Endlich läuft das 16. Transat Jacques Vabre auch für die Imocas. Die populärste der vier Transat-Klassen war am Morgen des 7. November in das auf 3.750 verkürzte Rennen über den Atlantik nach Fort-de-France auf Martinique gestartet. Es war in 20 bis 25 Knoten Wind ein ruppiger Start für das Rekordfeld der 40 Imocas, die inzwischen die ebenso fordernde erste Nacht auf See weitgehend gut gemeistert haben.
Ich bin wirklich tief enttäuscht! Aber wir müssen uns damit abfinden und weitermachen” (Pip Hare)
Zwei Crews haben eine Fünf-Stunden-Strafe abzubrummen, weil sie die Startlinie falsch passiert haben. Damit haderte Louis Burton mit Davy Beaudart auf “Bureau Vallée” nicht zum ersten Mal. Auch Pip Hare und Nick Bubb ärgerten sich auf “Medallia” über ihren Fehler. Die Strafen müssen vor dem 30. Breitengrad Nord – also etwa bis 120 Seemeilen südlich von Madeira absolviert werden. Dabei haben die Crews ein virtuelles Tor ihrer Wahl zu durchfahren und es fünf Stunden später erneut zu passieren. So erklärte sich der zwischenzeitlich ungewöhnliche “Bureau Vallée”-Kurs.
Die Britin Pip Hare kommentierte den Startpatzer ihres Teams deutlich: “Das ist absolut nicht das, was wir wollten, ganz und gar nicht! Ich bin wirklich tief enttäuscht! Aber wir müssen uns damit abfinden und weitermachen. Wir haben noch 3.500 Meilen zu segeln, und viele Leute werden ihre eigenen Probleme haben.”
Derweil wird das Gaspedal an der Front des Imoca-Feldes durchgedrückt. Die co-favorisierten Boote “Charal” mit Jérémie Beyou und Franck Cammas (2022) sowie “For People” (2023) mit Titelverteidiger Thomas Ruyant und Morgan Lagravière liefern sich jetzt schon ein packendes Spitzenduell. In Reichweite machten aber auch Samantha Davies und Jack Bouttell auf der neuen “Initiatives Cœur” (2022) am Mittwochmorgen bei nur 10 Seemeilen Rückstand auf “Charal” viel Druck.
Die Britin Sam Davies könnte als erst zweite Seglerin nach ihrer Landsfrau Ellen MacArthur in der Imoca-Klasse einen Podiumsplatz im Transat Jacques Vabre erkämpfen. Ellen MacArthur segelte 2005 mit Roland Jourdain auf “Sill et Violia” auf Platz zwei hinter Jean-Pierre Dick und Loïck Peyron auf “Virbac Paprec”. Auch andere Imoca-Segler haben zusätzlich zum angestrebten Top-Ergebnis individuelle Zusatzmotivationen. Franck Cammas beispielsweise könnte bei einem Erfolg für “Charal” der erste Segler werden, der das Transat Jacques Vabre fünfmal gewonnen hat.
Über allem aber steht das Ringen um die neue Hackordnung in der Imoca-Klasse, deren Protagonisten sich auf Kurs Vendée Globe 2024/2025 in Position bringen. Wie stark können die jüngsten Imocas noch werden? Und wie gut können die 2022er-Designs und frühere dagegenhalten? Was ist der Ocean-Race-Härtetest für jene Teams wert, die an der Mannschaftsweltumsegelung teilgenommen haben und ihre Boote dabei intensiv optimieren konnten – so wie Boris Herrmanns Team Malizia?
Das Transat Jacques Vabre wird einige, aber noch längst nicht alle Antworten geben. Bemerkenswert ist, dass Thomas Ruyant seinen sehr jungen Racer, der erst im März 2023 zu Wasser gelassen wurde, jetzt schon gut im Griff zu haben scheint. Bemerkenswert ist aber auch, dass Boris Herrmann und Will Harris mit “Malizia – Seaexplorer” nach eher solidem Start bereits auf Platz sechs vorgerückt sind. Die rauen Bedingungen kommen der deutschen “Starkwind-Rakete” aktuell entgegen.
Wir sind nicht mit allen strategischen Entscheidungen glücklich, die wir getroffen haben” (Andreas Baden)
Wie sich das ruppige Geschehen für die Verfolger darstellt, von denen im Gegensatz zu Boris Herrmann ebenfalls noch viele namhafte Skipper die Solo-Rückregatta aus der Karibik nach Frankreich für ihre Vendée-Globe-Qualifikation dringend brauchen und daher im TJV nicht unter allen Umständen Vollgas geben werden, berichtete der Kieler Andreas Baden von Bord “Nexans – Art & Fenêtres” nach der ersten Nacht auf See am Mittwochmorgen.
Inzwischen mit seinem Skipper Fabrice Amedeo auf Platz 28 vorgerückt, schrieb Andreas Baden: “Moin, die ersten 24 Stunden im Race sind geschafft. Wir segeln aktuell unter J3 Vorsegel und Reff3 im Groß bei ca. 30 Knoten Wind. Immer noch Kreuz, was relativ ungemütlich ist und das Boot gut durchschüttelt. Nach dem technischen Problemen, die wir gestern über den Tag hatten, sind wir auch nicht mit allen strategischen Entscheidungen wirklich glücklich, die wir getroffen haben.”
Weiter erzählte Andreas Baden: “Gerade auch die Crossover-Punkte zwischen den Vorsegeln und Reffs sind leider noch schwer einzuschätzen. Wir hatten ja vor diesem Rennen leider nur vier wirkliche Trainingsausfahrten. Das ist extrem wenig Zeit, um so ein Boot gut zu kennen. Aber das wird sicherlich noch besser unterwegs. Ziel für heute: links abbiegen und rein in die Biskaya, Richtung Süden wird es dann auch wärmer. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit hier draußen ist es doch mitunter ungemütlich. Ansonsten ist die Stimmung hier aber gut, und wir haben beide auch ein bisschen Schlaf bekommen heute Nacht.”
In der Class 40 kämpften nach ihrem Start am 6. November die “Sign for Com”-Co-Skipper Lennart Burke und Melwin Fink als 18. im Feld von 40 noch segelnden Booten um Anschluss an die Top-Gruppe. Hier führen nach wie vor die Sieger der ersten Etappe: Ambrogio Beccaria und Nicolas Andrieu auf “Alla Grande Pirelli” kämpfen mit den Crews auf “Amarris”, “Inter Invest” und Ibsa” nach gut 48 Stunden binnen nur einer Seemeile um die Spitzenposition.
Lennart Burke und Melwin Fink schickten am Mittwochmorgen einen kurzen Zwischenbericht zu den Entwicklungen seit dem Start von Bord. Wie die gesamte Flotte hatten auch die Jungprofis aus Hamburg seit dem Start am Montagmorgen in Lorient durchgängig mit Wind und Welle zu kämpfen. Die Durchquerung der Biskaya verlangte ihnen viel ab. Ständig drehende Winde zwischen zehn und 38 Knoten hielten die Akteure in Atem.
Der gewohnte zweistündigen Wechselrhythmus aus Schlafen und Wachen, so berichtet das einzige rein deutsche Duo im 16. Transat Jacques Vabre, war nicht möglich. Die kalten Temperaturen sowie das dauerhafte Überspülen des Bootes taten ihr Übriges, um die Segler auch physisch zu testen. An Bord der “Sign for Com” war darüber hinaus kurz nach Start die Führungsschiene des J1-Furlers gebrochen. Die entsprechende Reparatur gelang mit einer elektrischen Flex vorn am Bug trotz reichlich Wellengang. Einschränkungen bestehen nun nicht mehr.
Am Wind ist nicht gerade die Paradedisziplin für uns und unser Boot” (Melwin Fink)
Lennart Burke und Melwin Fink hoffen jetzt auf den drehenden Wind. Gegen 14 Uhr, so Melwin Fink, soll der Wind auf Reaching oder Downwind drehen. Die “Sign for Com”-Crew hofft auf Downwind, vor allem aber darauf, das Amwind-Segeln hinter sich lassen zu können. Melwin Fink erklärt: „Am Wind ist nicht gerade die Paradedisziplin für uns und unser Boot.“ Mit einer wechselnden Windrichtung erhoffen sich Burke und Fink einen weiteren Aufstieg im Klassement. Zwar beträgt der Abstand zu den Spitzenreitern aktuell etwas mehr als 30 Seemeilen, doch segeln sie weiter auf Tuchfühlung zur Gruppe der Top-Ten.
Ein kurzer Blick noch zu den seit 29. Oktober segelnden Ultims, wo nun wieder “SVR Lazartigue” die Führung vor “Banque Populaire XI” und “Edmond de Rothschild” übernommen hat. Die Ultim-Gigantinnen liefern sich aktuell etwa beim 10. Breitengrad Süd packende Kämpfe um die Vorherrschaft in ihrer Klasse.
UPDATE am 8. November, 12.10 Uhr!
Nach einer Nachricht von Boris Herrmann am Vormittag des 8. November an YACHT online ist klar, warum “Malizia – Seaexplorer” plötzlich zurückfiel. Boris Herrmann berichtet: “Wir haben heute Morgen Probleme mit einem elektronischen Kompass. Wir versuchen jetzt gerade, mit einem Ersatzkompass das Schiff zu steuern. Das läuft aber nicht so gut wie erwartet. Deswegen fahren wir etwas langsam und haben viel Zeit verloren in den letzten Stunden.”
Weiter sagte Boris Herrmann gegen 12 Uhr am Mittwoch: “Das macht unseren Start nach dieser rauen Nacht nun etwas weniger glorreich. Das Boot fuhr gut bis heute Morgen. Wir waren nach der Front gut platziert. Jetzt haben wir deutlich an Boden verloren wegen dieser Elektronikgeschichte. Aber wir versuchen das Problem zu lösen und bleiben am Ball.”
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