Tatjana Pokorny
· 21.12.2022
Eine halbe Weltumsegelung haben Axel und Peter Baumgartner mit Familie und Freunden bereits hinter sich. Jetzt wollen die Berliner Brüder ihren Lebenstraum segeln: Das Rolex Sydney Hobart Race beginnt am 26. Dezember – „Boxing Day“ in Down Under
Wenn am 2. Weihnachtstag um 13 Uhr Ortszeit der Startschuss zum 77. Rolex Sydney Hobart Race fällt, wird auch eine deutsche Crew in den Klassiker starten. Die Berliner Brüder Axel und Peter Baumgartner stehen mehr als ein halbes Jahrzehnt nach der ersten gemeinsamen Idee vor ihrem Lebenstraum. Axel Baumgartner sagt: „Die Anziehungskraft dieses Rennens ist riesig. Wie ein Triathlet nach Hawaii will, so wollen wir einmal am Sydney Hobart Race teilnehmen. Für uns Amateure ist es die herausforderndste Regatta, die es gibt. Wir segeln mit einem Golf im Formel-1-Zirkus.“
Der „Golf“ ist eine Grand Soleil 45, die das Brüder-Duo vor rund zehn Jahren erworben und zur Finanzierung in den Charterbetrieb gegeben hat. „So konnten wir die Kosten im Griff behalten und trotzdem das Segeln genießen“, sagt Axel Baumgartner. Das Segeln haben Peter und Axel im Spandauer Yacht-Club an der Scharfen Lanke erst im Opti gelernt und später auch im 470er genossen. Nun rückt der große Traum vom Rolex Sydney Hobart Race immer näher.
„Wir sind Segler, seit wir denken können“, erzählt der 60-jährige Axel Baumgartner, „schon in unserer Jugendzeit war Wolfgang Hunger ganz weit vorn, wir eher auf der anderen Seite (lacht). Wir sind nicht ganz so besessen, haben aber viel Spaß am Regattasegeln, haben auch schon an der Giraglia 2018 und am Middle Sea Race 2020 teilgenommen. Es geht ums olympische Motto, dabei zu sein. Natürlich versuchen wir auch, schnell zu segeln.“
Der 628 Seemeilen lange Kurs führt seine Herausforderer vom Sydney Harbour durch die Tasmanische See nach Hobart. Seit ihrer Premiere 1945 inspiriert diese Langstrecke Hochseesegler in aller Welt. Sir Ben Ainslie, mit vier Goldmedaillen erfolgreichster Steuermann der olympischen Segelgeschichte, America’s-Cup-Jäger mit seinem Team Ineos Britannia und selbst mehrfacher Teilnehmer, sagt: „Das Rolex Sydney Hobart Race hat aufgrund der Leistungen so vieler großartiger Segler eine so beeindruckende Reputation, dass jeder Segler es gern seinem Lebenslauf hinzufügt. Doch alle müssen sich auf einige der härtesten und forderndsten Bedingungen einstellen, die sie je erlebt haben. Es ist ein Rennen, bei dem die Unerschrockenheit des menschlichen Geistes zum Vorschein kommt.“
Darauf haben sich Axel und Peter Baumgartner und ihre Crew eingestellt. Zur insgesamt achtköpfigen Mannschaft für das Rolex Sydney Hobart Race gehören auch MidsummerSail-Veranstalter Robert Nowatzki, Axel Baumgartners Sohn Paul, Peter Baumgartners Tochter Elisa, der bekannte Unfallchirurg Michael Schütz („Der muss uns zusammenflicken, wenn was Schlimmes passiert“), Solosegler Paul Peindl, der einhand nach Neuseeland segelte und Schwerwetter-Erfahrung mitbringt, sowie Freund und Smutje Tobias Rackmann.
Axel Baumgartner erinnert sich, dass er 1987 als Windsurfer auf Fuerteventura einen Vietnamesen kennengelernt hatte, der ihm erstmals vom Rolex Sydney Hobart Race erzählte. Damals war das Rennen in Deutschland kaum bekannt. „Dann hat die Berichterstattung im Laufe der Jahre auch in Deutschland stark zugenommen. Weihnachten 2017 haben wir als Familie beschlossen, dass wir 2022 teilnehmen wollen. Das war eine Vision, denn es kann ja über die Jahre so viel passieren …“ Trotz der langen Zeit und der Corona-Einschnitte ließen sich die Berliner nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Jetzt sind sie mit ihrem Team in Sydney versammelt und können den großen Startmoment kaum erwarten. „Ein bisschen Magengrummeln hat man schon“, sagt Axel Baumgartner, „aber die Vorfreude ist auch riesig.“
Die Brüder beendeten das Charter-Business in der Toskana, verholten sich nach Sizilien und rüsteten ihr Boot nach und nach mit Kategorie-1-Bedarf und Segeln von der Segelwerkstatt Stade auf. „Wir haben unseren Beschluss von 2017 immer konkreter verfolgt, sind im vergangenen Jahr von Sizilien aus aufgebrochen, durchs Mittelmeer und auf die Kanaren. Dort lag das Boot ein halbes Jahr, bevor es ab Januar über den Atlantik ging.
„Bei der gesamten Reise hatten wir immer Syndey vor Augen. Da wollten wir hin“, erzählt Axel Baumgartner. Karibische Familienerlebnisse, mit Freunden absolvierte Kursabschnitte, der Panamakanal und die Pazifik-Querung durch Peter Baumgartner und seine Crew brachten das beherzte Team schließlich nach Newcastle, wo es das Boot etwa 60 Seemeilen nördlich von Sydney bis Mitte Dezember für den Einsatz im Rolex Sydney Hobart Race vorbereitete.
Nun ist das Rennen schon ganz nah. Die Baumgartner-Crew ist bereit, das über die vertraute EIS (European Insurance & Services) an der Scharfen Lanke versicherte Boot in den Härtest zu führen. Axel Baumgartner weiß, was kommt: „Es ist ein hammerhartes Rennen mit magischer Anziehungskraft. Wir müssen mit einem nicht ganz so schnellen Schiff durch drei Wettersysteme. Lauter Meilensteine, die man fürs Leben haben will.“ Das Team hat sich gut vorbereitet, die notwendigen Zertifikate von Medizin auf See über das Offshore-Sicherheitstraining in Neustadt bis zum Funkzeugnis erworben und viele Hürden mehr genommen. Auch solche wie die komplette Handsteuerung des Bootes durch Peter Baumgartner von Fidji nach Australien, weil die benötigte neue Schubstange für den Autopiloten nicht rechtzeitig geliefert werden konnte.
Die Baumgartners starten mit ihrer „Orione“ unter der italienischen Segelnummer 16054 ins Rolex Sydney Hobart Race. „Der Heimathafen ist in Italien, wo wir das Boot mit Baujahr 2007 einst gekauft haben“, erklärt Axel Baumgartner. Die deutsche Flagge wird trotzdem wehen. Und nicht nur die Vereinskameraden im Spandauer Yacht-Club werden mitfiebern. Natürlich kennen die Baumgartners auch das tragischste Kapitel in der 77-jährigen Geschichte des Rennens: 1998 wurde die Langstrecke bei ihrer 54. Auflage von einem brutalen Sturm heimgesucht. Im schwärzesten Jahr verloren sechs Menschen ihr Leben, fünf Yachten sanken. 55 Segler wurden in der größten Rettungsaktion geborgen, die Australien je erlebt hat. „Wir haben mit Leuten gesprochen, die damals dabei waren“, beschreibt Axel Baumgartner auch diesen Teil der Vorbereitung.
Die „Orione“, sagen ihre Co-Eigner und Co-Skipper Axel und Peter, sei in gutem Zustand. Beim Kauf hatten die Brüder einen Gutachter dabei, der selbst zweimal Kap Hoorn passiert hatte. Den fragten sie: „Würdest du mit diesem Boot rund Kap Hoorn segeln?“ Der Mann bejahte, und seitdem haben die Baumgartners großes Vertrauen in ihre Grand Soleil 45. „Wir haben uns in harten Bedingungen nicht ein einziges Mal unsicher gefühlt. 40 Knoten Wind mögen unangenehm sein, doch Angst lösen sie bei uns nicht aus. Wir haben ein schönes, schnelles und sicheres Boot“, ist sich Axel Baumgartner sicher. 111 Yachten werden am 2. Weihnachtstag an der Startlinie zum Rolex Sydney Hobart Race aufkreuzen, darunter 21 Zweihand-Teams – und die „Orione“.