Michael Good
· 23.02.2023
Segler mit eigenem Schiff gewisser Größe können auch im Boat-Office arbeiten. Damit das Büro an Bord richtig und dauerhaft funktioniert, braucht es aber mehr als den Umzug
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Arbeiten von zu Hause aus ist inzwischen völlig normal. Speziell die Corona-Pandemie und zunehmend anpassungsfähige Arbeitszeitmodelle haben die flexiblen Jobformen in den Vordergrund gerückt. Wer für sein Wirken nicht zwingend auf die bestehende Infrastruktur am Arbeitsplatz vor Ort zurückgreifen muss, kann heute seine Aufgaben vielfach auch daheim oder von irgendeinem anderen Ort aus verrichten. Und es hat sich gezeigt: Telearbeit scheint auf breiter Basis nachhaltig zu funktionieren, und zwar besser, als sich mancher Arbeitgeber vorstellen konnte.
Für Bootsbesitzer ist nun die Arbeit an Bord ein verlockendes Modell. Im Boat-Office können Schreibtischarbeiten im Grunde genauso gut erledigt werden wie von zu Hause aus. Dieser Gedanke hat besonders in den letzten Jahren viele berufstätige Segler in großer Euphorie hinaus auf ihre Boote getrieben, das Notebook unter dem Arm, das Mobiltelefon in der Tasche. Doch ganz so einfach ist es in vielen Fällen letztlich dann doch nicht – vor allem, wenn die Arbeit im Büro an Bord in den Dauerzustand übergehen soll. Wer viel und oft auf dem Boot arbeiten möchte, muss das Boat-Office auf seine Bedürfnisse anpassen. Ansonsten drohen schnell Frust und Ungemach – und damit Ineffizienz.
Arbeitsdisziplin und ein klar abgestecktes Dienstzeit-Management gehören zu den wichtigsten Grundvoraussetzungen für eine konstruktive Tätigkeit an Bord. Denn die Gefahr der Ablenkung ist latent vorhanden: Hafen- und Windgeräusche, laute Nachbarn, abenteuerliche Hafenmanöver, spielende Kinder auf dem Steg oder Spontanbesuche für einen Schnack an Bord können die Konzentration und den Arbeitsfluss jäh unterbrechen. Sich gänzlich von der Umgebung abzuschotten wird auf einem Boot generell schwierig bis unmöglich sein, zumindest im Hafen.
Auch die Präsenz von einer oder sogar mehreren Personen zusätzlich an Bord kann den Arbeitswilligen ablenken – in der Enge eines Bootes mehr noch als daheim mit großzügigeren Platzverhältnissen. Schon zu Hause sind die Themen Telearbeit und Familie gemeinhin nur bedingt kombinierbar. Schwierig wird dies speziell auf kleinen Schiffen. Wer es im Boat-Office nicht schafft, sich auf sein Tun zu konzentrieren, wird früher oder später scheitern.
Genauso wichtig für ein entspanntes, effizientes Arbeiten an Bord ist die ergonomisch richtige Sitzposition am Arbeitsplatz. Auf einem Schiff ist dem freilich nur schwer beizukommen. YACHT-Autor Marc Bielefeld spricht aus Erfahrung. Er arbeitet seit Jahren vom Schiff aus, teilweise über mehrere Monate, und hat an Bord alle möglichen Sitzpositionen ausprobiert. „Auf den weichen Polstern im Salon kann ich nicht stundenlang sitzen. Während des Tages verziehe ich mich deshalb zum Schreiben mal hierhin, mal dorthin.“ Je größer das Schiff, desto mehr Möglichkeiten sind geboten. Wer ausschließlich mit dem Notebook arbeitet, kann sich zwischendurch auch mal nach draußen ins Cockpit setzen. Das Problem: Scheint die Sonne, ist auf dem Bildschirm vom Laptop oft nicht mehr viel zu sehen.
Die Luxusvarianten für ein Büro an Bord kommen direkt ab Werft. Hersteller von gehobenen Yachten wie zum Beispiel Hallberg-Rassy in Schweden oder Contest Yachts in den Niederlanden bieten fertige Büroeinrichtungen für ihre größeren Schiffe bereits als Ausbauoption an, oder sie können besonderen Wünschen mit individuellen Anpassungen nachkommen. Die Sirius-Werft in Deutschland hat für Eigner bereits verschiedentlich komplette Bürolösungen realisiert, auch auf kleineren Modellen. Die Nachfrage ist weiterhin stark steigend, speziell in diesen Zeiten. Werftchef Torsten Schmidt: „Das Thema ist mit Corona superaktuell geworden, wir bekommen laufend Anfragen für Boote mit Büroeinrichtung, insbesondere von Seglern mit Blauwasserabsichten.“
Ein nicht zu unterschätzendes Problem bei der Arbeit an Bord ist das stetige Schwanken des Bootes in der Ankerbucht oder im Hafen. Wer dazu neigt, bei kleinen Schaukelbewegungen unter Deck ein Unwohlsein zu entwickeln, wird im Boat-Office möglicherweise nie wirklich glücklich werden. Gerade wenn intensiv am Bildschirm gearbeitet wird, fehlt mit der Zeit die optische Referenz zum natürlichen Horizont. Gleichgewichtsstörungen können die Folge sein, und im schlimmsten Fall droht sogar die Seekrankheit. Die Geschäftsleute Maren und Matthias Wagner, die seit Jahren vom Boot aus arbeiten, sind unter anderem aus genau diesem Grund vom Einrumpfboot auf einen stabiler im Wasser liegenden Katamaran gewechselt. Wer also mit dem Gedanken spielt, ein Büro an Bord einzurichten, sollte zunächst einmal ausprobieren, ob die tägliche mehrstündige Arbeit auf dem Wasser für ihn gut verträglich ist.
Elektronische Arbeitsgeräte wie Computer, zusätzliche Bildschirme oder Drucker benötigen Elektrizität, und dies üblicherweise nicht zu knapp. Was zu Hause im eigenen Büro kein Problem ist, kann auf dem Boot zu Einschränkungen führen und erfordert dann Umbaumaßnahmen. Hier wird der Strom schließlich von Batterien geliefert und ist somit limitiert, zumindest so lange, wie man nicht im Hafen liegt und dort konstant mit Landstrom versorgt wird. Außerdem ist die übliche Bordspannung mit 12 oder 24 Volt zu schwach, um den elektrischen Teil der Büroinfrastruktur zu betreiben.
Die kurzfristige Lösung für das Problem ist die Installation eines Wechselrichters oder Inverters. Solche Geräte transformieren die Gleichspannung aus den Batterien in Wechselspannung mit 230 Volt. Das reicht zeitweilig, um zum Beispiel den Laptop wieder aufladen zu können oder um einen externen Monitor zu betreiben. Natürlich bleiben die Stromreserven aus den Batterien trotzdem begrenzt. Wer längere Zeit unabhängig vom Landstrom sein muss, wird deshalb um den Einbau eines Stromgenerators kaum herumkommen. Zusätzliche Energielieferanten für längere Autonomien an Bord können zudem Solarmodule oder Windgeneratoren sein.
Aber nicht nur für die elektrischen Arbeitsgeräte ist die Stromversorgung an Bord ein wichtiges Thema, sondern auch, um im Büro auf dem Boot ein angenehmes Raumklima zu schaffen. In südlichen Gefilden können fest installierte oder mobile Klimaanlagen wertvolle Dienste leisten; Geräte in verschiedenen Leistungsstufen und Preissegmenten sind dafür erhältlich. Elektrische Heizlüfter sorgen dagegen unter Deck für Wärme in der kalten Jahreszeit. Mobile Gasheizer oder aber fest im Boot installierte Warmluftheizungen mit Dieselbrenner bieten sich als zuverlässige und stromlose Alternativen an.
Ein fast unvermeidliches Problem für die Arbeit an Bord bleibt die Feuchtigkeit im Schiff. Im Sommer, wenn die Interieurs viel und intensiv gelüftet werden können, sind die Schwierigkeiten deutlich geringer als im Winter, wenn zu der ohnehin dunstigen Salzwasserluft die Kondensationsfeuchte kommt. Für den Menschen ist dieses humide Klima unangenehm und möglicherweise auch nicht gesund; für den Klapprechner dagegen und für weitere elektronische Arbeitsgeräte an Bord ist die hohe Luftfeuchtigkeit aber schlichtweg destruktiv. Korrosion und Oxidation an Gerätekomponenten können schnell zu Kontaktproblemen und Fehlfunktionen führen.
Gegen hohe Luftfeuchtigkeit an Bord hilft lediglich regelmäßiges Lüften oder zusätzlich elektrische Luftentfeuchter, die sich aber nur für den Einsatz bei anhaltender Landstromversorgung anbieten. Diese Geräte konsumieren in der Regel relativ viel Strom, allerdings mit erheblichen Unterschieden je nach Ausführung und Qualität.
Wer für die Arbeit an Bord technisch auf Nummer sicher gehen will, wird sich für ein sogenanntes Toughbook entscheiden. Diese sehr robusten, teilweise sogar komplett wasserdichten Geräte eignen sich speziell für Outdoor-Anwendungen, unter anderem auch für den Onboard-Einsatz. Toughbooks sind allerdings meist recht schwer und im Vergleich zu herkömmlichen Laptops teuer.
Der Wechsel vom Büro an Land ins Boat-Office ist für Wassersportler attraktiv, weil sich die Themen Beruf und Freizeit zumindest räumlich koppeln lassen. Die einen werden den Schritt problemlos schaffen und sich schnell in die neue Arbeitsumgebung auf dem Boot einarbeiten. Andere wiederum werden das Vorhaben bald wieder verwerfen, weil letztlich die Begleitumstände nicht sehr vorteilhaft sind. Ob das Modell Boat-Office funktionieren und eine Alternative bei der Telearbeit sein kann, muss jeder individuell für sich klären.
In jedem Fall hilft: einfach mal ausprobieren.
Wer oft im Boat-Office arbeitet, sollte sich seinen Platz dafür ergonomisch einrichten. Darauf ist zu achten
Meist sind auf einem Segelboot weder die Sofas im Salon noch der Hocker in der Navigation für ein dauerhaftes Sitzen ausgelegt. In vielen Fällen genügen bereits wenige Maßnahmen, um lästigen Beschwerden wie Verspannungen, Rücken- oder Kopfschmerzen vorzubeugen. Mit ergonomisch geformten Sitzkissen, Fußstützen oder höhenverstellbaren Unterlagen für die Tastatur kann die richtige Haltung am Arbeitsplatz mit wenig Aufwand eingestellt und verbessert werden. Wichtig dabei: Die Oberschenkel sollten auf der Sitzfläche aufliegen, und der Abstand zwischen Kniekehle und Polsterauflage muss wenigstens zwei Finger breit sein. Vorzugsweise ist der Arbeitsplatz mit einer Rückenlehne ausgestattet, die eine aufrechte Haltung vorgibt. Die Winkel zwischen Unter- und Oberschenkel und Rumpf betragen bei guter Haltung mindestens 90 Grad. Wenig Beinfreiheit am Arbeitsplatz kann auf Dauer zu Beschwerden führen. Was hilft, ist Bewegung und regelmäßiges Aufstehen.
Eine schnelle Verbindung ins Internet ist eine der Grundvoraussetzungen für die Büroarbeit an Bord. Es gibt viele Wege ins Web
Was gibt es Lästigeres als eine stotternde, langsame Internetverbindung am Arbeitsplatz – speziell wenn große Datenmengen abgerufen, heruntergeladen oder verschickt werden sollen? Wer aus dem Boat-Office arbeitet, befindet sich meist im Hafen, wo W-Lan vielleicht kostenlos zur Verfügung steht – theoretisch jedenfalls. Praktisch allerdings ist das Hafennetz am Liegeplatz vielfach schlecht und unter Deck oft gar nicht zu empfangen.
Abhilfe für Sende- und Empfangsprobleme im Hafen können externe W-Lan-Antennen für den Bordeinsatz schaffen, die von Bootsausrüstern bereits ab 90 Euro angeboten werden. Diese Rundstrahlantennen für den mobilen Einsatz eignen sich aber bestenfalls, um den Empfang an Bord zu optimieren. Deutlich mehr Leistung bieten dagegen wasserdichte Wi-Fi-Antennen, die am Masttopp montiert und per Ethernet-Kabel mit einem Router unter Deck verbunden werden. So lässt sich an Bord ein drahtloses und zuverlässiges Netzwerk als Hotspot herstellen, in das sich auch zusätzliche Geräte wie Smartphones, Tablets oder Kartenplotter einloggen können. Trotzdem kann die Verbindung auch dann noch langsam sein, zum Beispiel, wenn das Hafennetz durch viele Nutzer überlastet ist. In diesem Fall helfen dann nur noch Mobilfunk-Router, welche die Internetverbindung über UMTS- und LTE-Netze herstellen, das erfordert allerdings eine SIM-Karte mit Vertrag.