Tatjana Pokorny
· 23.06.2018
Charles Caudreliers Team hat den Finalkrimi mit einem meisterlichen Schachzug gewonnen – Carolijn Brouwer lässt holländische Herzen höher schlagen
Die Schreie an Bord kamen mit dem Kreuzen der Ziellinie. Erlöst ließen Skipper Charles Caudrelier und seine Mitsegler ihren Emotionen freien Lauf, reckten immer wieder die Fäuste in den Himmer über Den Haag, umarmten sich und schrien wieder. Das Dongfeng Race Team hat die knapp 1000 Seemeilen lange elfte Etappe des Volvo Ocean Race gewonnen (es war der erste Etappensieg des Rennens für die "Roten") und damit den ganz großen Traum wahr gemacht: den Sieg im 13. Volvo Ocean Race!
Eine mutige Entscheidung hat Dongfeng den Triumph auf dieser umkämpften Etappe beschert, während der jedes der drei noch für den Gesamtsieg in Frage kommenden Boote mindestens einmal führte. Am Samstagabend hatten sich Charles Caudrelier und sein Navigator Pascal Bidégorry für einen Kurs zwischen Küste und einigen Sperrgebieten entschieden und sich dafür von der Flotte getrennt. Zunächst fiel Dongfeng deswegen zurück – so sehr, dass in den sozialen Netzwerken schnell die Frage "Selbstmord oder genialer Schachzug?" kursierte. Am Sonntagmorgen aber zeigten die ersten Hochrechnungen schon wieder, dass die Top-Boote alle binnen weniger Minuten über die Ziellinie gehen würden. Dennoch erlebte die Konkurrenz das Wiederauftauchen von Dongfeng fast als unwirklich. AkzoNobels Wachführer Nicolai Sehested sagte: "Die kamen wie aus dem Nichts und haben das Rennen gemacht." Um 17.22 Uhr war das Dongfeng-Meisterstück perfekt.
Schöner Dongfeng-Clip, der schon im März entstand, das Team und seine Träume gut vorstellt
Platz zwei sicherte sich Xabí Fernandez spanisches Team Mapfre mit Etappen-Rang drei hinter dem holländischen Team AkzoNobel, was Hunderttausenden Fans auf dem Wasser und im Hafen von Den Haag Glücksmomente bescherte. Xabí Fernandez sagte: "Wir waren nah dran und haben ein gutes Rennen bestritten. Wir gratulieren dem Dongfeng Race Team zum Sieg."
Großer Verlierer dieser erneut spektakulär spannenden Schluss-Etappe mit Positionswechseln an der Spitze bis fast ins Ziel ist Bouwe Bekkings Team Brunel. Statt der erhofften Siegerparty im Heimatland und dem ersehnten Gesamtsieg gab es für Bekkings Team nach zwischenzeitlicher Führung noch am Mittag des Finaltags eine eiskalte Dreifach-Dusche. Die "Gelben" mussten sich mit Etappen-Rang vier und Platz drei im Abschlussklassement begnügen. Es ist Bekkings dritter dritte Platz in 33 Jahren. Dreimal war er Zweiter. Der Sieg ist ihm auch dieses Mal verwehrt geblieben, obwohl er am Tag der Entscheidung zwischenzeitlich eine Hand am Pokal hatte. Das ist bitter für Bekking, auch wenn er im Ziel ein starker Geschlagener war und dem Dongfeng Race Team zum "verdienten Sieg" fair gratulierte.
Zu den Gewinnern am historischen Finaltag zählte aber zur Freude der Gastgeber immerhin eine "fliegende" Holländerin, die in Den Haag frenetisch gefeiert wurde: Steuerfrau und Trimmerin Carolijn Brouwer ist neben Marie Riou und Justine Mettraux eine von drei Frauen, die mit dem Dongfeng Race Team um die Welt segelten und zum Sieg beitrugen. Eine neue Regel hatte die Mannschaften bei dieser Auflage ermutigt, Frauen in ihre Crews aufzunehmen. Die 44-jährige Brouwer zählte bei ihrer dritten Runde um die Welt zu den wenigen Seglerinnen im Rennen, die alle Etappen bestritten hat; an Bord von Dongfeng war sie die Einzige. Die dreimalige Weltumseglerin, Olympia-Teilnehmerin und Mutter eines Sohnes hatte schon vor dem Rennen den Gesamtsieg als Ziel genannt und sagte nach dem Triumph: "Das Rennen war eine emotionale Achterbahn. Dass ich es als erste Frau mitgewinnen konnte, ist unglaublich und macht mich sehr stolz."
Keinen Sieger gab es übrigens im Kampf um die "Triple-Krone": Weder Peter Burling noch Blair Tuke – gemeinsam Olympiasieger im 49er und America's-Cup-Gewinner mit dem Emirates Team New Zealand – konnten mit ihren Teams Brunel und Mapfre den Dreifach-Erfolg perfekt machen. Diese und viele weitere Herausforderungen bleiben den Seglern für die 14. Auflage des Rennens, das von seinen Eignern schon bald einen neuen Namen erhalten wird.