Die Fläche ist überschaubar: Aarhus Bugt nimmt zwar nur einen Zipfel der Ostsee ein, eine Ecke des Kattegats, hat dafür aber erstaunlich viel zu bieten: zum Beispiel einen Nationalpark (Mols Bjerge), eines der besten Museen Europas (Moesgaard Museum) und natürlich die entspannte Universitätsstadt, die ihr den Namen gab – Aarhus. Dazu kommen jede Menge geschützte Liegemöglichkeiten, um am Steg oder vor Anker die Seele baumeln zu lassen. Und weitere außergewöhnliche Ausflugsziele, wie die Meeresschwimmbahn am Neubauviertel Aarhus Ø, das Latinerkvarteret mit seiner Kneipenszene, das Kunstmuseum ARoS und – als nautisches Highlight – die 1860 vom Stapel gelaufene, perfekt erhaltene Fregatte „Jylland“ in Ebeltoft.
Bis zur Einweihung des Nord-Ostsee-Kanals 1895 – damals noch unter dem Namen Kaiser Wilhelms – war der Öresund der wichtigste schiffbare Tiefwasserweg zwischen den beiden Meeren. Eine Tatsache, die sich für das Königreich Dänemark lange in barer Münze auszahlte: Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts mussten alle passierenden Schiffe einen Zoll entrichten. Dabei ist der über 50 Seemeilen lange Öresund (dänisch: Øresund) wesentlich mehr als eine Schiffsautobahn, die auf den ersten Blick dazu einlädt, schnell passiert zu werden. Denn wer das tut, verpasst etwas auf der Ostsee.
Auf dänischer Seite, an der Ostküste der Insel Seeland, reiht sich nördlich der Millionenmetropole Kopenhagen ein kleines Seebad an das nächste. Strahlend weiße Jugendstilvillen, stolze Kapitänshäuser, reetgedeckte Fischerkaten, Rosenstöcke und Kiefern prägen das Bild. Und immer wieder Strände. Die Distanzen sind kurz, und nahezu jeder Ort verfügt über einen Hafen, von Hornbæk bis nach Humlebæk. Auf schwedischer Seite sind das moderne Helsingborg und das historische Landskrona Landgänge wert, ebenso die malerische Insel Ven mitten im Öresund. Für Abwechslung ist also gesorgt – und vom königlichen Kopenhagen war dabei noch gar keine Rede …
Genauer: das Inselmeer Südfünens. Das sydfynske øhav liegt so nah vor unserer Haustür, gleich nördlich der Kieler Bucht, dass fast jeder Ostseesegler dort schon war. Und selbst weiß, wie stimmungsvoll es an einem sonnigen Sommerwochenende in der alten Seefahrtstadt Marstal zugehen kann und wie entschleunigt und entspannt auf Lyø – wenn man, am einen wie am anderen Ort, einen Liegeplatz ergattert hat, versteht sich. Ihre Nähe macht die Dänische Südsee (zu der genau genommen auch noch das jenseits des Großen Belts liegende Smålandsfahrwasser gehört) aber nicht weniger außergewöhnlich.
Denn etwas Vergleichbares gibt es im ganzen Ostseeraum so nicht noch einmal: Dutzende kleiner grüner Eilande, die von gewellten Feldern und Wiesen geprägt sind. Die gemütlichen Sportboothäfen, häufig mit Strandanschluss, wie etwa auf Drejø und Birkholm, passen da gut ins Bild. Geschützt und eingerahmt wird das Revier von großen Inseln, darunter Ærø und natürlich Fünen selbst. Die Entfernungen sind gering, die Wassertiefen vielerorts allerdings ebenso. Eine große Lagune der Ostsee also, die den deutschen Sehnsuchtsnamen durchaus rechtfertigt – zumindest bei ihren Fans. Auch wenn der Große Wagen nachts am Himmel steht und nicht das Kreuz des Südens.
Deutschlands „Sonneninsel“ bietet Erholung pur – was zum einen daran liegt, dass es hier keine Autos gibt (auch wenn dafür jede Menge E‑Bikes unterwegs sind). Zum anderen sorgt die besondere Beschaffenheit der lang gestreckten Insel dafür. Etwa der (für die deutsche Ostseeküste seltene) Weststrand, der zu ausgedehnten Spaziergängen einlädt. Und natürlich der Dornbusch, der hoch gelegene Nordteil. Inmitten von sandiger Heidelandschaft steht hier, rund 70 Meter über dem Meer, Hiddensees weißes Wahrzeichen: der Leuchtturm Dornbusch. Bis 1998 versah hier Deutschlands letzter Leuchtturmwärter seinen Dienst. Im vergangenen Jahr wurde der 1888 fertiggestellte Bau aufwendig renoviert.
Ebenso markant sind die Steilklippen rings um den Dornbusch, der wie weitere Teile Hiddensees zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft gehört. Gleich mehrere Häfen bieten sich an, alle auf der Boddenseite, von Süd nach Nord der Seglerhafen Neuendorf, der zentral gelegene Sportboothafen Vitte und der Seglerhafen Kloster zu Fuße des Dornbuschs. Die Fahrwasser auf dem Schaproder und Vitter Bodden sind schmal, müssen aber unbedingt eingehalten werden, besonders bei Abzweigungen.
Eines der unzähligen kleinen Highlights sind die dänischen Ertholmene, auf Deutsch: Erbseninseln. Ihrem Namen werden sie voll gerecht: Zehn Seemeilen nordöstlich von Bornholm bilden sie einen winzigen Archipel. Die Hauptinsel Christiansø ist kaum 700 Meter lang, hat aber Platz für etwa zwei Dutzend Gebäude, darunter ein Restaurant, ein Laden, eine kreative Brauerei und ein Postamt. Dass auch dieses friedliche Fleckchen einst Festung war, bezeugen der wuchtige Rundturm und alte Mauern. Wer von Bornholm Kurs auf Schweden nimmt, erlebt hier zum ersten Mal echtes Schären-Feeling. Liegeplätze längsseits im Sund (eigentlich immer im Päckchen – wenn man überhaupt Glück hat).
Seit langer Zeit liegt die schwedische Insel Gotland an der Kreuzung der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Ostsee. Diese strategische Bedeutung – wirtschaftlich wie militärisch – machte ihre Hauptstadt Visby schon früh zu einem Ort, an dem man im wahrsten Sinne nicht vorbeikam. Bis ins Hochmittelalter bauten die Wikinger und ihre Nachfahren, die sich nun Gotländer nannten, den Handelsplatz aus und errichteten viele der Baudenkmäler, die der Stadt den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes einbrachten. Dazu gehören die Domkirche und vor allem auch die vollständig erhaltene Ringmauer der Altstadt, die noch immer das Herz der 25.000-Einwohner-Stadt ist.
Im Anschluss war Gotlands Hauptstadt dann ein elementarer Knotenpunkt im weit gespannten Handelsnetz der Hanse. Heute sind es vor allem Kreuzfahrtschiffe, Urlauberfähren und Segler auf eigenem Kiel, die Visby anlaufen. Sie finden ein lebendiges, facettenreiches Etappenziel vor, mit viel Kultur im Angebot. Dazu gehört auch Medeltidsveckan, ein großes Mittelalterfestival im August. Der Gasthafen im nordöstlichen Teil des Stadthafens bietet 250 Liegeplätze, die meisten an Stegen mit Muringbojen. Kompletter Service vorhanden.
Unter den Ostseemetropolen ist die lettische Hauptstadt Riga so etwas wie die große Unbekannte – was zumindest aus Seglersicht an ihrer abgeschiedenen Lage im Süden des Rigaischen Meerbusens liegen dürfte. Schade! Denn die mit 600.000 Einwohnern größte Stadt des Baltikums braucht sich hinter ihren bekannteren Schwestern in keiner Weise zu verstecken: Die Altstadt ist ein Musterbeispiel der Backsteingotik der Hansezeit, daneben ist das Stadtbild aber auch vom Jugendstil geprägt. Die Ansteuerung Rigas erfolgt die schiffbare Düna hinauf. Gäste kommen beim Pilsetas Jahtklubs unter. Dessen Marina mit modernen Schwimmstegen liegt am Südufer des Flusses zentral an der Vanšu-Brücke.
Wenn Sandstrände das Bild der südlichen Ostseeküste bestimmen, dann sind es im Norden Felsen. Auch dort haben die Gletscher der letzten Eiszeit ein bleibendes Bild hinterlassen: flache Hügellandschaften aus rund geschliffenem Granit, die sich aus dem Küstenmeer erheben – die Schärengärten. Man trifft sie an vielen Stellen, von Karlskrona bis nach Helsinki, aber nirgendwo bilden sie ein so großes und nahezu zusammenhängendes Revier wie am Übergang zwischen zentraler Ostsee und Bottnischem Meerbusen. Von Westen kommend macht der Stockholmer Schärengarten (Stockholms skärgård) den Anfang, gefolgt von den Ålandinseln, die wiederum in das finnische Schärenmeer (Saaristomeri) vor Turku übergehen.
Die Gesamtzahl an Inseln, vom kahlen, kaum aus den Wellen ragenden Felsen bis hin zu Fasta Åland, Zentrum des gleichnamigen Archipels, liegt zwischen 80.000 und weit über 100.000 – je nachdem wie man zählt. Auch die Liegemöglichkeiten sind endlos, von (sehr vielen) einsamen, idyllischen Naturhäfen bis hin zu (einigen) ausgewachsenen Städten. Ein faszinierendes Labyrinth, in dem sich dank elektronischer Navigation heute zwar niemand mehr verlieren muss – sich aber viele gerade deshalb verlieren wollen …
Die finnische Hauptstadt ist unserer Zeit voraus – und zwar genau eine Stunde. Aber auch in anderer Hinsicht ticken die Uhren in Helsinki anders als in den übrigen Großstädten im Ostsee- raum. Das Prunkvolle und Repräsentative ist hier höchstens noch aus Zarenzeiten präsent (bis 1917 war Finnland ein Teil Russlands), generell integriert man lieber das Moderne und richtet sich pragmatisch auf die Zukunft aus. Das führt zu einem ganz besonderen kulturellen Mix, vom Tango bis zu Heavy Metal und von der rustikalen Waldsauna bis zur hochgradig funktionellen Finlandia-Halle. Zudem ist die Stadt auf drei Seiten von der Ostsee umgeben, das Wasser ist also nie weit weg. Von den Gasthäfen ist die MarinaBay Helsinki am Nordufer der Insel Katajanokka am besten gelegen. Wer etwas von allem, was die Stadt ausmacht, möchte, ist hier richtig.
Alles hat ein Ende, auch die Ostsee. Wo sie im Norden endet, liegt die flache Bottenwiek. Allein die Entfernung macht dieses Seegebiet und seine Küsten zu einem ganz besonderen Ziel: Knapp 1000 Seemeilen beträgt die Distanz vom Leuchtturm Kiel bis zur gelben Tonne im schwedischen Törehamn, die den nördlichsten Punkt des Meeres markiert. Wer von hier ein Selfie verschickt, hat mit Sicherheit eine Menge zu erzählen. Und selbst hier oben ist nicht alles nur Natur: Luleå, Haparanda, Oulu – auch die Städte erwachen im kurzen Sommer zu intensivem Leben. Denn es ist nicht nur die Ferne vom Heimathafen, die diesen letzten möglichen Abstecher so außergewöhnlich macht – es ist die Nähe zum Polarkreis. Sie sorgt für die kaum endenden Tage und die weißen Nächte des hohen Nordens. Ein unvergessliches Highlight – im wahrsten Sinne.