20. Oktober 2023: Ein Tag, an dem die Ostsee zeigte, wozu sie fähig ist. Elf Windstärken aus östlicher Richtung und eine Sturmflut, die Rekordhöhen erreichte. In Flensburg stieg der Wasserstand auf über 2,27 Meter über Normalnull – ein neuer Höchstwert. Die Folgen: Deiche brachen, weite Gebiete wurden überschwemmt; Steinmolen und Hafenanlagen erlitten schwere Schäden. Die Verwüstungen waren enorm.
Vor allem Hafenbetreiber und Bootsbesitzer waren betroffen. An mehreren Orten in Schleswig-Holstein wurden Sportboote an Land gespült oder sanken. Im Olympiahafen Kiel-Schilksee gingen laut Angaben der Sporthafen Kiel GmbH 48 Schiffe unter. Im Hafen von Schleswig waren es 24. Auch in Grömitz und Damp sanken mehrere Schiffe.
Das Ereignis hat offenbar noch immer Auswirkungen. Viele Segler sind weiterhin sehr verunsichert. Früher als in den vergangenen Jahren holten sie ihre Boote aus dem Wasser. Je näher das entscheidende Datum kam, desto schneller leerten sich laut Hafen- und Werftbetreibern die Liegeplätze in den Häfen entlang der schleswig-holsteinischen Ostseeküste.
Philipp Mühlenhardt, Geschäftsführer der Sporthafen Kiel GmbH, sagt: „Es scheint allen noch in den Knochen zu stecken. Die Bootseigner waren alle ganz hektisch vor dem Datum.“ Deshalb hätten die Hafenmeister alle Hände voll zu tun gehabt.
In den Häfen steht noch viel Arbeit an. Vor Schilksee sollen in den kommenden Wochen die Überreste der beschädigten Steinmole repariert werden. Mit diesen Arbeiten hatte man bereits im Juli begonnen und 3,5 Tonnen Steine verbaut. Doch das war nicht ausreichend, sagt Mühlenhardt. Das werde nun nachgeholt. Ansonsten waren die Steganlagen sowie die Elektrik zu Beginn der Saison wieder vollständig instand gesetzt. "Der Scherbenhaufen ist so gut es geht beseitigt", so Mühlenhardt.
Die Sturmflut hat vor allem private Betreiber in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Mühlenhardt schätzt den Schaden in den neun Häfen der Sporthafen Kiel GmbH auf insgesamt rund 2,5 Millionen Euro. „Wir müssen nun sehen, wie wir das Ganze im Rahmen unserer Möglichkeiten ausgleichen können.“
Ein Teil der Unterstützung kommt vom Land Schleswig-Holstein. Kaum war der Sturm vorüber und die erheblichen Schäden sichtbar, versprach das Land den Betroffenen umfangreiche Hilfen. Dafür wurde ein Sondervermögen eingerichtet, das dort eingesetzt wird, wo Schäden nicht durch Versicherungen abgedeckt sind. Vorrangig sollen damit Reparaturen in kommunalen Häfen und Anlegern gefördert werden. Zudem wird der Wiederaufbau von Deichen unterstützt.
Laut schleswig-holsteinischem Umweltministerium sind die Küstenschutzanlagen mittlerweile wieder in einem wehrhaften Zustand. Zwanzig Regionaldeiche, die durch die kommunalen Wasser- und Bodenverbände und nicht vom Land verantwortet werden, wiesen nach der Sturmflut mittlere bis starke Schäden auf.
Sechzehn sind mittlerweile vollständig wiederhergestellt. Die restlichen vier sollen im kommenden Jahr folgen. „Die Wiederherstellungen der geschädigten Deiche führen, nach dem heutigen Stand der Technik, sogar zu einer höheren Sicherheit als vor der Oktobersturmflut“, sagt Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) in einer Mitteilung.
Für Privatpersonen und Unternehmen, wie privat betriebene Häfen, gibt es das Programm „Überbrückungshilfe Sturmflut“. Betroffene können ein zinsgünstiges Darlehen erhalten, um den Wiederaufbau beschädigter Gebäude oder Betriebsstätten zu erleichtern (die Details: hier).
Mehr vom Versicherungsexperten:
Im YACHT-Podcast spricht Dirk Hilcken von Pantaenius über die Auswirkungen der Sturmflut und warum Versicherungen für Segelyachten seitdem noch stärker nachgefragt werden:
Auch die Sporthafen Kiel GmbH hofft weiterhin auf Unterstützung vom Land. Bisher sei jedoch noch nichts eingegangen, so Mühlenhardt. "Wir verlassen uns darauf, dass es kommen wird." Doch er ist zuversichtlich: Die Ministerien seien darum bemüht, sagt er. Mit dem Geld vom Land sollen dann auch die regulären Instandsetzungsmaßnahmen ermöglicht werden.
Allerdings steht schon jetzt fest, dass die Gebühren für Liegeplatzinhaber steigen werden, so Mühlenhardt. Wie hoch diese Erhöhung ausfallen wird, könne er momentan noch nicht sagen. Er glaubt jedoch nicht, dass dies bei den Liegeplatzinhabern auf Unmut stoßen wird. Viele zeigten Verständnis und seien vor allem dankbar dafür, dass zum Saisonbeginn alles wiederhergestellt worden sei, so Mühlenhardt.
In den Werft-Betrieben ist die Stimmung derweil gut, die Auftragsbücher sind ordentlich gefüllt. Ralf Petersen, Geschäftsführer der Bootsbauinnung Schleswig-Holstein, sagt, die meisten Werften hätten eine ohnehin gute Auftragslage durch das normale Geschäft - also durch Reparaturen, Aus- und Umbauten, Wintereinlagerungen und den Hafenbetrieb. „Und dann kam mit der Sturmflut eine Schadenswelle auf die Werften zu.“
Bis heute seien die Schäden noch nicht vollständig behoben. Konkrete Zahlen habe er nicht, aber er schätzt, dass etwa 20 Prozent der Sturmschäden noch bearbeitet werden. Zudem sei die Verteilung der Schadensfälle sehr unterschiedlich. In einigen Häfen, wie zum Beispiel in der Ancora Marina in Neustadt in Holstein, habe es keinen einzigen gegeben. In Damp oder Grömitz gebe es dafür umso mehr.
Auch in der privat geführten Marina von Großenbrode war die Zerstörung enorm. Nachdem der Sturm mit voller Wucht den Hafen getroffen hatte, blieb ein Trümmerfeld zurück. Doch anstatt in Sorge zu verharren, begegnete man im Yachtclub Großenbrode dem Desaster von Anfang an mit einem Plan und tatkräftigem Einsatz. Viele Mitglieder kamen zusammen, sammelten Unrat und halfen bei der Bergung havarierter Boote. Der Wiederaufbau in Eigenregie hat die Mitglieder enger zusammengeschweißt.
Doch auch hier hat die Sturmflut etwas verändert: Der Vorsitzende des Yacht-Clubs Großenbrode, Lars Kremp, sagt im YACHT-Interview, dass der Blick in die Zukunft ein anderer geworden ist. Man rechnet nun damit, dass solche Wetterphänomene häufiger auftreten werden. Deshalb plane man im Sommer bessere Vorbereitungen, so Kremp – durch stabilere und höhere Stege sowie organisatorische Maßnahmen.
Damit rechnet auch die schleswig-holsteinische Landesregierung und verstärkt weiter den Küstenschutz. “Extremereignisse werden im Zuge des Klimawandels und des damit verbundenen steigenden Meeresspiegels in Zukunft häufiger auftreten”, sagt Umweltminister Goldschmidt. Darauf müsse man sich frühzeitig einstellen.
In Kiel sieht man es ähnlich. Dort ist geplant, feste Stege zeitnah durch Schwimmstege zu ersetzen. Zudem sollen die Wellenbrecher erhöht werden, erklärt Philipp Mühlenhardt, Geschäftsführer von Sporthafen Kiel. Dies sei jedoch nicht sofort umsetzbar. Aufgrund der finanziellen Größenordnung eines solchen Projekts müsse langfristig geplant werden. Mühlenhardt: “Diese Maßnahmen müssen jetzt angestoßen werden.”