de la Playa die Liegeplätze verwalten darf. Die größten sind belegt von der Charterflotte First Class Sailing. Deren Lagoon 42 „Moonlight“ soll die Crew nach Cabrera bringen, einen Archipel und naturgeschützten Nationalpark vor der Südspitze Mallorcas. Schon bei niedrigen Drehzahlen schieben die kräftigen Yanmar-Diesel den Zweirumpfer mit anständiger Fahrt hinaus auf die Bucht von Palma. Nach 50 Minuten gegen den Wind sind die letzten Jollenfelder vor dem Yachthafen passiert. Nun steigt das Groß zum Topp, die Selbstwende-Genua gesellt sich alsbald dazu, und Cabrera liegt an.

Nun ja, fast zumindest. Denn ordentlich Abdrift und Oberflächenstrom machen einen Holeschlag notwendig, noch bevor Cabo Regana erreicht ist, das „falsche“ Kap am Ostausgang der Bucht von Palma. Ab dem Cabo Blanco, das alsbald folgt, stört die Steilküste in Lee nicht weiter, nun sind es keine 15 Seemeilen mehr bis zur Hafenbucht von Cabrera mit ihren 50 Festmachetonnen. Eine Reservierung im Internet ist obligatorisch, Bezahlen ebenfalls.

Auf zwei Rümpfen nach Cabrera

Durch das Bordfernglas ist das alte Kastell östlich der Einfahrt zur Bucht bald gut zu erkennen. Mit jeder Seemeile schieben sich nun Backbord voraus die nördlichen Inseln des Cabrera-Archipels über den Horizont: die kantige Isla Foradada mit ihrem schwarz-weißen Leuchtturm obenauf, die von hohen, hellen Kliffs gesäumte Isla Conejera und später die flache Isla Plana. Am Abend ist das erste Ziel erreicht. Im Lee der Punta de Sa Creveta mit ihrem wichtigen Einfahrtsfeuer fällt das Groß in Lazy-Jacks und Segeltasche. Unweit wartet ein Ranger des Nationalparks in einem roten Schlauchboot und kontrolliert die Reservierung ankommender Schiffe. Eine selten schöne Überfahrt ist zu Ende. Nach rund einem Dutzend Besuchen des Archipels ging es nun zum ersten Mal auf zwei Rümpfen nach Cabrera.

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Bald ist „Moonlight“ fest an der Muringtonne. Zeit für einen kleinen „Anleger“ auf dem Trampolin im Bug. Über Mallorca lösen sich die letzten Wolkentürme des Tages auf, hier herrscht eitel Sonnenschein. Es ist nicht die beste Segelwoche, folgt man den Wetterprognosen, die sich in rascher Folge ändern. Aber der erste Tag war schon einmal überaus zufriedenstellend.

Nach und nach verliert sich nun das Tageslicht hinter der Hügelkette im Osten der Bojenbucht Cabreras, die im Spanischen „Puerto“ und auf Katalan oder in Mallorquín „Es Port“ genannt wird. Weil sie eine Sicherheit bietet, wie sonst nur Häfen es vermögen. Zahlreiche Dingis anderer Bojenlieger knattern derweil über die Bucht, pendeln zwischen der Hauptmole und den Yachten. Viele davon sind schwer beladen, mit nur noch wenig Freibord, oder sehr schnell unterwegs, die zwei Knoten „max“ eindeutig überschreitend.

Den Abend auf Cabrera genießen

Sie allein stören noch ein wenig die unglaubliche Stille dieses abgeschiedenen Ortes, der jedoch keine 30 Seemeilen entfernt liegt von der geschäftigen Metropole Palma de Mallorca. Selbst die Gespräche in den Cockpits kommen ohne laute Töne aus, als gäbe es eine kollektive Verabredung zum Genuss des Abends an einem ganz besonderen Platz. Als die Ankerlichter zur blauen Stunde erscheinen, ist es wie ein Horsd’œuvre zum Feuerwerk des Himmels, das alsbald die ganz große Bühne einnehmen wird – das Firmament! In einer fast pechschwarzen Nacht übernehmen dann Tausende und Abertausende Sterne die Choreografie.

Das schöne Cabrera-Wetter hat Bestand. Zwar war die erste Nacht an der Muring etwas durchwachsen, es wehte aus Nord in die Bucht hinein, ein paar Tropfen fielen. Aber nun, am späten Morgen, gelangt der Archipel zurück auf die Sonnenseite. Auf ins Beiboot und an Land. Dort führt uns der Weg zielstrebig zur Tür des Nationalparkbüros am Fuß der Hauptpier, an deren Innenseite Dingis angebunden werden können. Doch die Tür ist überraschenderweise verschlossen. Ein Beamter der Guardia Civil klärt auf: Das Büro ist umgezogen, residiert nun auf der anderen Seite der „Cantina“.

Die „Cantina“ ist Treffpunkt der Segler, eine Kult-Bar mit überschaubarem Angebot an Speisen. Aber die Getränke, vor allem am Abend, sind hier ohnehin wichtiger.

Das Gesicht vom Nationalparkbüro

Vor der Tür zum Nationalparkbüro steht Aina Garí Calafell. Wenn sie nicht gerade zur Erholung eine Woche auf Mallorca zubringt, dann ist die junge Spanierin Tag für Tag von morgens bis abends für die Besucher da. Sie begrüßt auch Gruppen, die mit einem Ausflugsboot von Colònia de Sant Jordi kommen, dem Hafen im Süden Mallorcas, der Cabrera am nächsten liegt.

Zwei Jahre gibt es nun schon das neue Büro, erzählt Aina. Es hat sich deutlich vergrößert und bietet jetzt ausreichend Platz für Schautafeln. Sie zeigen, was man auf Cabrera auf eigene Faust unternehmen kann und was nur in Gruppen, geführt in Begleitung durch Ranger. Die Wanderung zum Leuchtturm auf der Punta Anciola, dem Südwestzipfel der Isla Cabrera, ist Einzeltätern zum Beispiel aktuell verwehrt.

Wie lange, ist ungewiss. „Die Natur soll sich erholen können. Anstelle des festen Weges haben zu viele Besucher eine Abkürzung durch die Landschaft gewählt“, sagt Aina. Wer bis ans Ende der Insel wandern will, muss sich nun für eine Exkursion anmelden. Wem allein der Ausblick über die Landspitze reicht, der findet hinter der ersten Anhöhe einen Aussichtspunkt auf die Halbinsel und den rot-weißen Leuchtturm.

Was problemlos möglich ist: der Aufstieg zum Kastell. Etwas, das fast jeder unternimmt, weil die Burg gleich oberhalb der Hauptpier liegt und in 15 Minuten erreicht sein kann. Für die letzten Meter zur Aussichtsterrasse gibt es nur eine Hürde: die enge, geschlossene Wendeltreppe. Gegenverkehr ausgeschlossen. Nichts für Menschen mit Neigung zu Klaustrophobie.

Alle anderen genießen den spektakulären Blick von oben auf die Hafenbucht. Und vorher und hinterher die Begegnung mit unzähligen Mauereidechsen, die über die staubigen Wege wuseln und sich erst kurz vor den nahenden Schritten flink ins niedere Buschwerk verabschieden.

Fischen in der Umgebung von Cabrera

Das Refugio de Pescadores zwischen „Cantina“ und Hauptpier gibt es seit Ewigkeiten. Die „Fischerhütte“, so die profane Übersetzung, ist im Wesentlichen ein Aufenthaltsraum mit Pantry.

Einer, der sich hier häufig aufhält – und das schon seit 40 Jahren –, ist Carmeló Martím. Wie rund 60 andere Fischer aus Palma, Colònia de Sant Jordi und Cala Figuera hat er die Fanglizenz für Cabrera. Martím kam im Alter von 15 Jahren mit seinen Eltern aus Grenada nach Mallorca und schon bald darauf zu seinem Beruf. Gerade 18 Jahre war er alt, als er mit Freunden seinen ersten Fang über offenem Feuer brutzelte, hier, in der kleinen Felsbucht an der Einfahrt zu Es Port.

Heute wohnt Martím im Sommer in einer Hütte neben dem Refugio, im winterlichen Halbjahr auf Mallorca. Auf seinem Boot präsentiert er eine Cabrera-Languste, die er aus einer Kühlbox fingert. Ob er sie an Restaurants verkauft? Nein, diese Leckerei gibt es nur für Freunde. Ob er auch noch an der Pier auf Cabrera Fische anbietet? „Muy poco“, sehr wenig, und selten dazu.

Fischfang nur noch als Nebenrolle des Achipels

Fast immer landet der Fang über Colònia de Sant Jordi mit dem Auto in der Lonja, der Fischbörse von Palma. Fischfang soll nur noch eine Nebenrolle spielen im Cabrera-Archipel. Das war das Ziel, als die Inselgruppe 1991 zum Nationalpark erklärt wurde, Spaniens erstem und bis heute einzigem am Meer, und das war es erneut bei der Erweiterung des Schutzgebietes zum tiefen Meer hin im Jahr 2019.

Denn dort, wo der Meeresgrund nahezu in die Senkrechte stürzt und schnell 1.000 Meter Tiefe erreicht, wie der Blick auf die Seekarte deutlich zeigt, tauchen Pottwale Riesenkalmaren ins tiefe Schwarz hinterher, ihrer Lieblingsspeise. Nur dieser Zahnwal, im Mittelmeer heimisch, kann in solche Dimensionen vordringen. Der Wal geht bei dieser Nahrungssuche an seine Grenzen, treibt anschließend regungslos an der Wasseroberfläche.

Für Segler bleibt das unsichtbar. Den Fischreichtum in diesem außergewöhnlichem Meeresareal können sie allerdings schon am Bojenplatz erleben. Wer im Frühsommer noch nicht über Bord springen und schnorcheln möchte, muss nur ein paar Brotreste über die Reling schubsen: Binnen Sekunden machen sich Aberdutzende Fische und Fischlein über die kargen Stückchen her, als gebe es kein Morgen. Der Unterwasserwelt scheint der regulierte Fang im Nationalpark offensichtlich sehr gut zu bekommen.

Die Unterwasserwelt vor Cabrera

Wie gut, das weiß am besten, wer zum Tauchen nach Cabrera kommt. „Es gibt dort besonders viel Fisch: große Zackenbarsche, Thunfische, riesige Sardinenschwärme und Makrelen“, schwärmt Natascha Korger vom Dive Center Mallorca. „Die Unterwasserwelt vor Cabrera ist immer noch wunderschön. Wir tauchen dort schon seit 25 Jahren, und in dieser Zeit ist die Fischpopulation gleich gut geblieben.“

Auch mit der Segelyacht besucht sie Cabrera gern, gemeinsam mit ihrem Partner. Besonders gern sogar im Winter. „Dann hat man den ganzen Archipel fast für sich allein“, sagt sie. „Weil auf der Insel immer Ranger und Beamte der Guardia Civil sein müssen, hat auch die kleine ‚Cantina‘ an der Bucht das ganze Jahr über geöffnet. Außerhalb der Saison komme ich mir dort vor wie in einer Zeitmaschine, hundertfünfzig Jahre zurückversetzt.“

Zurück im Jetzt. Nach einem Frühstück mit dem Stangenweißbrot Marke „Barra rustica“ aus der „Cantina“ geht die ruhige Zeit an der Muringboje ihrem Ende entgegen. Spätestens um 17 Uhr muss der Platz geräumt sein für die nächsten meist segelnden Besucher in Spaniens einzigem Nationalpark am Meer.

Wind aus der richtigen Richtung

Gut, dass der Wind erneut aus der richtigen Richtung weht. Ein Südwest mit bis zu 15 Knoten macht Vollzeugsegeln möglich. Und eine schnelle Reise bis zum Ankerplatz gleich nordöstlich des kleinen Hafens von Colònia de Sant Jordi, wo kleine Sportboote festmachen, außerdem Fischer und die Ausflugsschiffe nach Cabrera.

Bei Südwest liegt man hier am besten, viel besser als auf den offenen Ankerplätzen westlich und östlich. Ein weiterer Vorteil ist, dass es von hier nur wenige Fußminuten bis zum Besucherzentrum des Nationalparks Cabrera sind.

In der Nacht dreht der Wind auf Ostsüdost und frischt auf bis zu fast 20 Knoten. Perfekt für einen Schlag zur 35 Seemeilen entfernten Bucht von Santa Ponsa. Ein guter Platz, um sich keine Sorgen machen zu müssen, wenn bis zum Morgen ein Nordostwind einsetzt, der Ausläufer eines Mistrals, der schon seit ein paar Tagen die Küsten Mallorcas umstreift.

Der Mistral ist ein häufiger Gefährte einer Segelreise rund um Mallorca, und man sollte ihn immer genau im Auge haben. Und etwas Geduld und Zeit mitbringen. Nicht zuletzt für Cabrera, die wahrlich stille Insel Mallorcas.


Revier-Infos zum Cabrera-Archipel

Der Nationalpark

Im Jahr 1991 wurde der Archipiélago de Cabrera zum Nationalpark Spaniens erklärt. Damit einher gingen Einschränkungen für den Fischfang. 2019 wurde der Nationalpark deutlich erweitert auf fast das Zehnfache seiner vorherigen Größe. In Colònia de Sant Jordi, unweit des kleinen Hafens, befindet sich das Besucherzentrum des Nationalparks. Der Besuch kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro. Der letzte Zugang zum Park ist um 17 Uhr.

Besuch auf eigenem Kiel

Ein Aufenthalt im Nationalpark über Nacht erfolgt zwingend an einer der 50 Muringbojen (max. Bootslänge 35 Meter) in der Hauptbucht der Isla Cabrera.

Diese Bojen sind kostenpflichtig und im Hochsommer schwer zu bekommen. Sie sind bis zu 20 Tage im Voraus online auf balearsnatura.com buchbar, man sollte sich frühzeitig darum kümmern. Im Juli und August: max. 2 Nächte. September bis Juni: max. 7 Nächte. Preise vom 1. Mai bis 30. September: bis 12 m (weiß): 18,60 Euro; bis 15 m (gelb): 29,76 Euro. Zu anderen Jahreszeiten halbieren sich die Beträge. Ohne Reservierung wird man bei Kontrollen am Abend aufgefordert, die Bucht zu verlassen. Ankern ist an keiner Stelle des Nationalparks erlaubt. Rund Cabrera sind einige Wasserflächen für die Durchfahrt gesperrt, was auch in Seekarten eingetragen ist.

Tauchen

Auf balearsnatura.com kann für 5,24 Euro pro Person eine Tauchgenehmigung erworben werden. Es gibt diverse Tauchschulen im Süden und an der Ostküste Mallorcas, die Tauchgänge in Gruppen anbieten.

Versorgung

Gut verproviantiert anreisen, keine Einkaufsmöglichkeiten. Getränke und einfache Gerichte gibt es in der „Cantina“. Man kann hier auch für den Folgetag frisches Brot bestellen.

Entdecken

Wer sich intensiver mit der Geschichte und den schützenswerten Tieren und Pflanzen befassen möchte, meldet sich für eine der geführten Exkursionen an. Die Zahl der Teilnehmer ist jedes Mal limitiert. Öffnungszeiten des Nationalparkbüros im Sommer: 8 bis14 und 16 bis 20 Uhr. In Eigenregie ist der kurze Aufstieg zum Castillo de Cabrera (etwa 15 Min.) möglich. Für einen Besuch der Blauen Grotte im Norden der Isla Cabrera wählt man am besten den Nachmittag, wenn die Sonne ihre tieferen Strahlen hineinwerfen kann. Das verspricht leuchtende Farben. Man kann die Grotte durchschwimmen oder mit dem Beiboot hineinfahren. Einen feinen Badestopp verspricht die Calla Burri auf der Ostseite Cabreras mit 15 Muringbojen; der Aufenthalt ist nur tagsüber erlaubt.

Kontakt

Parque Nacional Archipiélago de Cabrera; Tel. +34 971 177 641, Mobil +34 630 982 363; E-Mail: autoritzacions@ dgmambie.caib.es

Geschichte

Auf den Spuren Cabreras bewegt man sich beim Besuch des Museums „Es Celler“. Eine stilvolle Ausstellung von Funden aus dem Meer erzählt vom regen Handel schon in römischer Zeit, vom Wein- und Ackerbau bis vor gut 100 Jahren und von Kriegszeiten, Schmugglern etc. Das Museum öffnet evtl. nur wenige Stunden am Tag oder gar nicht, je nach Besetzung des Nationalparkbüros. Dafür ist der Eintritt kostenlos.

Charter

Die Lagoon 42 wurde von der Firma First Class Sailing in Can Pastilla im Yachthafen des Club Marítimo San Antonio de la Playa zur Verfügung gestellt. First Class Sailing ist ein Unternehmen der Yacht- & Charterzentrum GmbH in Heiligenhafen und hat neben Mallorca drei weitere eigene Stützpunkte am Mittelmeer. Die Basis in Can Pastilla ist gut gelegen, zum Flughafen sind es mit dem Taxi nur knapp zehn Minuten. Einkaufsmöglichkeiten sind fußläufig erreichbar, rund um den Hafen gibt es zahlreiche Bars und Restaurants. Die sehenswerte Altstadt von Palma könnte man sogar zu Fuß am Meer entlang erreichen.


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