Vor zwei Wochen noch hat Franck Cammas das französische Team im SailGP in Saint-Tropez begleitet. Dort wachte Frankreichs hochintelligenter und multitalentierter Vordenker über den Einsatz von Quentin Delapierre, Kevin Pepponet und ihre Les Bleus. Eine Woche später war der vielseitige Monsieur Cammas bei der ersten Vorregatta zum America’s Cup als Chef der Leistungsabteilung mit dem französischen Orient Express vor Vilanova i la Geltrú gefordert.
Wieder eine Woche später hat Franck Cammas nun an der Seite von “Charal”-Skipper Jérémie Beyou gleich bei seiner ersten Teilnahme das 48-Stunden-Rennen Le Défi Azimut gewonnen. Das “Charal”-Duo erreichte die Ziellinie am Samstag noch vor dem Morgengrauen nach nur 1 Tag, 17 Stunden, 46 Minuten und 43 Sekunden. So schnell hatten die Franzosen den 600-Seemeilen-Atlantikkurs von und nach Lorient absolviert.
Die Flotte wurde bei unbeständigen Wind- und Seebedingungen, unterbrochen von unzähligen Sturmböen, divers geprüft. Beyou und Cammas mussten sich strecken, um die nachdrängende starke Konkurrenz in Schach zu halten. Charlie Dalin und Pascal Bidégorry, die im spannenden Kampf um den Sieg zwischenzeitlich sogar führten, erreichten das Ziel auf “Macif – Santé Prévoyance” am Ende 1 Stunde und 48 Minuten nach den Siegern.
Jedes Mal, wenn wir merkten, dass wir ein bisschen aus dem Takt waren, konnten wir wieder aufholen” (Jérémie Beyou)
Wiederum eine knappe halbe Stunde später machten Sam Goodchild und Thomas Ruyant auf “For the Planet” das Podium voll. Sie hatten Dalin und Bidégorry erst im Endspurt vorbeiziehen lassen müssen. Yoann Richomme und Yann Eliès verpassten die Podestplätze mit der neuen Rakete “Paprec Arkéa” als Vierte mit einer guten Stunde Rückstand auf “For the Planet”.
Im Start- und Zielhafen Lorient sagte Sieger Jérémie Beyou zum Rennverlauf: “Wir haben einen guten Start hingelegt. Dann haben wir uns in einem Haufen Seegras verfangen und mussten das Foil hochziehen. Es war ein tolles Gefühl, uns danach wieder durch die Flotte zu kämpfen. Der Vorwindabschnitt war nicht schlecht. Wir haben ein paar kleine Fehler gemacht, aber jedes Mal, wenn wir merkten, dass wir ein bisschen aus dem Takt waren, konnten wir wieder aufholen.”
Es ist beruhigend, vorne zu liegen. Es bedeutet, dass wir im Bereich Speed auf dem richtigen Weg sind” (Franck Cammas)
Zur Leistungsstärke der Flotte mit den neuen und den im Ocean Race optimierten Imocas aus dem vergangenen Jahr sagte Jérémie Beyou: “Das Niveau in der Flotte ist unglaublich hoch. Wenn man solche intensiven Rennen gewinnt, ist das schon etwas Besonderes. Psychologisch fühlt es sich gut an. Es war besonders schön, mit Franck zu segeln, der als Défi-Azimut-Rookie dabei war.”
Franck Cammas fasste seine Défi-Azimut-Premiere so zusammen: “Alles war ziemlich kompliziert in den heftigen Brechern. Es war sehr unruhig. Gestern Nachmittag gerieten wir in eine weitere 40-Knoten-Böe, mit der wir nicht gerechnet hatten. Es ist beruhigend, vorne zu liegen. Es bedeutet, dass wir in Bezug auf den Speed auf dem richtigen Weg sind. Wir haben keinen sehr guten Reach gesegelt, aber auf allen anderen Abschnitten waren wir definitiv gut. Vor allem am Ende, als ‘Macif’ versucht hat, an uns dranzubleiben, aber schließlich nicht mehr so schnell war. Taktisch haben wir nicht allzu viele dumme Fehler gemacht.”
Darüber hinaus verwies Franck Cammas auf die Segelausbildung, die sowohl Jérémie Beyou als auch er selbst genossen haben: “Jérémie und ich liegen auf einer Wellenlänge. Wir sind beide in Port-La-Forêt ausgebildet worden. Wir haben die gleiche Denkweise.”
Wir sind mit unserem Rennen zufrieden. Es war intensiv und interessant” (Charlie Dalin)
Beim Ausblick auf das Transat Jacques Vabre ab 29. Oktober, wo die Imocas beim Satz über den Atlantik gefordert sind, sagte Franck Cammas: “Es ist nicht das gleiche Rennen. Es wird sehr lang sein – mit einigen Tagen im Passatwind. Zumindest hoffe ich, dass es so laufen wird. Wir werden sehen, wie sich andere Boote bewähren, aber ich hoffe, dass wir mitmischen werden. Das ist durchaus möglich, denn wir haben uns dieses Jahr wirklich gesteigert.”
Auch die zweitplatzierten “Macif – Santé Prévoyance”-Co-Skipper Charlie Dalin und Pascal Bidégorry zogen insgesamt positiv Bilanz. Skipper Dalin, Zweiter der Vendée Globe 2020/2021 und einer der Favoriten für die nächste Auflage der Solo-Regatta um die Welt, sagte: “Einige Abschnitte waren sehr schnell, vor allem auf dem Vorwindkurs. In dieser Phase haben wir gute Leistungen erbracht. Wir sind mit unserem Rennen zufrieden. Es war intensiv und interessant. Auf den ersten Blick ist an Bord des Bootes alles in Ordnung, auch wenn wir Phasen hatten, in denen es sehr hart zuging. Die Struktur scheint auf dem Niveau zu sein, die wir erwartet haben.”
Wir haben ziemlich genau das gefunden, was wir gesucht haben” (Yoann Richomme)
Nicht sehr enttäuscht waren Yoann Richomme und Boris Herrmanns ehemaliger Ocean-Race-Mitstreiter Yann Eliès darüber, dass sie das Podium mit “Paprec Arkéa” verpasst haben. Richomme sagte: “Wir haben das Rennen in den Top Fünf beendet. Das war unser Ziel. Wir haben die gute Leistung des Bootes vor allem in der rauen See erlebt. Wir haben ziemlich genau das gefunden, was wir gesucht haben.”
Konkreter sagte Richomme über sein neues Koch-Finot-Conq-Design: “Es ging ruppig zu, aber das war genau das, was wir als Test vor dem Transat Jacques Vabre gebraucht haben. Und um uns ein wenig zu beruhigen, was die Designkriterien des Bootes angeht. Sie sind sehr stark auf Vorwind bei rauer See ausgerichtet. Wir wissen, dass unser Boot in der Lage ist, diese Ziele zu erfüllen.”
Boris Herrmann und Will Harris kamen nach “Initiatives – Cœur” mit Samantha Davies und Ocean-Race-Sieger Jack Bouttell sowie “Teamwork.net” mit der zweimaligen Ocean-Race-Siegerin Justine Mettraux und Julien Villion als Siebte ins Ziel. 82 Tage nach dem Showdown beim Ocean Race in Genua waren der 42-jährige Hamburger und sein britischer Co-Skipper erstmals wieder im Regattaeinsatz.
Den Défi-Azimut-Kurs absolvierten Herrmann und Harris in 2 Tagen, 2 Stunden, 52 Minuten und 56 Sekunden, kamen in den zuletzt stark abflauenden Winden gut neun Stunden nach den Siegern ins Ziel. Dabei verwies Team Malizia Maxime Sorel und ihren Ocean-Race-Mitstreiter Christopher Pratt auf “V and B – Monbana – Mayenne” auf Platz acht. Als letzte beiden Boote der Top Ten wurden danach Romain Attanasio und Lois Berrehar auf der Ex-”Malizia” “Fortinet – Best Western” und Clarisse Crémer mit Alan Roberts auf “L’occitane En Provence” im Ziel erwartet.
Bei der Zweihand-Prüfung mit 34 Imocas wäre eine noch bessere Platzierung für die Crew der “Malizia – Seaexplorer” drin gewesen. Ein Navigationsfehler verhinderte den Einzug des deutsch-britischen Duos in die Top Fünf, wie Boris Herrmann schon während des Rennens am Freitag berichtet hatte: “Wir sind an einem Wegpunkt vorbeigesegelt, weil es kurz vor dem Start eine Wegpunktänderung gab, die wir nicht mitbekommen haben. Unser Fehler. Schade, weil wir sonst jetzt da wären, wo Initiatives Cœur ist.”
Kurz zuvor hatten Nicolas Troussell und Benjamin Schwartz Mastbruch auf ihrer “Corum L`Épargne” vermeldet. Für Skipper Troussell war es nach dem Mastbruch in der Vendée Globe am 16. November 2020 der nächste schwere Rückschlag.
Wir freuen uns aufs Transat Jacques Vabre” (Will Harris)
Direkt nach dem Zieldurchgang sagte Team Malizias Co-Skipper Will Harris: “Wir waren sehr zufrieden mit unserem Speed. Wir haben nur ein paar Fehler gemacht, weshalb wir ein bisschen zurückgefallen sind und mit der zweiten Gruppe der Finisher ins Ziel kamen. Es gibt ein paar Dinge, an denen wir bis zum TJV arbeiten können.”
Das Rennen selbst haben Boris Herrmann und Will Harris als extrem vielfältig erlebt, wie der Brite berichtet: “Es fühlte sich wirklich gut an, wieder im Rennen zu sein. Es war ein sehr schönes Rennen mit einer riesigen Bandbreite an Bedingungen. Wir haben ein bisschen Southern-Ocean-Bedingungen mit großen Wellen erlebt, auch Passatwinde mit Sturmböen. Am Ende aber auch ein sehr flaues Finale. Jetzt freuen wir uns auf das Transat Jacques Vabre.”
Im Pech war bei seiner Azimut-Premiere der Kieler Segler Andreas Baden. Er musste das Rennen mit seinem Skipper Fabrice Amedeo auf “Nexans – Art & Fênetres” schon nach der ersten Nacht aufgeben, weil sich eine Inspektionsklappe geöffnet hatte und die Crew einen schweren Wassereinbruch erlebte. Das Team konnte die Lage aber unter Kontrolle bringen und aus eigener Kraft nach Lorient zurückkehren.
Das Team wollte mit Blick aufs Transat Jacques Vabre kein Risiko eingehen, hat das Rennen deshalb trotz Reparatur auf See aufgegeben. Andreas Baden sagte: “Wir hatten nach schlechtem Start gerade wieder einige Boote einholen können. Aber so ist es im Leben. Wir arbeiten heute am Boot und sind Sonntag zu den Runs hoffentlich wieder auf dem Wasser.