Morten Strauch
· 01.05.2023
Kirsten Neuschäfer hat Segelgeschichte geschrieben und als erste Frau eine Regatta um die Welt gewonnen. Wir trafen die sympathische Südafrikanerin mit deutschen Wurzeln, nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, an Bord ihrer “Minnehaha”
Ja, ich hatte Moitessier-Momente, in denen ich dachte, es wird schwer sein zurückzukommen, weil ich ja wusste, wie es in Les Sables zugeht bei Starts und Zieleinläufen. Das ist eigentlich nicht mein Ding, so im Rampenlicht zu stehen und so viele Menschen um mich herum zu haben. Andrerseits sind die Leute in Les Sables-d’Olonne so enthusiastisch und von der ganzen Sache so begeistert, dass es mich auch mitreißt. Ich will die Leute auch nicht enttäuschen. Sie stecken so voller Energie und Ausdauer beim Warten, um einen willkommen zu heißen – da muss man sich schon sehr geehrt fühlen. Aber jetzt bin ich bereits zwei Tage wieder an Land, und ich habe nur sechs Stunden geschlafen insgesamt und merke langsam, dass mich die Müdigkeit einholt. Aber es ist sehr schön. Meine Mutter, mein Onkel und Freunde sind angereist, und das freut mich natürlich sehr. Kleinigkeiten wie ein Croissant essen oder frisches Gemüse sind auch ganz wunderbar.
Ich esse einfach sehr gern Eis, und alle wissen das. Das hat sich irgendwie verselbstständigt, und ich spiele da einfach mit. Wenn mich jemand fragt, worauf ich am meisten Lust habe nach so einer Tour, dann sage ich „Eis“. Bevor ich an Land gehen konnte, hatte ich schon den Eisbecher überreicht bekommen.
Kirsten überlegt einige Sekunden ...
Mir fällt da gerade nichts ein. Aber ich glaube, wenn wirklich etwas Gefährliches über mich hereinbricht, dann bekomme ich bestimmt Angst, was man auch braucht, um überleben zu können. Aber ich bekomme keine Angst, wenn ich aus der Ferne über etwas nachdenke, was gefährlich werden könnte.
Doch da gibt es was. Ich gehe überhaupt nicht gern zum Arzt. Ich bekomme schon vor einer kleinen Spritze Angst. Skalpelle, Nadeln und Doktoren – das ist für mich etwas ganz Furchtbares!
Als ich 19 war, bin für zwei Jahre nach Finnland gezogen, um dort Schlittenhunde zu trainieren. Die Sprache hatte mich damals wirklich begeistert, und ich konnte sie recht schnell fließend sprechen. Heute, also 18 Jahre später, geht das zwar alles etwas langsamer, aber ich hatte ja viel Zeit unterwegs.
Tapio war etwa 110 Seemeilen von mir entfernt, als der Hilferuf kam. Ich stand die ganze Nacht am Ruder, und morgens, kurz nach Sonnenaufgang, habe ich ihn gefunden – wobei ich erst feststellen musste, wie schwierig es ist, ein Liferaft zwischen den Wellen im Meer zu entdecken. Tapio war am Funkgerät und konnte mich sehen, ich ihn aber nicht. Also leitete er mich direkt zu sich, indem er mir fortlaufend Kommandos gab wie „mehr Backbord, Steuerbord“ und so weiter.
Nachdem ich ihn an Bord hatte, haben wir als Erstes einen Schluck Rum getrunken. Er war superhappy endlich aus seiner kleinen Rettungsinsel herausgekommen zu sein. Neben der geglückten Rettung an sich war es für mich eine wertvolle Erfahrung zu erleben, wie positiv Tapio mit der ganzen Situation umgegangen ist. Daraus kann man viel lernen, wie man schwierige Situationen mit positiver Energie überstehen kann.
Ich halte mich an das Sprichwort „Sag niemals nie“. Aber planen tue ich das aktuell nicht. Ich bin von Natur aus eigentlich keine Wettkämpferin. Ich mag eher Herausforderungen, bei denen ich meine eigenen Stärken finden muss. So was mache ich dann lieber allein, wie meine Radtour durch Afrika zum Beispiel. Die Herausforderung besteht darin, gegen die Elemente der Natur zu bestehen und meine eigenen Schwächen zu überschreiten und nicht gegen andere Menschen anzutreten. Daher weiß ich nicht, ob die Vendée das Richtige für mich ist. Das GGR habe ich mit voller Begeisterung mitgemacht, doch die Vendée wäre ja noch ein deutlicher Schritt weiter zum Wettkampf. Aber wer weiß? Vielleicht werde ich jetzt ein halbes Jahr nicht segeln und dann plötzlich Appetit bekommen.
Ich möchte zurück nach Südafrika und meine Familie wiedersehen, speziell auf meinen Vater und meine Hunde freue ich mich. Ich habe eine Ecke da unten, die für mich wie das Paradies ist: die ursprüngliche Küstenlinie von Transkei. Es gibt fast nichts Schöneres, als einige Tage mit meinen Hunden diese traumhaft schöne wie auch wilde Küste zu bewandern. Wild zelten mit Lagerfeuer und dabei Sterne gucken.