Alexander Worms
· 13.01.2022
Eine Firma von Bord aus führen? Das geht! Da ist sich Diana Hubert sicher. Sie ließ einen Lagoon 50 völlig umbauen. Das Interview erklärt das Projekt, das eine Blaupause für Nachahmer sein kann
Corona hat in der Arbeitswelt Freiräume geschaffen. Fast über Nacht mussten viele Unternehmen auf die Arbeit aus dem Home-Office umschalten. Nicht immer freiwillig, manchmal getrieben von Sorge um die Gesundheit der Mitarbeiter, manchmal durch Vorgaben seitens der Behörden
Viele Unternehmer erlebten dann, dass die Arbeit aus dem Home-Office nicht zu schlechteren Ergebnissen führte als die Präsenz vor Ort. Oftmals verbesserte sich sogar die Mitarbeitermotivation und damit auch die Produktivität. Ein Modell, an dem einige Unternehmen auch nach Ende der Regelungen weiter festgehalten haben, mitunter vermischt mit Präsenztagen im Büro und dem Gros der Arbeit von daheim. Denn auch die Mitarbeiter fanden Gefallen daran, nicht mehrere Stunden in der Woche im Stau zu stehen, sondern diese Zeit mit der Familie zu verbringen. Und gut fürs Klima war das allemal.
Eigner haben sich alsbald gefragt, warum nicht von Bord aus arbeiten? Das Wi-Fi im Hafen ist gut, notfalls tut es auch der persönliche LTE-Vertrag auf dem Handy. Dafür aber ist man nach Feierabend direkt im Hafen, an Bord, kann noch ein paar Stunden segeln gehen oder einfach die Atmosphäre genießen. Nicht wenige berichten, dass sie an Bord produktiver arbeiten – weniger Ablenkung und ein größerer Anreiz, die Aufgaben fix zu erledigen, weil es danach noch aufs Wasser geht. Kurzum: Aus Home-Office wurde für viele Boat-Office. Natürlich gilt es da arbeitsrechtlich das ein oder andere zu beachten, doch auch das lässt sich regeln. Dann stand der Arbeit an Bord nichts im Wege.
Diese Idee hatte auch Diana Hubert. Sie ist Gründerin und Inhaberin einer Maschinenbaufirma. Allerdings war es bei ihr weniger die Sehnsucht nach dem Leben an Bord, die sie zum Schritt ins Boat-Office bewegte, sondern vielmehr die Gesundheit: Sie kann nicht mehr fliegen, da sie keine Maske tragen darf. Trotzdem muss sie Kunden und Geschäftspartner in aller Welt besuchen. Da erschien es logisch für sie, aus ihrer Erfahrung mit Charterkats und der Notwendigkeit des weltweiten Reisens eine Tugend zu machen und einen Katamaran zu kaufen, mit dem sie ebendas tun kann.
Die Zeit drängte, denn ein solches Unternehmen lebt von der Beziehung zu Kunden und Partnern. Daher erstand Hubert einen jungen gebrauchten Kat. Der war, anders als werftneue Schiffe, schnell verfügbar und nach Wilhelmshaven gebracht. Die dort ansässige Jade-Werft verwandelte den Charterkat in ein Vehikel, das gleichsam Segelboot, Familienzuhause, Solarkraftwerk, Kommunikationsmittel, Firmenzentrale und Schulungszentrum zu sein hatte. Obendrein sollte das Ganze möglichst nachhaltig angelegt sein. Eine ziemliche Aufgabe also, der sich Jade Yachting da gegenübersah.
Zuerst flog der Generator von Bord. An seiner Stelle wurden insgesamt zehn Lithium- Akkus von Mastervolt platziert. Jeder hat eine Kapazität von 5.500 Wattstunden. Das entspricht einer 12-Volt-Batteriekapazität von sagenhaften 4.600 Amperestunden. Befüllt werden die Speicher vornehmlich aus der Sonne. Damit ausreichend Oberfläche für die maßangefertigten Solarpaneele von Hersteller Solbian zur Verfügung steht, wurde über der Flybridge ein festes Bimini und über dem Dingi achtern eine weitere Überdachung angebracht. So entstand genügend Fläche für eine Solaranlage mit 11 Kilowattpeak Leistung. In unseren Breiten, so eine Faustformel, erzeugt diese rund 33 Kilowattstunden Strom am Tag – oder 2.750 Amperestunden bei 12 Volt. Die Anlage wird das wegen der allgegenwärtigen Abschattung durchs Rigg vermutlich nicht ganz schaffen. Eine Menge Strom ist es aber trotzdem, die da produziert werden kann.
Um die ganze Elektrik in die richtigen Bahnen zu lenken, wurde eine der fünf Kabinen geopfert. Sie ist ein Technikraum geworden. Solarregler, Umformer, Ladegeräte für den Landanschluss und B2B-Lader sind dort untergebracht. Wenn alle Geräte arbeiten, dürfte es in der Kammer ganz schön warm werden. Zunächst plante man das ganze Bordnetz entweder in 12 oder in 230 Volt. Dann jedoch wurde den Beteiligten bewusst, dass die auftretenden Ströme derart hoch sind, dass 12 Volt keine Option ist; die Kabel wären zu dick geworden. Also entschloss man sich, das Herzstück der Anlage, also die Akkus, auf 24 Volt in Reihe zu schalten. So konnten die Kabel deutlich dünner ausfallen. Dennoch: Die Verteilerschienen aus Kupfer im Technikraum sind immer noch beeindruckend.
Das müssen sie auch sein, denn Verbraucher wie Induktionsherd, mehrere Kühlschränke, eine Kaffeemaschine, Wassermacher, Ankerwinsch, E-Winschen und der Lift für das Dingi verlangen hohe Ströme vom System. Das tut auch die IT. Denn diverse Laptops, der Bordrechner sowie der große Bildschirm wollen ebenfalls mit 230 Volt versorgt sein. Ob das Setup in der Praxis allen Anforderungen gerecht werden wird, muss sich noch zeigen. Die reinen Zahlen aber klingen zuerst einmal überzeugend.
Bei der Kommunikation vertraut man auf einen Router von Locomarine, der landseitiges Wi-Fi, Mobilfunk-Abdeckung und Satellitenverbindung so managt, dass immer die günstigste Variante ausgewählt wird. Letztere kommt dabei aus einer Tracphone-V30-Sat-Anlage, die für Download-Geschwindigkeiten bis zu 6 MBit/s sorgt, egal wo man sich in der nahezu weltweiten Abdeckung befindet. Zum Upload müssen 2 MBit/s ausreichen. Die Satellitenoption ist die mit Abstand teuerste, sie garantiert jedoch zuverlässig die enorm wichtige Verbindung in die Heimat.
Weitere Maßnahmen: Zunächst wurde der Lagoon an Land gesetzt und das Unterwasserschiff mit Coppercoat beschichtet. Alle 47 Seeventile wurden durch Kunststoff-Modelle von TruDesign ersetzt, als Segel kamen neue 3Di-Tücher von North an Bord, im Salon wurden weitere Schränke eingebaut, und das Sideboard wurde zu einem Schrank bis unter die Decke erhöht, in dem ein großer Bildschirm installiert ist. Dabei wurden alle Küchengeräte gegen energieeffizientere Bauteile von Miele ersetzt. Die Elektrik wurde in einen CZone-Bus integriert und das Steuerpult auf der Flybridge erweitert. Ein umfangreiches Projekt also. Da liegt es nahe, Eignerin und Werft einmal nach den Hintergründen zu fragen.
Diana Hubert: Das ist ein Lagoon 50, Baujahr 2018. Er wurde komplett umgebaut, elektronisch, elektrisch und von der Kommunikation her, damit wir unsere Händler weltweit damit besuchen können. Und das möglichst klimaneutral.
Optacom ist ein Maschinenbauunternehmen, das Messanlagen fertigt. Unsere Kunden und Händler sind über die ganze Welt verstreut. Und die müssen wir mit dem Schiff aufsuchen.
Ich kann aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen, daher ist Fliegen für mich tabu. Und so mussten wir uns wegen Corona etwas einfallen lassen. Jetzt werden wir diese Reisen eben mit dem neuen umgebauten Boot absolvieren.
Wir produzieren taktile Messgeräte: Kontur, Rundheit, Rauheit, Oberfläche. Uns gibt es seit 1990 am Standort Obereuerheim. Wir haben dort ein Team von 17 Mitarbeitern.
Ja, das läuft dann so, als ob ich im Büro wäre. Das ging ja auch im Lockdown. Da war ich ja auch viel im Home-Office. Und weil ich eben so ein starkes Team habe, wird das ganz normal weiterlaufen. Da bin ich mir ganz sicher, dazu kenne ich meine Leute gut genug.
Nein! Warum sollten sie? Wir sind ein Familienunternehmen, da arbeitet man selbstverständlich zusammen.
Natürlich. Unser Anwalt ist zeichnungsberechtigt. Ich kann ja nicht für eine Unterschrift mal eben nach Hause segeln. Das ist geregelt, das kann der machen.
Das muss per Videochat gehen. Ich werde immer erreichbar sein an Bord, dafür haben wir gesorgt. Aber ich bin eben nicht physisch vor Ort anwesend. Das kennen meine Mitarbeiter schon aus der Home-Office-Zeit oder wenn ich auf Reisen war. Da ändert sich, denke ich, nicht viel.
Auch das wird gehen müssen. Alles lässt sich regeln. Es geht nicht anders, ich bin nicht mehr vor Ort. Aber: Meine Leute stehen hinter mir und ich hinter ihnen. So werden wir das hinbekommen.
Die Firmenzentrale bleibt ja, wo sie schon immer war, in Franken, deswegen ändert sich diesbezüglich nichts. Dort sind und bleiben meine 17 Mitarbeiter. Vor Corona war ich auch schon die meiste Zeit unterwegs bei Kunden und Händlern weltweit. Und zwischendurch war ich kurz in der Firma. Das ist jetzt zwar anders, die Leute sind aber daran gewöhnt, dass sie selbst entscheiden müssen, wenn ich unterwegs bin. Erreichbar bin ich jetzt sogar besser. Im Flieger kann man ja meist nicht telefonieren, an Bord schon.
Da haben wir viel Unterstützung von Nordwestfunk erhalten. Die erforderliche Hardware ist installiert, aber welche Tarife wir benötigen, das müssen wir erst mal ausprobieren und dann schauen, was genau wir wo auf der Welt nutzen. Da tasten wir uns ran, aber ich werde immer erreichbar sein, egal wo. Denn das ist die allererste Voraussetzung dafür, dass wir von unterwegs das Unternehmen führen können.
Ja. Und das ist auch enorm wichtig, denn ich werde jede Überweisung und alles noch selbst von Bord aus durchführen. Da ist eine gute Verbindung ins Internet einfach absolut notwendig. Auch und gerade mitten auf dem Atlantik zum Beispiel.
Genau. Ich kann nicht fliegen, da ist das Reisen per Segelboot aus meiner Sicht die naheliegendste Alternative.
Ich mag Einrumpfer nicht, da finde ich den Kat einfach besser. Das liegt mir eher, auch von den Segeleigenschaften her; ich mag keine Krängung. Und natürlich der Platz an Bord. Wir leben und arbeiten hier, da kommt es auf den Raum an. Wenn wir an Bord Schulungen durchführen oder Kunden empfangen, dann benötigt man einfach ein wenig mehr Platz. Darum ist ja auch alles umgebaut worden. Der Salon mit dem großen Bildschirm gleich vor der Sitzgruppe, da werden wir die Meetings abhalten. Das ist eine der Modifikationen …
… ja (lacht)! Wir sind Franken, die sind sehr gastfreundlich. Da gehört guter Kaffee einfach dazu. Das liegt mir am Herzen. Die Leute sollen sich hier wohlfühlen.
Na ja, ich habe einen Segelschein, mein Mann auch. Wir haben zuvor viel gechartert. Aber das reicht sicher nicht für solch ein Projekt, stimmt. Darum werden wir zunächst einen Skipper mitnehmen, mit dem zusammen wir das Schiff in Ruhe kennenlernen können, bis wir es in- und auswendig beherrschen. Erst wenn wir das Gefühl haben, alles im Griff zu haben, fahren wir allein weiter.
Die fährt natürlich mit, also mein Mann und meine Tochter sind auf den Reisen mit dabei. Ich wäre ja sonst Monate oder Jahre ohne sie unterwegs. Das möchte ich nicht, schließlich habe ich auch noch ein Privatleben, auch als Firmenchefin.
Allerdings! Da waren Möbelbauer, Folierer, Jade Yachting selbst, Nordwestfunk, Miele, Rockn-Roll-Shipping für die Elektrik und Elektronik und die Polsterer. Und die waren auch teilweise zugleich an Bord. Das lief super. Die haben alle zusammengearbeitet. Das sind viele Fachleute, die haben sich untereinander abgestimmt. Ich bin gut in Messtechnik, das kann ich. Aber so ein Boot mit all den verschiedenen Systemen, die auch noch miteinander interagieren müssen, da habe ich noch wenig Ahnung von. Darum war es gut, dass die richtigen Leute beteiligt waren, die das Projekt bis hierhin gebracht haben. Und Jade hat das Ganze geleitet und den Überblick behalten. Wir wurden täglich in Baubesprechungen in den Fortgang involviert. So konnten wir schnell Entscheidungen über das ein oder andere treffen.
Ja, aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, warum das anders sein sollte. Wir haben gut mit den Leuten zusammengearbeitet, das ist sehr familiär hier. Das passt gut zu meiner Firma und der Art, wie ich Geschäfte mache.
Tobias Schadewaldt: Auf jeden Fall war es auch für uns ein ungewöhnliches Projekt. Es hat uns sehr viel Freude gemacht, mit dem Boot, den Kunden und Partnern zu arbeiten und nach Lösungen zu suchen. Da haben wir für uns als Werft auch Neuland betreten, aber ich denke, man kann jetzt schon sagen, dass das Projekt ein Erfolg ist. Also: gern wieder!
Schadewaldt: Einiges. Denn man muss einerseits mit dem Boot arbeiten, das man hat, kann aber andererseits dem Kunden viel Freiräume geben, wenn man manches neu denkt. Zum Beispiel wie hier, eine ganze Kabine in einen Technikraum zu verwandeln. Das ist schon besonders. Es muss also kein Nachteil sein, ein bestehendes, bewährtes Schiff als Basis für solch ein Projekt zu nutzen. Die gesamte Technik an Bord lässt sich warten und nötigenfalls reparieren oder gar erneuern, wenn sie allzu sehr unter dem harten Charterbetrieb gelitten hat. Das haben wir hier ja auch gemacht, wo es notwendig war.
Das Boot strotzt vor Technik. Die wirkt vornehmlich zentral in einer ehemaligen Kabine.
Die diversen Regler für die Solarzellen stammen von Victron, der Rest des Systems von Mastervolt. Die Kombination funktioniert gut. Die Sammelschiene für Masse und Pluskabel ist aus massivem Kupfer ausgeführt, die dort fließenden Ströme können enorm sein. Das erzeugt Wärme. Natürlich sind die Stromkreise sorgfältig abgesichert. Das Digital Switching von CZone geschieht per Monitor oder Knopf. Der Monitor gibt zudem Auskunft über die Befindlichkeit des Systems, etwa welche Lade- oder Entladeströme fließen. Vorteil der CZone-Anlage: Fällt die Elektronik aus, kann an der Switchbox durch Versetzen einer Sicherung manuell geschaltet werden. Die Akkus befinden sich dort, wo zuvor der Generator war. Sie sind nur durch eine Klappe mit Gummidichtung vor überkommendem Wasser geschützt. Die Akkus des 12-Volt-Systems stehen daher woanders.
Herzstück der Anlage sind die Lithium-Akkus. Von dieser Basis aus werden die vielen Verbraucher versorgt. Um das tun zu können, muss zunächst Energie in die Akkus gelangen. Laufen die Motoren, erledigen das die Hochleistungs-Lichtmaschinen von Mastervolt, am Landstrom logischerweise die Ladegeräte. Um den Solarstrom in die Akkus zu bekommen, sind ebenfalls Regler erforderlich. Um bei Teilabschattung der Zellen unerwünschten Effekten vorzubeugen, sind diese in viele einzelne Zellcluster unterteilt. So können die nicht abgeschatteten Zellen volle Ausbeute liefern, ohne von den im Schatten liegenden daran gehindert zu werden. Wichtige Verbraucher wie Navigationselektronik und Positionslichter sind in einem 12-Volt-System verbaut. Dieses hat zwei eigene Akkus, die über B2B-Ladegeräte aus dem 24-Volt-Sytem geladen werden, Strom kann aber nicht aus den beiden 12-Volt-Akkus dorthin zurückfließen. So haben die vitalen Bordsysteme immer genug Strom.