Das war knapp. Wie ein Mahnmal rauscht die unbeleuchtete Kardinaltonne in der Dunkelheit an der Bordwand vorbei, ebenso schnell, wie sie in Sicht gekommen ist, und kurz darauf ist sie im aufgewühlten Kielwasser auch schon wieder verschwunden. Noch zwei massive Schatten sind anschließend in der Nähe der Tonne auszumachen, die Segel von Konkurrenten, die ebenfalls Bredgrund Süd runden, um nach einer anspruchsvollen Kreuz durch die zunehmend aufgewühlte See endlich abzufallen und Kurs auf die dänische Insel Lyø zu nehmen.
Es ist Samstagmorgen, irgendwann zwischen ein und zwei Uhr, an Bord eines hölzernen Knarrbootes. Im Rahmen der Nachtregatta „The Run“ geht es auf einer rund 60 Seemeilen langen Bahn von der Flensburger Außenförde nach Aabenraa, wo die Classic Week beginnt. Ein Treffen von mehr als 200 traditionell gebauten Yachten, offenen Booten und Jollen, zu dem der Freundeskreis Klassische Yachten nach 2006, 2010, 2014 und 2019 zum fünften Mal geladen hat. Der Auftakt ist dunkel, kalt und ungemütlich.
Am Abend hatte die Szenerie noch gänzlich anders ausgesehen. Entgegen allen Vorhersagen dümpelte das Feld nach einem sonnigen Freitagnachmittag in bleierner Flaute vor dem Start, und fast wie von Zauberhand schob ein plötzlich aufkommender Lufthauch die Boote über die imaginäre Linie, um sich auf einmal wieder zu verflüchtigen. Für zwei Stunden drehten sie sich anschließend wie auf einem Spiegel um die eigene Achse, bis mit der Dunkelheit endlich der Wind kam, immer mehr, und das auch noch von vorn.
Die Untiefentonne ist buchstäblich der Wendepunkt dieser Langstrecke. Die Schoten werden seufzend aufgefiert, der Vorschoter kann sich auf der schmalen Koje unter Deck lang machen, und auch am Ruder wird es ohne die an der Kreuz erforderliche Konzentration auf Höhe und Geschwindigkeit deutlich entspannter.
Die Gedanken sind voller Vorfreude auf das Zusammentreffen so vieler Klassiker und ihrer Crews. Das Programm der Classic Week verspricht ein einmaliges Erlebnis. Von Aabenraa wird es nach Dyvig, Høruphav, Kappeln und Kiel gehen, wo das traditionelle Rendezvous der Klassiker zur Kieler Woche den Abschluss der festivalartigen Großveranstaltung bildet.
Bis dahin werden zahlreiche Regatten und ein buntes Landprogramm geboten, von Vorträgen über Sicherheit und Wetter bis hin zu touristischen und kulinarischen Landausflügen. Und allabendlich soll gemeinsam gegessen und gefeiert werden.
Die Nachtregatta The Run findet im Gegensatz zur Classic Week jährlich statt. Seit 2015 führt sie als Sternfahrt von den vier Starts Fehmarn, Kiel, Schlei und Flensburg zum Ziel. Das war bisher Svendborg, in diesem Jahr ist der Aabenraa Sejl Club Gastgeber. Und erstmals ist mit Juelsminde auch ein Startpunkt in Dänemark eingeplant.
Als Lyø irgendwann nach 3 Uhr morgens in Sicht kommt, ist es schon wieder hell. Der Wetterbericht ist zutreffender als am Vorabend. SE 3–4, Böen 5–6 hatte er vorhergesagt, der ebenfalls prognostizierte Regen bleibt jedoch zum Glück noch aus.
Der Knarr prescht mit Rumpfgeschwindigkeit dahin. Das offene Kielboot aus Norwegen wurde nach dem Schiffstyp Knorr der Wikinger bezeichnet, gilt aber yachthistorisch als Synthese aus Folkeboot und Drachen. Dank seiner Abmessungen – Knarrboote sind 9,28 Meter lang und nur 2,12 Meter breit – sieht es Letzterem aber ähnlicher. Auf der Classic Week werden noch weitere sechs Schwesterschiffe erwartet.
In Lee kommt ein orange-weißer Spi in Sicht und immer näher. Auf dem Knarr ist die Fock ausgebaumt, ein Raumwindsegel kennt die Klasse nicht. Der Spi gehört zur 7,5-KR-Yacht „Capella“, die auch in Flensburg gestartet ist und jetzt von Skipper Björn Both und seiner ambitionierten Crew mit mächtig Druck durch die See gejagt wird und ein tolles Bild abgibt. Die Vorfreude steigt, und die Seemeilen bis zum Ziel werden zusehends weniger.
Als der Spi querab Helnæs an der letzten Wendemarke geborgen werden muss, ist „Capella“ schon recht klein geworden. Von der Tonne geht es mit Kurs Westsüdwest die letzten 18 Seemeilen zum Ziel. Dort angekommen, setzt pünktlich der angesagte Regen ein, begleitet von heftigen Schauerböen, die dieses Finale in Szene setzen, als wäre es der letzte Akt einer Wagner-Oper.
In Aabenraa herrscht trotz Dauerregen munteres Treiben. Seit den frühen Morgenstunden laufen die Teilnehmer der Regatta ein – von Fehmarn sind zehn, von Kiel 21, von der Schlei 20 und von Flensburg elf Yachten ins Ziel gelaufen – die übrigen Teilnehmer der Classic Week sind schon vorher auf eigenem Kiel oder mit dem Trailer angereist oder tun es im Laufe dieses Samstages bis zur offiziellen Eröffnung am Abend.
Das innere Hafenbecken vor dem Haus des örtlichen Segelclubs ist schon jetzt bis in den letzten Winkel besetzt von Holzbooten, doch der Kran hievt immer noch weitere ins Wasser, begleitet von den Klängen einer einer Combo, die im Festzelt Dixieland spielt.
Die Nummernschilder der Trailergespanne verraten, dass viele Teilnehmer von weit her angereist sind. Der Münchner Felix Kempf zum Beispiel. Gemeinsam mit seinem Mitsegler Siggi Klingenstein hat der Mittfünfziger seine 5-mR-Yacht „Jeni“ vom Starnberger See hergefahren und freut sich auf das Segelfest und die anstehenden Regatten. „Wir haben das Boot schon vor ein paar Tagen in Flensburg eingekrant und aufgetakelt“, sagt Kempf. Von dort sind sie dann unter Segeln angereist.
„Mehr als die Hälfte der gemeldeten Boote sind kleiner als acht Meter“, verkündet Jens Burmester vom Organisationsteam des Freundeskreises am Abend in seiner Begrüßungsansprache und wertet das als großen Erfolg. „Wir müssen uns verjüngen. Daher wollten wir gezielt den Nachwuchs für die Klassikerszene ansprechen, und das haben wir erreicht.“ Vom Zwölf-Fuß-Dinghy bis zum großen Zwölfer sei alles vertreten, was die Klassikerszene zu bieten habe.
Die ist in der Ausschreibung klar definiert. Laut der sind „alle Yachten in handwerklicher Bauweise und Jollen aus Klassen, die bis Ende der 1960er Jahre entstanden sind“ zugelassen, „soweit sie aus traditionellen Materialien wie Holz, Stahl, Alu und ähnlichen hergestellt wurden. Hinzu kommen Nachbauten in klassischer Bauweise.“
Für die Jollensegler wurde mit der „Ryvar“ eigens ein Schlafschiff gechartert. Der 26 Meter lange Heringslogger ist während der gesamten Classic Week dabei, beherbergt auch das Regattabüro und dient als Transportschiff für alles, was die Veranstalter jeweils vor Ort brauchen.
Auch Bürgermeister Jan Riber Jacobsen heißt die Teilnehmer willkommen. Es sei das größte Treffen seiner Art, was es in ganz Dänemark jemals gegeben habe, so Jacobsen, und passe als solches wunderbar zur maritimen Kultur seiner Stadt. Der Aabenraa Sejl Club hat aus dem Gastspiel der Klassiker gar ein Hafenfest gemacht und mit zahlreichen Ehrenamtlern unterstützt.
Die Preisverleihung am Abend nach dem obligatorischen Essen im Festzelt ist eher Nebensache, sie betrifft ja auch nur einen kleinen Teil der Anwesenden. Anders hingegen die Besprechung der Steuerleute am Sonntagmorgen.
Auf dem Programm steht die erste gemeinsame Segelei, eine Regatta in die Genner-Bucht, rund Barsø, durch den Als-Fjord in die Dyvig und eine Geschwaderfahrt direkt dorthin. Während der Regen laut auf das Festzelt prasselt, bedanken sich die Freundeskreisler beim örtlichen Segelclub für die Gastfreundschaft und erklären den Teilnehmern, wie sie auslaufen und dabei im Kielwasser der hier beheimateten „Najaden“, eines frisch restaurierten, gaffelgetakelten Schärenkreuzers von 1920, entlang der Promenade paradieren sollen – ein Wunsch der Stadt.
Natürlich geht es schief. Es ist schon aufregend genug, unbeschadet mit 200 Kleinodien gleichzeitig vor den Augen zahlreicher Schaulustiger aus dem Hafen zu schippern. Vor dessen Einfahrt geht es auf den Booten unmittelbar an die Startvorbereitungen, für viele sind die Wettfahrten die Hauptsache hier, da machen Klassikersegler keine Ausnahme.
Gestartet wird in sechs Gruppen, auf die 13 Wertungsgruppen verteilt sind. Die Großen kommen zuerst. In Startgruppe eins sind Hochseeyachten wie „Germania VI“ von der Krupp-Stiftung oder „Peter von Seestermühe“ vertreten, die drei Zwölfer „Anitra“, „Anita“ und „Sphinx“ sowie mehrere große Kreuzeryachten. In der zweiten starten KR-Yachten, Schärenkreuzer und artverwandte Boote, in der dritten kleinere Seekreuzer und offene Boote wie der Knarr. In Startgruppe vier sind Spitzgatter und Jollenkreuzer vereint, in der fünften sind die rund 30 Folkeboote als eigene Wertungsgruppe unter sich. Die sechste Startgruppe gehört den kleinen Klassikern. Von Hansajollen über Piraten sowie Renn- und Wanderjollen bis hin zu den kleinen Zwölf-Fuß-Dinghys.
Bevor der erste Start erfolgt, wuseln alle umeinander her. Ein einmaliges Bild, zumal der Regen aufgehört hat und die Sonne hinter den Wolken hervorgekommen ist. Für Eigner und Crews aber ist das Getümmel in erster Linie eine Nervenprobe. Anders als die zahlreichen Beobachter an Land genießen sie weniger den Anblick, sondern achten darauf, sich auszuweichen, und haben das Startschiff im Blick.
Nach und nach geht es auf die Bahn. Ein traumhafter Kurs entlang der malerischen Küstenlandschaft Sønderjyllands erwartet die Flotte. Die Regenwolken haben sich verzogen, es scheint die Sonne, der Wind weht mäßig aus südlichen Richtungen. Auf dem Weg in die Genner-Bucht reizt das Regattafieber viele, um abzukürzen dichter unter Land zu gehen, als die Kartenlage es nahelegt. Auch die imaginäre Wendemarke nördlich Barsø ist ungewöhnlich für eine Wettfahrt, doch Proteste sind ohnehin nicht üblich auf der Classic Week.
Eine taktisch anspruchsvolle Kreuz beendet den Tag. Es gilt, die unterschiedlichen Strömungs- und Seegangsverhältnisse zu kalkulieren und gute Entscheidungen über die einzelnen Schläge zu treffen, bevor es in der Dyvig über die Ziellinie geht, die dicht unter Land liegt, wo es für die großen Yachten eng wird und so bis zuletzt aufregend bleibt.
Der Weg nach Hørup wird zwei Tage später ein ähnlich spannendes Rennen. Da nur wenig Wind aus westlichen Richtungen zu erwarten ist, streicht die Wettfahrtleitung die rund 50 Seemeilen lange Bahn für die großen Yachten östlich um Als herum. Stattdessen geht es für alle durch den Als-Sund, für die ersten drei Startgruppen ist noch ein Abstecher bis kurz vor Augustenborg vorgesehen.
Dort angekommen, wird die Flauten-Kreuzerei zurück zum Als-Sund bei starkem Strom gegenan zur Nervenprobe. Im Sund schließlich ist die Wettfahrt ein reines Glücksspiel. Ab und an regt sich ein Lüftchen über einem Pulk von wenigen Booten, und sie ziehen, wie von Elektromotoren heimlich angetrieben, in Lee an den anderen vorbei, dann wieder ist es andersherum.
Nach Zieldurchlauf kurz vor dem Zeitlimit und Brückenpassage Sønderborg ist Hørup bald erreicht. Es beginnt das am Morgen bei der Steuermannsbesprechung in Dyvig angekündigte Puzzlespiel. Denn während Hafenbetreiber Bengt Larson dort seine gesamte Steganlage zur Verfügung stellen konnte, sind die Klassiker hier zu Gast im laufenden Betrieb des Vereinshafens.
Die Klassiker sind jeweils zwei Übernachtungen vor Ort. In Dyvig war der zweite Tag des Aufenthalts diversen Vorträgen zum Thema Sicherheit und Wetterkunde gewidmet. Wer die nicht hören wollte, konnte an Wanderungen und geführten Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten der Region teilnehmen.
In Hørup findet am Mittwoch eine Expertenrunde zu holzbootsbauerischen Themen statt. Außerdem ist eine Tageswettfahrt vorgesehen, die für die großen Yachten bis in die Flensburger Innenförde, für die kleineren nach Langballigau führen und die Kleinsten auf Up-and-down-Kursen segeln lassen soll.
Wieder tummeln sich alle gemeinsam am Start, wo die Gruppen zeitversetzt in zehnminütigen Abständen auf ihre Bahn geschickt werden. Die großen Yachten der ersten Gruppe werden wegen mehrerer Frühstarts zurückgerufen und müssen ein zweites Mal starten. Das verzögert auch alle nachfolgenden Starts.
Doch irgendwann sind alle auf dem Kurs, und selbst die ganz Kleinen kämpfen sich munter durch die sonnenbeschienene, kabbelige Welle.
Im Hafen ist manch eine Crew damit beschäftigt, sich heute einfach nur auszuruhen. An Bord der „Ariel“ aus Wedel etwa sitzen Carsten Maerz und sein Skipper Hans Roland Heller im schmalen Cockpit und klönen mit dem Nachbarn. Dass Heller es heute ruhig angehen lässt, kann ihm keiner verdenken. Mit 92 Jahren ist er der älteste Teilnehmer unter den Eignern, auch wenn das nicht glauben mag, wer ihn beobachtet und nicht kennt.
Das Gründungsmitglied des Freundeskreises Klassische Yachten erwarb die im Jahr 1950 bei Abeking und Rasmussen als erste in Deutschland gebaute 6-KR-Yacht schon 1968 – vor 55 Jahren. Damals erregte der 9,62 Meter lange und dabei nur 2,26 Meter breite Seekreuzer durchaus Aufsehen, als Heller mit dem für damalige Verhältnisse veritablen Fahrtenschiff auf der Elbe aufkreuzte.
Gemeinsam mit seiner Frau segelte er mehr als 50.000 Seemeilen zusammen, bis sie vor rund zehn Jahren ohne ihn auf ihre letzte Reise ging. „Ich musste ihr aber versprechen, das Schiff nicht zu verkaufen“, so Heller, der mit einem verschmitzten Lächeln darüber klagt, dass sich seine seither angeheuerten Mitsegler meist schon im jugendlichen Alter von 80 Jahren in den seglerischen Ruhestand verabschiedet haben.
Sein Freund und Mitsegler Maerz hingegen ist erst Mitte fünfzig und sorgt im Frühjahr und während der Saison dafür, dass „Arielle“ und ihr Skipper flott bleiben. Der mag besonders die entspannte Atmosphäre der Classic Week. Heller kann das beurteilen, er war auf allen dabei. „Man kann alles mitmachen, muss aber nicht“, sagt der bekennende Tourensegler, der nur wenig Regattasilber, dafür aber „haufenweise Fahrtenpreise“ für Törns bis nach Finnland in der Vitrine zu Hause gesammelt hat.
Ein paar Schiffe weiter haben die Münchener Felix Kempf und Siggi Klingenstein ihre Polster zum Trocknen auf den Steg gelegt. Die 5-mR-Yacht „Jeni“ wurde gegen Ende des Tages, wie alle anderen Teilnehmer, von stark auffrischendem Wind gebeutelt. Die beiden strahlen trotzdem, und auf die Frage, was bisher am besten gefallen hat, sprudeln die Erlebnisse. Für Kempf sind es vor allem die Begegnungen mit Menschen, die er hier wiedergesehen hat oder aus der Szene kannte, aber aufgrund der Entfernung nie persönlich treffen konnte.
Auch Michael Thönnessen und Mitsegler Stefan Ernst Schneider genießen vor allem die Atmosphäre der ehrenamtlich organisierten und durchgeführten Non-Profit-Veranstaltung. Dass dabei nicht alles perfekt ist, kleinere Pannen auftreten, sei gerade sympathisch. Die beiden sitzen in der Plicht von Thönnessens „Agena“ in der Sonne und erzählen, wie sehr sie den Austausch mit anderen Klassiker-Fans hier genießen.
Beide sind mit Booten großgeworden, beide haben aus ihrer Passion einen Beruf gemacht. Thönnessen etwa gründete 1981 in Hamburg den Schiffsausrüster Toplicht, der seit zwei Jahren von seiner Tochter Gesa geführt wird, die auch die Classic Week unterstützt. Als Mitbegründer des Museumshafens Oevelgönne war Thönnessen lange in der Traditionsseglerszene zu Hause. Seine 1967 bei De Dood gebaute 5,5-KR-Yacht erwarb er vor 15 Jahren als leicht händelbares Familienschiff und näherte sich fortan auch der Klassikerszene.
Der Wind hat kräftig zugelegt. Pünktlich zum obligatorischen Abendprogramm mit Buffet, Preisverleihung und Livemusik sind auch die großen Yachten wieder im kleinen Høruphav angekommen. Gesprächsthema Nummer eins ist die angesagte Flaute am Donnerstag, denn da soll es nach Kappeln gehen.
Mit Hellwerden laufen die Ersten aus, Regatta hin oder her. Die Startreihenfolge wird heute umgekehrt. Die Kleinen dürfen zuerst auf die Bahn, damit sie von den Großen in Schlepp genommen werden können, wenn die nach Abbruch der Wettfahrt unter Motor aufkommen.
Bis Mittags treiben dann auch alle im Öl. Die Sonne brennt hernieder, und manch einer springt über Bord, um sich abzukühlen. Auf Kanal 15 sagt eine Crew nach der anderen ab, um rechtzeitig zum Abendprogramm in Kappeln zu sein. Wer nicht absagt – viele sind es nicht –, bekommt nach Ablauf des Zeitlimits Besuch vom Begleitboot des Sponsors Pantaenius. „Ihr könnt nach Hause fahren, das Ziel ist abgebaut!“ kommt es herüber, doch da es wie zum Hohn angefangen hat zu wehen, geht es mit dem Knarr unter Segeln noch bis zur Schleimündung.
Am nächsten Tag sieht es besser aus. Während die großen vor Schleimünde eine Bahn absegeln, sind die kleineren Yachten zwischen Arnis und Lindaunis auf der Schlei unterwegs, und die Windrichtung macht aus dem Kurs eine echte Up-and-down-Wettfahrt. Die Kreuz ist nicht ganz einfach, enge Stellen im Fahrwasser, Untiefen am Rand und ein großes Feld am Start lassen manch einen Teilnehmer vergessen, dass er eigentlich nur zum Spaß angereist ist.
Auch in Kappeln ist der örtliche Segelclub als Gastgeber mit im Boot. Ehrenamtliche Helfer sind zur Stelle, und der Clubhafen steht den Klassikern zur Verfügung. Deren Crews haben beim Festmachen mit den starken Strömungsverhältnissen zu kämpfen. „Nehmt euch Zeit, Leinenarbeit geht immer vor Motorkraft“ lautet es in den Regeln für ein harmonisches Miteinander auf der Internetseite der Veranstaltung.
Dort ist alles zu finden, was die Teilnehmer brauchen. Neben Programm, Segelanweisungen und Bahnkarten auch nähere Informationen über Rating, Startgruppen und Wertungsgruppen. Die Teilnehmer konnten schon lange vor der Veranstaltung hier Poloshirts bestellen, und es gab auch schon lange vorab eine Rubrik mit tagesaktuellen Nachrichten.
Daneben gibt es eine Gruppe im Messenger Signal, der sich jeder anschließen kann. Von gesperrten WC-Häuschen über Mitfahrgelegenheiten bis hin zu Wetterberichten und Terminänderungen des Programmablaufs ist dort Kommunikation in Echtzeit möglich, wovon reichlich Gebrauch gemacht wird.
All das vorzubereiten hat 27 Monate gedauert, erzählt Jens Burmester vom Freundeskreis Klassische Yachten. Sein Kern-Team bestand aus vier Mitstreitern, die diese Großveranstaltung für – in Spitzenzeiten – 540 Menschen ehrenamtlich in ihrer Freizeit organisiert haben.
„Was nebenbei lief, war mir besonders wichtig“, sagt Burmester auf die Frage nach einem Resümee. Und er meint damit, dass neben dem Segeln etwa so hochkarätige Veranstaltungen angeboten werden konnten wie die Seminare in Dyvig und in Høruphav, wo es um Wetterkunde, Sicherheit und Holz als Bootsbaumaterial ging.
Doch jeder Event ist irgendwann zu Ende. Bevor es am Samstag bei frischem bis starkem Wind auf den Weg nach Kiel gehen kann, ist von der gesamten Flotte die Brücke zu passieren. Auf der Steuermannsbesprechung wird zu Umsicht und Eile gemahnt. Und dazu, die motorlosen Boote zu schleppen.
Es ist der letzte Schlepp für sie auf dieser Classic Week. In einem fulminanten Finale rauscht das gesamte Geschwader nach Kiel und feiert ein letztes Mal zusammen. An historischem Ort. Im alten Olympiahafen liegen die Boote beieinander, manch eines von ihnen wird hier schon als Neubau auf der Kieler Woche zu Gast gewesen sein.
Vielleicht waren die Crews dann ebenso im Kieler Yacht-Club wie heute, da der Abschluss des Klassikerfestivals gebührend gefeiert und ein letztes Mal Preise vergeben werden.