VermessungssystemKontroverse um Zeitstrafe für XR 41 – ORC validiert seine Daten

Jochen Rieker

 · 05.12.2025

Vermessungssystem: Kontroverse um Zeitstrafe für XR 41 – ORC validiert seine DatenFoto: Nico Krauss
XR 41 beim YACHT-Test
In der Debatte um Zeitstrafen für mehrere moderne Yachtkonstruktionen, allen voran das amtierende ORC-Weltmeisterboot XR 41, überprüft der Offshore Racing Congress (ORC), seinen Algorithmus für die Berechnung der Rennwerte.

​Dass der ORC ein Problem hat, seit er vor drei Jahren seine Formel ebenso wie die Berechnungsmethode mittels Neuronaler Netze drastisch erweitert hatte, wurde spätestens bei der Generalversammlung in Irland Anfang November deutlich. Mehrere Präsidiumsmitglieder räumten ein, dass es Inkonsistenzen gäbe, die zwingend behoben werden müssten.

Zeitstrafe für die XR 41: Zehn Sekunden pro Seemeile

„Wir stimmen überein, dass wir ein Problem haben“, konzedierte etwa Bruno Finzi, der Vorsitzende des Management Committees, nachdem sich der Rat fast zwei Stunden lang mit der Leistung der XR 41 „Formula X“ bei der Garmin ORC-Weltmeisterschaft diesen Sommer in Tallin und einer im Oktober verfügten Zeitstrafe von 10 Sekunden pro Seemeile auseinandergesetzt hatte.

Der Malus sollte für die Saison 2026 gelten. Und er hätte die Wettbewerbsfähigkeit auch anderer Boote gleichen Typs massiv beeinträchtigt. Es war jedoch nicht nur die XR 41 betroffen. Mit Zeitstrafen wurden darüber hinaus etwa die Judel/Vrolijk 43 oder die von Sam Manuard konstruierte First 30 von Beneteau belegt.

Widerstand kam vor allem aus dem X-Yachts-Lager und von betroffenen Eignern baugleicher Schiffe. Denn deren Erfolgsaussichten für die Regatten im kommenden Jahr hätten sich mit der vom Internationalen Technischen Komitee des ORC verfügten Änderung so sehr verschlechtert, dass Siege zumindest für überwiegende Amateur-Crews ausgeschlossen wären.

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Die Zeitkorrekturen waren vom ITC vorgeschlagen und im Oktober beschlossen worden, weil die XR 41 bei der WM in Gruppe B überlegen gesiegt hatte; auch Platz zwei war an eine XR 41 gegangen, ebenso Platz vier an die deutsche „Exciter“ von Jens Kuphal. Weil alle Boote regelkonform vermessen waren, vermuteten die ORC-Techniker, dass die Werft und ihre Konstrukteure eine oder mehrere Formellücken ausgenutzt hätten – ein durchaus legitimes und übliches Vorgehen. X-Yachts selbst hatte von Beginn an offen kommuniziert, dass sie ein Boot entwickelt hätten, dass „auf dem Papier langsam, auf dem Wasser aber schnell“ segle.

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Einschnürung der Rumpfform lässt KI halluzinieren

So hat die XR 41 wie praktisch alle modernen Performance-Yachten deutlich mehr Volumen im Vorschiff als bisherige Modelle, zudem eine insbesondere achtern starke Einschnürung der Rumpfform. Damit, so Alessandro Nazareth, stellvertretender Vorsitzender des ITC, liege sie teils „deutlich außerhalb des Parameterraums“, der für die Berechnung der Rennwerte üblicherweise herangezogen werde. Wegen der Unschärfen künstlicher Intelligenz in solchen Grenzbereichen könne es daher zu einer Bevorteilung der XR 41 gekommen sein. Jason Ker, selbst namhafter Konstrukteur und Mitglied im ITC, der die Neuronalen Netze des ORC ausgewählt und trainiert hatte, spricht von „Halluzinationen“, die für KI-Systeme typisch seien.

Anstatt den Algorithmus zu prüfen und zu korrigieren, ging das ITC den einfacheren Weg und legte halbwegs plausible Korrekturwerte vor. Das widerspricht der sonst vielfach als Vorteil propagierten wissenschaftlichen Methodik, der sich der ORC sonst zu Recht rühmt. Eine gründlichere Überprüfung der Berechnungsverfahren sagte Alessandro Nazareth bei der Generalversammlung Anfang November erst für 2026 zu; sie sollte in die Ratings für die Saison 2027 einfließen. So beschloss es dann auch die Generalversammlung – mit nur einer Enthaltung und bei null Gegenstimmen.

1000 Rümpfe werden neu gerechnet

Nach YACHT-Informationen war der öffentliche Druck auf den ORC allerdings so groß, dass die Verantwortlichen um den guten Ruf des Vermessungssystems fürchteten. Das ITC beschloss am Dienstag dieser Woche deshalb, in einem aufwändigen Verfahren 1000 Rümpfe zur Validierung des Systems neu rechnen zu lassen; mit der Durchführung wurde Jason Ker betraut. Die Auswertung der Daten läuft noch und wird frühestens kommende Woche abgeschlossen sein. Für die XR-41-Eigner könnte es ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk werden.

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