Die Enthüllung der neuen “Gitana 18” hat in der zu Ende gehenden Woche in Frankreich und weltweit ein riesiges Echo hervorgerufen. Die 32-Meter-Gigantin und Nachfolgerin von “Gitana 17” soll den Segelsport und Rekordfahrten in eine neue Dimension katapultieren. Dafür haben ihre Designer – Guillaume Verdier und das Gitana-Design-Team – über Jahre gearbeitet. An den insgesamt 50.000 Forschungs- und 200.000 Baustunden war auch der künftige Skipper Charles Caudrelier intensiv beteiligt.
Der in Paris geborene 51-Jährige gilt in der Segelwelt lange schon als einer der ganz Großen, auch wenn er ein Mann der leisen Töne ist. Als Offizier der Handelsmarine durchgestartet, fiel Charles Caudrelier erstmals 2004 mit seinem Sieg im Solitaire du Figaro auf. 2009 und 2013 glänzte er mit Siegen im Transat Jacques Vabre. 2011/2012 gewann er als Wachführer auf der französischen “Groupama 4” mit dem Volvo Ocean Race erstmals das bekannteste Mannschaftsrennen um die Welt.
2014/2015 führte Charles Caudrelier bei der Folgeauflage sein eigenes Donfeng Race Team ins Rennen. Sie wurden Dritte, aber Caudrelier tat, was er stets tut: Kommen, lernen, engagieren und an die Spitze vorrücken. 2017/2018 führte er das Dongfeng Race Team bei seinem dritten Ocean-Race-Einsatz als Skipper zum Sieg.
2019 wechselte Charles Caudrelier als Skipper in den Gitana-Rennstall, wurde zum Gesicht auf dem ersten fliegenden Maxi-Offshore-Trimaran “Maxi Edmond de Rothschild”, auch bekannt als “Gitana 17”. Geboren, um das Foiling auf Langstrecken zu etablieren und zu perfektionieren, trieben Charles Caudrelier, Co-Skipper Franck Cammas und der Gitana-Rennstall die Entwicklung des von Guillaume Verdier entwickelten Trimarans voran. Er war der erste seiner Art, der vollständig auf Foils flog. Im Februar 2024 gewann Charles Caudrelier die erste Ultim-Regatta um die Welt auf “Gitanan 17”. Die Segelwelt verneigte sich. Dazu ein Clip mit Gänsehaut-Potenzial.
Nun hat “Gitana 17” mit “Gitana 18” eine noch potentere Nachfolgerin bekommen. Der neue “Maxi Edmond de Rothschild” fasziniert nicht nur die Segelwelt, sondern regt national und international zu Träumen von Vollzeitflug-Weltumrundungen und neuen Rekorden an. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beschrieb die Segelrakete “Made in France” nach ihrer Enthüllung am 3. Dezember als “französische Leistung, ausgeführt von außergwöhnlichen Ingenieuren, Seeleuten und Handwerkern.”
Emmanuel Macron notierte in einer Instagram-Botschaft unter der Überschrift “In Lorient enthüllt Frankreich die ‘Gitana 18’: den ersten voll fliegenden Maxi-Trimaran” zur Leistung des Gitana-Rennstalls und aller Mitwirkenden: “Stolz auf unseren maritimen Sektor. Stolz auf Frankreich, das innoviert, schafft und ständig die Grenzen ausreizt.”
Das passte gut zum Stolz des Gitana-Teams selbst, der am Tag der Enthüllung von “Gitana 18” – dem insgesamt 28. Boot in der Geschichte des französischen Rennstalls – überall im Teamhauptquartier in der Rue de Sous-Marin Venus in Lorients Offshore-Wiege La Base auf elektrisierende Weise zu spüren war. Ariane de Rothschild und ihr Rennstall haben in der Entwicklung und beim Bau hart gearbeitet, um ihre neue Botschafterin französischer Offshore-Segelkunst präsentieren zu können. Hier ist die ultimative Ultim in der 3D-Animation zu sehen.
Ihr Skipper – solo oder mit Team – wird Charles Caudrelier sein, wenn “Gitana 18” ab Januar zu Wasser geht. Caudrelier war intensiv involviert in die Prozesse der Evolution und teilweise auch der Revolution bei der Entstehung des neuen “Maxi Edmond de Rothschild”. “Ich liebe es, intensiv involviert zu sein”, sagte Charles Caudrelier bei der Präsentation in Lorient.
Ich habe die letzten zwei Jahre nicht gesegelt, weil ich 99 Prozent meiner Zeit mit dem Team gearbeitet habe.” Charles Caudrelier
Weiter erzählte Charles Caudrelier: “Manchmal habe ich nur zugehört und beobachtet. Aber der große Unterschied zwischen vorher (Red.: gemeint ist die Arbeit mit “Gitana 17”) und jetzt ist, dass wir nun einen Simulator haben. Wir haben zwei Boote und den Simulator. Wir haben Stunden und Stunden insbesondere damit verbracht, dieses Boot am Computer zu segeln. Die Designer haben anhand unseres Feedbacks wirklich vieles im Foiling-Design verändert. Das war sehr interessant und hat wirklich das Design verändert.”
Es wird das erste Mal sein, dass ich ein neues Boot segle, aber schon endlose Stunden am Computer darauf gesegelt bin.” Charles Caudrelier
Caudrelier inspiriert die Möglichkeit des Fliegens über die Meere massiv. “Das war vor zehn Jahren so noch nicht denkbar”, sagt der Ultim-Bändiger. Und auch dies: “Für mich ist es das perfekte Boot. Mit diesem Boot segelst du 30 Knoten am Wind, auch in mehr Seegang. Die meiste Zeit ist es das pure Vergnügen.” Gleichzeitig weiß Charles Caudrelier so gut wie sein Team, dass noch harte Arbeit vor ihnen liegt, weil ein so außergewöhnlicher Neubau “mindesten drei Jahre an Weiterentwicklung und Optimierungsprozessen vor sich habe”, bis etwa ein Jules-Verne-Rekordversuch möglich sei, sao Caudrelier.
Caudreliers Hoffnung: “Ich hoffe, es kommen keine ungeplanten Überraschungen dazwischen, so dass wir lernen können, das Boot zu segeln.” Natürlich sei der Jules-Verne-Rekord “eines der Hauptziele für dieses Boot”, aber er könne sich kaum vorstellen, diesen Anlauf vor 2029 zu nehmen. Inzwischen ist der von Francis Joyons “Idec Sport” Anfang 2017 mit 40 Tagen, 23 Stunden, 30 Minuten und 30 Sekunden aufgestellte Jules-Verne-Rekord für die schnellste Nonstop-Weltumseglung einer Mannschaft unter Segeln schon bald neun Jahre alt. Es wird optimale Wetterfenster brauchen, um die Bestmarke zu schlagen.
Es ist möglich, den Rekord zu brechen. Aber das war auch mit ‘Gitana 17’ möglich.” Charles Caudrelier
Vor seinem Team verbeugt sich Charles Caudrelier tief, sagt: “Was wir getan haben, ist wirklich unglaublich. Wir sind nur 25 Leute. Das ist kein großes Team im Vergleich zum America’s Cup oder zur Formel 1, wenn du die Größe des Bootes und all die Innovationen betrachtest. Deswegen habe ich Riesenrespekt für das Team. Ich bin sehr stolz aufs Team und darauf, wa wir erreicht haben. Aber im Moment haben wir natürlich noch keine Ahnung, ob es funktionieren wird. Es ist eine riesige Herausforderung, die jetzt auf die Segler des Bootes zukommt, es zu Höchstleistungen und zu seinem maximalen Potenzial anzutreiben.”
Als erste Regatta hat das Team die Route du Rhum mit Start am 1. November 2026 ins Auge gefasst. Das sei schon “eine Herausforderung für diese Art von Boot”, sagte Charles Caudrelier der YACHT im ausführlichen Gespräch in Lorient. Im Segelsport habe man als Formel 1 zwar den America’s Cup, doch offshore sei nichts mit der “Gitana 18” vergleichbar. Das Boot stehe für “Perfektionierung” im Offshore-Bereich. Technik-Direktor Pierre Tissier nimmt an und hofft, dass “Gitana 18” “vielleicht in zwei Jahren 90 Prozent ihres Potenzials erreichen kann”.
Wie Charles Caudrelier das Verhältnis zwischen sich selbst als Solosegler und der gigantischen, 32 Meter langen Maschine sieht? “Für mich ist das Solosegeln schon immer etwas Natürliches. Ich habe mich nie gefragt, ob es möglich ist oder nicht. Ja, es ist möglich! Das Segeln eines solchen Bootes basiert auf Antzipation, darauf, über das nächste Manöver nachzudenken. Das Boot immer wieder vorzubereiten und genügend zu schlafen. Für mich ist es das Gleiche wie das Segeln auf einem kleinen Boot.”
Pierre Tissier beschreibt Charles Caudrelier als “Skipper der alten Schule, der wie ein Skipper der neuen Generation arbeitet.” Diese neue Generation von Skippern seien “wirklich sportliche Typen, Ingenieure und Sportler, die Abenteuer mögen”. Tissier sagte: “Charles ist von der alten Schule, hat aber das alles in sich. Er ist jeden Tag in der Base, verbringt seine Zeit mit dem Design-Team und den Technikern. Er gibt uns alles, was er kann. Damit wir besser verstehen, wie es ist, wenn er alleine segelt. Er war in jede Design-Entscheidung involviert. Er hat während der Studien mit uns gelernt, ist mit seinen Ideen zu uns gekommen.”
Charles Caudrlier ist wirklich Teil des Spiels.” Pierre Tissier
Caudrelier selbst erinnert sich daran, als er erstmals auf eine Ultim gestiegen sei. Da war ihm der Ultim-Tri noch riesig vorgekommen. Doch das habe sich geändert: “Du passt dich daran an.” Diese unaufgeregte Anpassungsfähigkeit von Charles Caudrelier zählt zu seinen größten Stärken. Rennstallbesitzerin Ariane de Rothschild verneigte sich in Lorient tief vor den Fähigkeiten des Mannes, der sich dem Projekt “Gitana 18” mit Haut und Haaren verschrieben hat. Sie sagte: “Ich halte ihn für einen supertalentierten Segler – und auch für einen sehr bescheidenen Menschen. Diese Eigenschaft findet man bei Spitzensportlern nicht immer.”
Doch wenn man sich selbst auf die Probe stelle und ein Boot baue, ja sogar bei Null anfange und sage: „Okay, fangen wir noch einmal von vorne an und überdenken wir alles“, müsse man wirklich bescheiden sein. “Und das”, so Ariane de Rothschild, “muss vor allem auch dein Skipper sein, denn sein Beitrag ist sehr, sehr wertvoll. Er spürt das Boot. Man kann nicht einfach denken, dass es nur eine Frage der Mathematik oder der Zahlen ist. Er ist es, der das Boot benutzt.”
Ariane de Rothschild verglich Charles Caudreliers Fähigkeiten mit denen eines der bekanntesten Sportler der Welt und sagte: “Wenn ich einen Vergleich anstellen müsste, würde ich an Michael Schumacher denken, den ich kennengelernt habe. Es war seine Bescheidenheit, die ihn zu einem so großartigen Rennfahrer gemacht hat. Es stimmt, dass Ferrari mit Jean Todt einen unglaublichen Manager hatte, aber Michael war ein außergewöhnlicher Athlet, weil er immer wertvolles Feedback gab.”
Michael Schumacher, so Ariane de Rothschild, habe sie als “einen unglaublich bescheidenen Menschen” kennengelernt, “der immer zum Bau der Autos beigetragen” habe. “Er war auch ein äußerst neugieriger Mensch. Immer mit dem Gedanken: ‘Wie kann ich die kleinen Dinge verbessern, um das Auto viel besser zu machen?’ Ich denke, Charles hat genau diese Denkweise.”