YACHT-Redaktion
· 11.01.2023
Das immer gleiche Bier oder stets dieselbe Sorte Wein, das war einmal. Entlang der Küsten und sogar auf manch kleiner Insel sind in den zurückliegenden Jahren viele feine, meist kleine Brauereien und Destillen entstanden. Wir sagen, welche man ausprobieren sollte
Seit 144 Jahren gibt es das Rumhaus Johannsen in Flensburg. 36 Jahre lang war es in der Großen Straße ansässig, dann zog man um in die Marienburg. Dort, in der Marienstraße Nr. 6, einem alten Kaufmannsspeicher, ist das Unternehmen heute noch zu finden. Es trotzte Weltkriegen und Wirtschaftskrisen und darf sich längst als ältestes noch bestehendes Flensburger Rumhaus bezeichnen. So viel Geschichte ist nicht nur etwas, auf das man stolz sein darf. Sie ist zugleich Verpflichtung für die gegenwärtige Generation, die karibischen Rum für den hiesigen Markt veredelt.
Fachleute bezeichnen das als Verschnitt. Zuvor lagern die Destillate mindestens ein Jahrzehnt in Eichenfässern. Dann erfolgt das Blending, sprich, der Rum wird gemischt und erneut gelagert. Dann erst werden Wasser und Agraralkohol hinzugefügt: der Verschnitt. Schließlich dürfen die entstandenen neuen Rumsorten ein letztes Mal ruhen und reifen.
Abgefüllt in Flaschen, erhält der Rum klangvolle und – wie könnte es in einer Seefahrerstadt anders sein – maritime Namen. Im Verkaufsregal stehen neben dem klassischen Jubiläums- und 1878er Rum Sorten mit Bezeichnungen wie „Windstärke 13“, „Windjammer Pier 3“, „Seemannsgarn“ oder auch „Segel setzen“. Je nach Alter, Alkoholgehalt und Zusammensetzung ergeben sich feinste Geschmacksunterschiede, die Rum-Fans zu schätzen wissen – und die sich letztlich natürlich auch im Preis widerspiegeln.
Selbst für Menschen, die sich weniger gut mit dem hochprozentigen Erzeugnis auskennen, ist es ein Erlebnis, in die Welt der Rumherstellung abzutauchen. Bei Johannsen ist dies im Rahmen einer 90-minütigen Führung möglich, bei der man alles über Rum erfährt, vom Anbau des Zuckerrohrs in der Karibik über den Transport des Rohrums nach Europa bis hin zu seiner hiesigen Veredelung. Das ist gleichermaßen spannend, lehrreich und unterhaltsam. Der Preis von zehn Euro schließt die Verkostung von drei Rumsorten und einem Likör ein.
Andernorts in Flensburg, im Rumhaus Braasch in der Roten Straße 26–28, ist sogar ein ganzes Museum dem edlen Destillat gewidmet. Besucher können historische Flaschen bewundern und alte Maschinen bestaunen, die bei der Verarbeitung des Zuckerrohrs und der Destillierung der Maische eingesetzt wurden. Dazu finden sich in der privaten Sammlung von Destillateur Walter Braasch Bilder, Texte und Reiseberichte aus vergangenen Zeiten. Der Eintritt ins 2014 erneuerte Museum ist frei.
Ganze 44 lange Jahre hatte die Insel Ærø keine eigene Brauerei, obwohl es von 1926 bis 1961 im kleinen Dörfchen Rise schon mal eine gab. Die war besonders für ihr spezielles Oster-Bier und Ale bekannt. Doch die Energiekrise in den Sechzigern kostete den Betrieb die Existenz. 2004 beschlossen Bier-Enthusiasten, das Label in dem fast 120 Jahre alten Gebäude in Rise zu neuem Leben zu erwecken. Seitdem hat sich viel getan: Die beiden Braumeister Bent und Gunnar haben eine Range von zehn spannenden Bieren aufgelegt, darunter süffige wie das Walnuss-Bockbier, Pale Ales, Dark Ale und auch Exotischeres wie ein sehr besonderes Weihnachtsbier namens „Strong Rudolf“. Sogar ein Seetang-Bier findet sich im Flaschenregal.
Bei vielen Crews landen die Biere, die im Supermarkt und in den Kneipen auf der Insel zu kaufen sind, auf dem Cockpittisch. Und eine hübsch designte Geschenkbox mit einer Auswahl der Sorten erfreut sich als Mitbringsel großer Beliebtheit – auch wenn der gute Ærø-Stoff nicht gerade billig ist. Rund 3,80 Euro kostet eine Flasche im Zwölferpack.
Über die Jahre ist das kleine Team und auch das Angebot gewachsen. Zur Brauerei kam ein Mittagscafé hinzu, das im Juli und August geöffnet ist. Auch Brauerei-Führungen sind möglich, wenn gewünscht auf Englisch. Ab zwölf Personen kann man eine eigene Führung buchen (150 Kronen/Person). Dabei lernt man dann viel über den Brau-Prozess, kann aber auch einmal das ein oder andere Bier versuchen. Besuche nach Voranmeldung.
Mit dem Rad sind es vom Hafen fast zehn Kilometer bis Rise. Das kann anstrengend werden. Wer indes den Gratis-Inselbus nach Ærøskøbing nimmt, kommt an der Brauerei vorbei und kann dort aussteigen.
Ende 2018 eröffnete die nach Angaben der Betreiber „modernste Craftbeer-Brauerei Schleswig-Holsteins“ im Kieler Eichhof-Quartier. Das Standardrepertoire von Max Kühl und Florian Scheske umfasst Helles, Pils, Pale Ale, Lager, Stout, Weizen und alkoholfreies IPA. Dazu kommen Saison- und Spezialbiere. Das Versprechen der zwei Freunde, die sich auf der Kunsthochschule kennengelernt haben: „Wir werden niemals Bier machen, das nach nix schmeckt, sondern versuchen, die nächste Geschmacksexplosion auszulösen.“ Überzeugen kann man sich davon – mit Blick auf die Braukessel – im Lille-Schankraum. Dort fließen aus zwölf Zapfhähnen die eigenen Erzeugnisse, aber auch Biere befreundeter norddeutscher und dänischer Brauereien.
Umgeben von Apfelbäumen, mit Blick auf den Langelandssund, befindet sich seit sieben Jahren eine kleine, feine Destillerie auf einem alten Gutshof im Süden Fünens. Dort, in Oure, gehen seither Gitte und Jens Mosgaard ihrer Leidenschaft für die Herstellung edler Whiskys nach. Mit Erfolg. Dreimal wurde Mosgaard im Rahmen der International Spirits Challenge zur besten Brennerei Dänemarks gekürt. Für 120 Kronen kann man bei einer Verkostung vor Ort einige ihrer preisgekrönten Whiskys probieren. Die nächstgelegenen Häfen sind Lundeborg und Svendborg.
Für Gin-Fans ist das „Dørken“ am Hafen von Anholt eine prima Anlaufadresse. Dort steht Jakob Kjærgaard hinterm Tresen, der tollen Gin produziert. Die Wacholderbeeren, die er in Fjerritslev destillieren lässt, stammen von der Insel. Sie werden im Herbst von Helfern gepflückt. Noch wichtiger sei das lokale Wasser, verrät er, weil das „von besonderer Qualität“ sei. Doch probieren Sie selbst! Der Weg danach in die Koje ist kurz.
Das Störtebeker Bier ist nicht nur vielen Seglern an der Küste ein Begriff. Längst hat es seinen Weg von der ostdeutschen Küste bis in die Supermarktregale im Binnenland gefunden. Anders verhält es sich mit dem Störtebeker Whisky. Der ist nur Kennern ein Begriff. Er wird auch nicht auf dem Festland, sondern auf Rügen produziert. Und zwar weit abseits vom Rummel der Seebäder am äußersten Südzipfel der Insel, dem Mönchgut. Dort, genauer: auf einem schmalen Streifen Land, der die Having von der Hagenschen Wiek trennt, befindet sich in Alt Reddevitz die Brennerei.
Das Klima der Ostsee soll den Geschmack des Klassik Single Malt prägen, der hier an der Küste Rügens erst zwei Jahre lang in französischen Eichenholzfässern reift und dann ein weiteres Jahr lang in einem Coopers-Reserve-Fass ruht, um eine leuchtend goldene Farbe, einen weichen Körper und ein Holzaroma mit Noten von Vanille und Kokos zu erhalten. Außer Whisky wird in Alt Reddevitz übrigens auch anderes Geistreiches wie Gin, Rum, Aquavit sowie Kräuterschnäpse und -liköre unter der Marke „Ebbe&Flut“ hergestellt – und verkauft.
Die Brennerei steht Besuchern offen. Im Rahmen einer Führung kann man dem Brennmeister über die Schulter gucken und auch an einer kleinen Verkostung teilnehmen (Preis: 20 Euro). Ein Termin lässt sich über die Homepage online buchen.
Anlegemöglichkeiten fürs Schiff gibt es mehrere in der näheren Umgebung. Zum Beispiel bei Moritzdorf im Yachthafen Baabe oder gegenüber von Alt Reddevitz in Gager. Von dort sind es jeweils nur ein paar Radkilometer bis zur Brennerei.
Auf der schwedischen Insel Hven haben Whiskey-Enthusiasten vor einigen Jahren eine Destille gründet, die sich mittlerweile einen internationalen Namen gemacht hat. Whiskey, aber mittlerweile auch Gin, Wodka und Aquavit, werden produziert und in Fässern viele Jahre lang veredelt. Zum Teil werden die sogar mit Musik beschallt. Klingt wie ein Gag, aber die Besitzer schwören, die Musik löse unterschiedliche Stoffe aus dem Holz der Fässer. Gute Führungen und Verkostungen!
Markus Berberich sowie Andries und Frans de Groen sind die Männer fürs Besondere. In diesem Fall für besondere Biere. Seit 2015 lassen sie in ihrer Brauerei im Westen Rügens alte Biersorten wieder aufleben und neue, ungewöhnliche Sorten entstehen. Dafür nutzen sie Rohstoffe aus der ganzen Welt. Beim Hopfen beispielsweise setzen sie nicht allein auf deutsche Sorten, sondern beziehen ihn unter anderem aus Japan oder Australien. Beim Brauprozess – auch dies eine Besonderheit – favorisieren sie die Gärung in offenen Bottichen, bevor das Bier in Flaschen abgefüllt wird und darin weiter reift. Nicht minder ungewöhnlich ist das Design der Flaschen. Sie werden in Naturpapier eingewickelt und mit kreativen Insel-Motiven versehen. Fast 30 Biere hat das Brauer-Trio im Angebot. Verkostungen in Rambin (8 Euro je vier Biersorten) sind täglich möglich. Der nächste Hafen ist der von Altefähr.
„Am 5. Januar 2010 schlug ich ein neues Kapitel in meinem Leben auf. Es war kalt, es hatte nachts geschneit, und ich schaltete das erste Mal meine nagelneue, kupferblitzende Brennerei ein. An diesem Tag brannte ich mein erstes Destillat.“ Zwölf Jahre später umfasst das Sortiment von Andreas Barnehl, Chef der Rittmeister Destille am südlichen Rand Rostocks, diverse Spirituosen: Brände und Liköre, Gin und Whisky. Die Brennerei befindet sich im gleichnamigen Landhotel, Verkostung auf Anfrage.
Wer schon einmal auf Samsø war, reibt sich früher oder später in einem der Inselsupermärkte verwundert die Augen: „Chateau Alstrup“ steht da im Regal, meist als Rosé oder Weißwein. Auf der Insel angebaut! Von Jette und Stig Hedeboe 2004 gegründet, produziert man dort auf einem alten Vierseitenhof von 1786 Weine. Unschwer zu übersehen, wenn man mit dem Fahrrad hin radelt, sind die Gebäude doch ringsum eingefasst in Rebstöcke. Angebaut werden eher weniger bekannte Rebsorten wie Rondo, Regent oder Bolero. Der Wein wird ungefiltert in französischen Eichenfässern veredelt. Im Programm sind Weißwein-Cuvées, ein Rosé und ein Cassis.
Die Frage, die sich jedem halbwegs an Wein interessierten Menschen stellt, lautet natürlich: Kann das schmecken, ein Wein, der so weit im Norden angebaut wird? Die Antwort muss letztlich jeder für sich selbst finden. Schließlich schwingt bei einem Inselbesuch stets die Begeisterung über Samsø und dessen originelle Einwohner mit. Bei einer privaten Weinprobe im Cockpit mit Crews von Nachbarbooten fiel das Urteil naturgemäß geteilt aus.