Rolex Sydney Hobart RaceSpektakulärer Start in Rekordbedingungen

Tatjana Pokorny

 · 26.12.2022

Der Start zum 77. Rolex Sydney Hobart Race
Foto: Rolex/Carlo Borlenghi

Das 77. Rolex Sydney Hobart Yacht Race 2022 hat am 2. Weihnachtstag einen schnellen Start hingelegt. Der 628-Seemeilen-Klassiker bietet den 109 Booten bei der 77. Auflage Rekordbedingungen. Auch die deutschen Herausforderer genossen den Auftakt

Ein Tag, 9 Stunden, 15 Minuten, 24 Sekunden. Diesen Rennrekord gilt es bei der 77. Edition des Rolex Sydney Hobart Race 2022 zu schlagen. Aufgestellt hat ihn vor fünf Jahren der 100-Fuß-Racer “LDV Comanche”. Als “Andoo Comanche” zählt die ausgewiesene Rekordjägerin jetzt wieder zu den Co-Favoriten, hat aber starke Konkurrenz. Nicht nur der neunmalige Line-Honors-Sieger und “Hamilton Island Wild Oats”-Skipper Mark Richards glaubt das mit Blick auf die vorhergesagten schnellen Downwind-Bedingungen. Bei dieser Edition ist eine neue Bestmarke drin. Das erste Boot könnte die Ziellinie bereits am 27. Dezember überqueren.

Traumstart im Sydney Harbour

Zum Start wurden am 2. Weihnachtstag um 13.00 Uhr Ortszeit im Hafen von Sydney in Winden zwischen 10 bis 15 Knoten aus Nord bis Nordost beste Bedingungen serviert. Der Nebel, der die weltberühmte Regattabühne vor dem Opernhaus kurz zuvor noch wie ein Daunenfederbett bedeckt hatte, war rechtzeitig gewichen. Die 109 Boote und ihre hochmotivierten Mannschaften gingen bei strahlendem Sonnenschein unter blauem australischen Sommerhimmel ins Rennen.

Schon wenige Augenblicke nach dem Start fielen im erwarteten Vierkampf zwischen den Co-favorisierten Maxis zwei besonders auf. Drei von ihnen – “Andoo Comanche”, “Black Jack” und “LawConnect” – hatten den westlichen Kanal im Hafen von Sydney als Startbahn gewählt, während “Hamilton Island Wild Oats” sofort auf die östliche Seite gewechselt war. Von dort aus strebte die Flotte regelmäßig dem Hafenausgang entgegen, um aus den Heads herauszukommen.

“Andoo Comanche” kurz nach dem Start zum 77. Rolex Sydney Hobart Yacht Race auf dem Weg zu den HeadsFoto: Rolex/Andrea Francolini
“Andoo Comanche” kurz nach dem Start zum 77. Rolex Sydney Hobart Yacht Race auf dem Weg zu den Heads

Packender Auftakt, Protestflaggen und vorsorgliche Strafkringel

Inmitten des Geschehens absolvierte die von John Winning jr. geskippte “Andoo Comanche” plötzlich einen vorsorglichen 720-Grad-Strafkringel, um einem möglichen Protest und späterer Bestrafung zu entgehen. Die “Hamilton Island Wild Oats”-Crew mit Skipper Mark Richards tat es ihr gleich, obwohl das Team nicht sicher war, dass es betroffen war. Vielleicht aber haben sich einige Crew-Mitglieder an das Jahr 2017 erinnert, als ein Regelverstoß sie die Line Honors und den Rennrekord kostete. Beides heimste vor fünf Jahren nach Jury-Entscheidung die “LDV Comanche” ein.

Zwei Stunden nach dem Startschuss gab es den ersten Ausfall: Die Hick 40 “Avalanche”, ein Zweihandboot mit James Murchison und Co-Skipper James Francis, vermeldete einen gebrochenen Bugspriet. Dadurch reduzierte sich die Flotte auf 108 Boote, darunter 19 Zweihandboote. Die vier Maxis lagen im Rennen zu den Heads bei mehreren wehenden Protestflaggen in den Hecks so dicht beieinander, dass sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ein spannendes Szenario für den Showdown auf dem Derwent River in Hobart abzeichnete.

Sechs Stunden nach dem Start führte am Morgen des 2. Weihnachtstages deutscher Zeit die “Andoo Comanche” das Feld an. Da hatte der schwarz-rote Renner die ersten mehr als 100 Seemeilen des 628-Seemeilen-Kurses von Sydney nach Hobart bereits absolviert.

“Ho, ho, ho: famoser Nullstart!”

Die “Orione”-Crew mit den Berliner Brüdern Axel und Peter Baumgartner strebte dem Ziel auf ihrer Grand Soleil 45 zunächst als 90. in der Line-Honors-Wertung entgegen. Von Bord schrieb das Team an YACHT online in bester Weihnachtslaune: “Ho, ho, ho: famoser Nullstart! Dann eine erste schöne Kreuz mit Groß und G3 bei knapp 20 Knoten Wind. An der Ablauftonne haben wir etwa ein Drittel des Feldes hinter uns. Unter Spi holen wir sogar noch auf. Eine Stunde von etwa 88 ist schon um.”

Auf Rang 61 der Line-Honors-Wertung lag etwa sechs Stunden nach dem Start die McIntyre 55 “Flying Fish Arctos”. Mit der australisch-britischen Crew segelt der Meckenbeurer Benjamin Deifel, der wie die Berliner Brüder sein erstes Rolex Sydney Hobart Race bestreitet. Beide Boote – ”Orione” mit deutscher Crew und die “Flying Fish Arctos” mit Ben Deifel – segeln in der PHS-Klasse des Rennens und damit in der “Corinthian”-Wertung.

Mit Weihnachtsgrüßen aus Sydney: Blick ins Heck der “Orione”-CrewFoto: Team Orione
Mit Weihnachtsgrüßen aus Sydney: Blick ins Heck der “Orione”-Crew

Benjamin Deifel segelt erst seit drei Jahren. Das allerdings beeindruckend intensiv. “Ich bin vor 2018 überhaupt nicht gesegelt, dann auf das Clipper Race gestoßen und von 2019 bis 2022 um die Welt gesegelt. Ich habe etwa 45.000 Seemeilen absolviert. In der Corona-Pause habe ich die RYA-Zertifikate gemacht”, berichtet der 34-Jährige vom Bodensee. Die Erfahrungen an Bord seien gemischt: Einige seiner Mitsegler, so Deifel, bringen Erfahrungen aus vorherigen Auflagen des Rolex Sydney Hobart Race mit. Andere erfüllen sich – wie er selbst – mit dem Start einen Lebenstraum.

Die Crew der “Flying Fish Arctos” mit Benjamin Deifel (2. v. l.)Foto: Rachel Burgess/Team Flying Fish Arctos
Die Crew der “Flying Fish Arctos” mit Benjamin Deifel (2. v. l.)

Alle an Bord der 55-Fuß-Yacht “Flying Fish Arctos” gingen optimistisch in den Klassiker. Deifel sagt: “Wir haben an den Trainingstagen gesehen, dass das Boot mit dem richtigen Wind – Beamreach, Downwind – sehr gut läuft. Für Amwind-Kurse ist das Boot eher nicht gebaut.”

Für ihn, erzählt Benjamin Deifel, sei das Rennen ”ein absolutes Highlight zum Jahresabschluss”. Er sagt: “Nach Covid konnten wir dieses Jahr endlich die Weltumsegelung inklusive Pazifiküberquerung abschließen. Das Sydney Hobart ist da jetzt das Sahnehäubchen. Es war schon in den Tagen vor dem Rennen beeindruckend, mit den Maxis und den anderen unterwegs zu sein. Wir segeln in der gleichen Klasse wie die ‘Orione’ – vielleicht treffen wir uns ja im Zollhaus in Hobart.”