Clipper Round the World Race“Diese Erfahrung bleibt”

YACHT-Redaktion

 · 10.08.2024

Die 23 Meter langen Einheitsyachten absolvieren pro Runde um die Welt 40.000 Seemeilen und laufen sechs Kontinente an
Foto: Tiger Brisius/16 Degrees South/Clipper Race
Jedermann-Abenteuer Clipper Round the World Race: um die Erde in Etappen mit großer Crew auf Einheitsyachten als zahlender Mitsegler. Ein Teilnehmer berichtet von seinem Erlebnis

Während sich der 23-jährige Co-Skipper mit hochgeschlagenen Beinen auf dem Salonsitz lümmelt, Video­spiele auf dem Mobiltelefon daddelt und Kartoffelchips in sich reinstopft, rutscht der pensionierte Chefarzt einer angesehenen US-amerikanischen Privatklinik auf den Knien vor ihm herum und wischt mit einem alten Schwamm den Toilettenboden. Keine außergewöhnliche Szene auf einer Yacht im Clipper Round the World Race. Wer ausreichend Zeit und finanzielle Mittel aufbringt, kann auch als Amateur die Welt in einer zusammengewürfelten Crew auf einer der 70 Fuß großen Einheitsklasseyachten umsegeln. Ich nahm als Freizeitsegler an fünf der acht Etappen des Rennens teil.

Etappe 1: Portsmouth–Cadiz; Cadiz–Punta del Este (7.386 sm)

Nach zwei Jahren Wartezeit und vier Wochen Training, in dem auch die Crewzusammenstellung für die elf Yachten ermittelt wurde, ging es am 3. September 2023 los. Nach gelungenem Start mit leichtem Rückenwind unter Spinnaker wechselte der achterliche Wind nördlich der Biskaya auf Amwind und bescherte der frischen Crew die erste Feuertaufe: Viele Mitsegler wurden seekrank und waren durch das eingeführte Wachsystem (6-6-4-4-4) übermüdet. Morgens um drei Uhr wurde ich geweckt und auf das Vordeck geschickt: Auf dem Bugkorb hockend und von Wellen überspült, befestigte ich die Reiter des schweren Vorsegels am Vorstag. Ein erster Vorgeschmack auf die nächsten zehn Monate.

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Am fünften Tag um 2.20 Uhr wurde MOB ausgerufen! Ein Mitsegler war von einer Welle erfasst und über Bord gespült worden. Zum Glück war er angeleint und konnte von unserer Skipperin Hannah wieder an Bord gehievt werden. Durch das warme Wasser und die schnelle Rettungsaktion entstanden keine gesundheitlichen Schäden. 500 Seemeilen vor dem Ziel Cadiz wurde das erste Rennen wegen anhaltender Flaute abgebrochen und endete für uns auf Platz sieben. Nach der ersten Woche stiegen bereits zwei Mitsegler aus.

Obwohl wir als letztes Boot über die Linie fuhren, war es ein spannender zweiter Rennstart. Wir passierten Marokko und die Kanaren, während wir in den auffrischenden Passatwinden segelten. Dramatisch wurde es, als sich der Spinnaker bei einem nächtlichen Steuerwechsel um das Vorstag wickelte, woraufhin der Erste Maat drei Stunden in den Mast musste, um das riesige Segel zu befreien. In der Nähe der Doldrums erlaubte eine Sonderregelung die Nutzung des Motors für fünf Breitengrade wegen einer langen Flaute. Am 30. September überquerten wir schließlich den Äquator, worauf eine kleine Zeremonie folgte.

Vier Tage vor dem Ziel brach ich mir zwei Rippen, als ich ausrutschte und auf einen Grinder fiel. Kurz darauf riss die Kette, welche die beiden Ruder miteinander verbindet. Die Reparatur kostete uns mehrere Stunden und einige Plätze. Nach langwierigem Aufkreuzen erreichten wir am 14. Oktober das Ziel Punta del Este in Uruguay und schlossen das Rennen auf Platz acht ab.

An das Leben an Bord gewöhnt man sich. Platz ist kostbar, deswegen wird „Hot Bunking“ praktiziert; zwei Segler teilen sich eine Koje. Mit Pech bekommt man eine der beiden oberen, deren Nutzung nicht anspruchslos ist: Zum Besteigen der über zwei Meter hohen Koje klettert man eine glatte Wand hoch. Das Essen auf unserem Boot war gut, wurde aber je nach Wetterbedingung entsprechend angepasst: Im Extremfall isst man verkochte Nudeln mit Glutamat-starrer Tütensoße aus stählernen Hundenäpfen, während der Sitznachbar sich lautstark in einen Plastik­eimer übergibt. Auch die sanitären Anlagen sind gewöhnungsbedürftig: Man wäscht sich mit Salzwasser, eine Dusche gibt es nicht, und die Kloschüsseln sind so winzig, dass sie bei starker Krängung zum Überschwappen neigen.

Etappe 3: Kapstadt–Fremantle (5.548 sm)

Nach dem Start mit 25 bis 30 Knoten Gegenwind folgte eine nächtliche Flaute. Der Wind frischte allerdings bald auf, und da wir uns auf Kurs Südost befanden, wurden die Nächte bald kälter. Am 22. November gelangten wir zu den Roaring Forties und schwenkten zwei Tage später auf Position 45°31’00S wieder gen Ostnordost ein, da wir die virtuelle Eisgrenze erreichten. Die Nächte wurden mit zwei bis drei Grad bitterkalt, und die Windstärken stiegen in den kommenden Tagen auf bis zu 45 Knoten an. Eine Woche lang fuhren wir nur auf Steuerbordbug unter identischen Bedingungen.

Erst Anfang Dezember wurde es etwas wärmer, als wir aus den Roaring Forties herauskamen. Es folgten Flauten und steifer Gegenwind, am 15. Dezember liefen wir in Fremantle auf Platz zehn ein.

Etappe 4: Fremantle–Newcastle; Newcastle– Airlie Beach (4.175sm)

Der Rennstart verlief unspektakulär auf Raumschotkurs unter Spinnaker und wurde von einer Flaute abgelöst. Wenig später verzeichneten wir 25 Knoten Gegenwind, was erneut zu anhaltender Seekrankheit bei frischen Crewmitgliedern führte.

Schließlich brach der Decksbolzen des inneren Vorstags. Die Reparatur dauerte acht Stunden und warf uns auf den letzten Platz zurück. Am 25. Dezember feierten wir Weihnachten an Bord, mit einem aus Schinken, Kartoffeln und Gemüse bestehenden Menü. Als während unserer Aufholjagd die Yacht „Punta del Este“ am Horizont auftauchte, traf der Erste Maat eine völlig irrationale Entscheidung: Bei 25 bis 30 Knoten sollte der Spinnaker aufgezogen werden. Die übermüdete Crew mühte sich, aber der Wind war für das leichte Segel zu stark. Beim von viel Geschrei begleiteten Bergen dauerte es rund zwei Stunden, bis das Segel schließlich unter Deck war.

Am 30., auf Höhe Tasmanien, erreichte ich am Steuer das erste Mal mehr als 20 Knoten Geschwindigkeit. In der Silvesternacht feierte die Crew mit nullprozentigem Gin Tonic. Bei einem Segelwechsel kurz vor dem Ziel wurden wir derart von Wellen überspült, dass der Modus der Sportuhr eines Mitseglers von „Sailing“ auf „Open Water Swimming“ umsprang. Am 5. Januar erreichten wir das Ziel, wieder auf Platz zehn.

Der Start zum Teilstück nach Airlie Beach war spektakulär: Durch den engen Vorhafen rauschten die elf Yachten nur wenige Meter aneinander vorbei. Wegen eines Windlochs fielen wir in den nächsten Tagen auf den sechsten Platz zurück, konnten uns aber erneut auf den dritten vorarbeiten. Die Yacht „Our Isles and Oceans“ blieb für einige Tage vor uns in Sichtweite. Rund zehn Meilen vor dem Ziel segelte sie in eine Gewitterbö, die ihren Spinnaker in Stücke riss. Dadurch konnten wir uns auf den zweiten Platz vorarbeiten; der erste und bis dato einzige Podiumsplatz von unserem Team Washington, DC.

Dass eine Ozeanüberquerung auf einer Rennyacht erschöpfend ist, wurde vielen Teilnehmern erst spät bewusst. Entsprechend hoch waren auch die Ausfallraten. Etliche Mitsegler gaben meist aus gesundheitlichen Gründen auf. Als es auf unserem Boot über den Pazifik ging, fehlten von den angekündigten 21 Teilnehmern insgesamt acht. Das erhöhte zwar den Stress, allerdings auch den Spaßfaktor: Mit nur fünf Leuten pro Wache eine Rennyacht dieser Größe unter so extremen Bedingungen zu segeln ist eine Herausforderung.

Etappe 6: Zhuhai–Qingdao; Qingdao–Seattle (8.157 sm)

Am 11. März bestieg ich die Yacht erneut im chinesischen Zhuhai. Nach gelungenem Start segelten wir zunächst auf Spitzenposition. Bei starkem Gegenwind ging es mehrere Tage hart gegen Wind und Welle an. Am 16. März umschifften wir Taiwan und fielen wegen eines Windlochs auf den letzten Platz zurück. Zwei Tage später nahm der Wind von drei auf 25 Knoten zu. Ein an Deck gelagertes Vorsegel führte bei Starkwind zu einem Abknicken der Bugreling, was alle Segelwechsel gefährlicher machte. Das Ziel erreichten wir schließlich auf dem letzten Platz des ersten Teilstücks.

Der Start zum zweiten Rennen dieser Etappe gestaltete sich durch Nebel und Flaute surreal, da wir die anderen Boote nicht sahen. In den nächsten Tagen passierten wir Japan bei besseren Windverhältnissen. Am Ende der ersten Woche segelten wir durch ein Sturmtief mit Windstärken bis 63 Knoten. Der Versuch, von Reff 1 auf Reff 2 zu wechseln, schlug fehl, da das Groß zu stark gegen den Mast gedrückt wurde. Trotzdem fuhren wir bei knapp 50 Knoten Windstärke eine Halse, was widerspiegelt, wie mutig und selbstbewusst unsere Skipperin Hannah auch mit äußerst rauen Bedingungen umzugehen wusste.

Die folgenden Tage waren geprägt durch zunehmende Kälte sowie ständige Wind- und Segelwechsel. Etwa in der Mitte des Pazifiks riss uns der Spinnaker Code 3 bei einem Sonnenschuss. Unsere Segelexpertin benötigte acht Tage unter Deck an der Nähmaschine, um das an drei Stellen gerissene Segel zu reparieren. Am 14. April überquerten wir die International Dateline und erlebten diesen Sonntag zweimal. In den folgenden Tagen halsten wir mehrfach bei 40 Knoten Windstärke. Bei Regenschauer und Gewitterbö brach nachts erneut die Ruderkette, während uns die Yacht „PSP-Logistics“ nur wenige Meter hinter dem Heck überholte.

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Nach 30 Tagen auf See erreichten wir schließlich die Ziellinie. Es wurde ein spannendes Finish: Mit einem Vorsprung von nur 400 Metern vor der Yacht „Dare to Lead“ konnten wir Platz neun verteidigen. Acht der insgesamt elf Yachten überquerten innerhalb von nur 42 Minuten die Ziellinie. Bei einem Rennen von mehr als 6.000 Seemeilen und 30 Tagen zeigt dieses Ergebnis, wie wenig seglerische Unterschiede zwischen den Yachten, den Crews und den Skippern herrschten.

Etappe 7: Seattle–Panama City; Panama City–Washington, DC

Nach gelungenem Start ging es auf harten Amwind-Kurs. Nach drei Tagen passierten wir San Francisco und waren raumschots mit Spi unterwegs, als uns eine Bö den Code 3 erneut zerfetzte. Diesmal dauerte die Reparatur sechs Tage. In der Folge halsten wir nach Süden bei mehr als 40 Knoten Wind, wobei ich meinen persönlichen Geschwindigkeitsrekord von 21,3 Knoten am Steuer erreichte. Entlang der Küste Mexikos nahm der Wind ab und die Hitze zu. In den Doldrums angekommen, erwarteten uns brütende Hitze und zahlreiche Flauten. Die Rennleitung legte fünf Ziellinien im Abstand von je 250 Seemeilen vor Panama fest und brach das Rennen an der zweiten Ziellinie schließlich wegen Flaute ab. Platz zehn.

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Am 6. Juni legten wir für die Durchfahrt des Panamakanals ab. Diese fand mit drei nebeneinander gebundenen Yachten statt. Es war interessant, aber nicht atemberaubend, da wir durch die sechs alten Schleusen gelotst wurden, die nicht viel größer sind als die des Nord-Ostsee-Kanals. Am nächsten Tag um zwölf Uhr ging es wieder Richtung Norden. Da wir für das Rennen den Joker gezogen hatten (doppelte Punktzahl), durften pro Wache nur die vier besten Segler ans Steuer. Nach drei Tagen frischte der Wind von null auf über 50 Knoten auf, bis wir in der Spitze 56 Knoten erreichten. Wir gelangten ans Ziel am 16. Juni um 22 Uhr auf Platz neun.

Mein persönliches Fazit

Das Clipper-Rennen ist ein unvergessliches Erlebnis. Mein Abenteuer dauerte zehn Monate, in denen ich viel erlebt und gelernt habe, unter anderen das Segeln mit asymmetrischen Spinnakern. Ich verlor jeglichen Respekt vor Windstärken unter sieben und erfuhr, dass man auch bei mehr als 40 Knoten Wind noch reffen, halsen und Vorsegel wechseln kann. Dennoch, was Clipper nach außen verkauft, ist nicht zwangsläufig das, was man als Kunde erhält. Dazu sind die Boote unter Deck in zu schlechtem Zustand. Dennoch würde ich die Erfahrungen, Bekanntschaften und Erlebnisse nicht missen wollen. Auf die Frage, ob ich es noch mal machen würde, kann ich mit einem entschiedenen „Nein“ antworten, was der Meinung fast aller meiner Mitsegler entspricht. Ob ich es bereue, so viel Zeit und Geld investiert zu haben? Auf gar keinen Fall. Diese Erfahrung bleibt mir für den Rest des Lebens, und ich bin glücklich, sie gemacht zu haben.

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