Mit an Bord war Mitte Juli auch YACHT-Fotograf und Autor Christian Irrgang, der die einwöchige Recherche-Reise mit der Bavaria 50 “Andromeda” für die Reporter im Bild dokumentierte. Für ihn ein unerwartetes und spannendes Abenteuer. “Wir waren an den Schauplätzen, soweit sie rekonstruiert werden konnten, in Wiek auf Rügen und Christiansø östlich von Bornholm. Die Reporter sprachen mit Ex-Kampftauchern, Sicherheitsspezialisten, den Hafenmeistern in Deutschland, Dänemark und Polen.” Irrgang war neben dem Skipper der einzige Segler an Bord.
Sie starteten von Hohe Düne und folgten dann dem Verlauf des Törns, den fünf Männer und eine Frau antraten. “Es war total spannend zu hören, was die Journalisten-Teams schon alles recherchiert hatten, wie sie die Erkenntnisse auslegten.”
Denn das war durchaus unterschiedlich. In den Beiträgen, die mittlerweile Online sind, etwa in der ARD-Mediathek und bei Spiegel-Online kommen die beiden Reporter-Teams zu doch unterschiedlichen Bewertungen. Während das Frontal-Team noch mit dänischen Sicherheits-Analysten sprach, und darauf hinweist, dass nur 5 Tage vor dem Tat-Zeitpunkt neben der Segelyacht auch noch zwei russische Spezialschiffe unterwegs waren, von denen eins über ein aussetzbares Mini-U-Boot verfügt, und zeitweise das AIS abschaltete, fehlt dieser Hinweis bei dem Spiegel-Beitrag. Die Hamburger betonen dagegen stärker, dass die Spur in die Ukraine führe.
“Ich habe mich nur gefragt, warum man für so eine doch anspruchsvolle Arbeit mitten auf offener See ausgerechnet eine Segelyacht benutzen würde”, so Irrgang. Es gibt doch auch Motoryachten, die sind auf der Ostsee nichts ungewöhnliches mehr und wären doch viel praktischer.” Spannend war auch, wie ein Ex-Kampftaucher das mögliche Manöver erläuterte. Dafür hätte die Yacht-Crew vermutlich eine Boje gesetzt, das Grundgewicht unten in 80 Meter Tiefe direkt an der Pipeline. Von dort wäre der Taucher mit drei Flaschen Sauerstoff vielleicht getaucht, hätte die Ladung mit Zeitzünder anbringen können. Danach mit Dekompressions-Pausen wieder auftauchen. Etwa ein Job für drei Stunden, so die Schätzung. Später das Ganze an den anderen Anschlagsorten ebenfalls.
Indizien, die für eine Beteiligung der Ukraine sprechen sehen die Reporter in der Warnung des niederländischen Geheimdienstes drei Monate vor dem Anschlag, die einen Anschlag eines Kommandos mit einem Segelboot auf der Ostsee prognostizierten. Außerdem fanden die deutschen Ermittler Spuren desselben Sprengstoffes, der unten am Grund der Pipeline nachgewiesen werden konnte. “Da habe ich mich dann gefragt, ob Profis wirklich so dumm sind, auf dem Salontisch die Sprengsätze zu portionieren, die wissen doch, dass man so etwas später nachweisen kann”, so Fotograf Irrgang.
Letztlich beweisen kann die Reise natürlich nichts, aber besonders der rund 36 Minuten lange Frontal 21 Beitrag ist eine faszinierende Reise, die sich wie ein klassischer, spannender Agentenkrimi anhört, wenn da nicht wirklich die beiden Gasleitungen im Herbst letzten Jahres gesprengt worden wären und mit dem Ukraine-Krieg so einen traurigen Hintergrund hätte.
Nicht beantwortet wurde auch eine andere Frage: Fast alle Charteryachten in der Welt fahren heute mit diskret an Bord versteckten GPS-Sendern, die via Sim-Karten oder gar Satelliten-Zugang regelmäßig die Positionsdaten der Charterschiffe an die Charterfirma senden. In der Branche ist das zumindest im Mittelmeer Standard. So können Diebstähle, aber auch Grundberührungen, durch Beschleunigungssensoren und Nachvollziehbarkeit des exakten Kurses rekonstruiert werden. Gab es das auf der “Andromeda” auch? Sind die Tauchpausen so etwa genau belegt?
Aber so ist das mit den großen Dramen auf See, etwa wie der Untergang der “Estonia”. Dort gibt es bis heute auch diverse Theorien, wie die untergehen konnte, die von Sprengung bis tragischen Unfall reichen. Aber auch das wird wohl ein Geheimnis der See bleiben...