Tatjana Pokorny
· 09.01.2024
Nur knapp 27 Seemeilen trennten die ersten fünf der insgesamt sechs Ultim-Gigantinnen am Dienstagvormittag auf ihrem Kurs nach Süden. Das Tempo hatte den ganzen Montag über kaum nachgelassen, obwohl die Riesen-Foiler in der Anfangsphase der Arkea Ultim Challenge ein Tiefdruckgebiet mit sehr unregelmäßigen Winden durchquerten.
Während Außenseiter Eric Péron mit “Adagio” deutlich zurückfiel, konnte die führende Fünfergruppe über Nacht weiter Tempo machen. Nun gilt es, eine windarme Zone zu umfahren, bevor sich die Skipper auf die Bewältigung des Tiefs am späten Mittwochnachmittag konzentrieren können.
Wir haben den Eindruck, an einem Drei-Tage-Rennen teilzunehmen, obwohl wir eine Weltumsegelung bestreiten” (Anthony Marchand)
Atemlos geht es bei 35 Grad Nord weiter in Richtung Äquator. Das Rennen hat die Intensität einer dreitägigen Figaro-Etappe. “Wir sind immer noch überrascht über das Tempo seit gestern”, sagte Rennleiter Guillaume Rottée. Die Akteure bestätigen den Eindruck. “Acutal Ultim 3”-Skipper Anthony Marchand sagte: “Wir haben den Eindruck, dass wir an einem Drei-Tage-Rennen teilnehmen, obwohl wir eine Weltumrundung bestreiten.”
Nach der Tiefdruck-Passage am Vortag, wo es die Ultim-Bändiger bei dieser historischen Premiere der Arkea Ultim Challenge mit sehr unregelmäßigen Winden zu tun hatten, kam der Druck in der Nacht auf Dienstag zurück. Dabei ist der Rückstand von Éric Péron auf “Adagio” stark angewachsen. Die ersten fünf Boote wetteifern dagegen in einer Halsenserie um die besten Positionen.
“Sie versuchen aktuell, eine Hochdruckblase im Westen zu umgehen”, erklärte Guillaume Rottée. “Die Idee ist es, am Rand der Blase zu bleiben, nicht zu weit nach Westen zu fahren, um nicht in eine windstille Zone zu geraten ... Das zwingt sie dazu, ein bisschen zu manövrieren.” Die Aufgabe ist vergleichbar mit dem Zusammensetzen eines komplizierten Puzzles.
Jede Entscheidung kann große Auswirkungen haben, zumal die Abstände der führenden Boote zueinander so gering sind. Am Vormittag des 9. Januar führte “Maxi Edmond de Rothschild” gegen 11 Uhr mit knapp acht Seemeilen Vorsprung vor “Actual Ultim 3”, auf der Anthony Marchand den neuen Booten in dieser frühen Phase mit der ehemaligen “Macif” aus dem Jahr 2015 erstaunlich gut Paroli bietet.
Es folgten am Dienstagmorgen mit knapp acht Seemeilen Rückstand auf Gitana-Frontmann Charles Caudrelier die leichtfüßige “SVR Lazartige” mit Tom Laperche, dann erst Thomas Covilles “Sodebo Ultim 3” und Armel Le Cléac’h auf “Banque Populaire XI” mit 27 Seemeilen Rückstand.
Ab drittem Tag gilt es, das nahende Tiefdruckgebiet bestmöglich zu bewältigen. Das Tief zieht sich sehr weit nach Süden, bis zu den Kapverden. Guillaume Rottee erklärt: “Ab Mittwochabend wird es mit dem Durchqueren einer Front, Winden um die 40 Knoten und Wellen von vier bis sechs Metern schwieriger werden. In den Routing-Zentralen sind alle damit beschäftigt, die besten Optionen festzulegen. Die Router arbeiten an den Dossiers. Sie wissen alle, dass sie jede kleine Winddrehung maximal ausnutzen müssen, um ein paar Meilen auf die anderen aufzuholen ...”
Bis jetzt ist es ein schönes Rennen, bei dem man sich gegenseitig überholt” (Armel Le Cléac’h)
Mit diesen Aufgaben hat das Schachspiel auf dem “Brett der Weltmeere” längst begonnen. Auf See zog “Banque Populaire XI”-Skipper Armel Le Cléac’h zwei Tage nach dem Start eine erste Zwischenbilanz des historischen Rennens in seiner Anfangsphase: “Es ist eine positive Bilanz seit dem Start. Wir hatten eine gute Show, keine technischen Probleme. Bis jetzt ist es ein schönes Rennen, bei dem man sich gegenseitig überholt.”
Dem Solo-Rennen um die Welt tut die gelungene Eröffnung gut. Armel Le Cléac’h sagte: “Es ist ein gutes Rennen, wenn man sich gegenseitig in die Quere kommt. Es gab viele Halsen, Segelwechsel und es geht ziemlich schnell. Der Rhythmus lässt nicht nach. Wir alle beginnen, uns zurechtzufinden. Es ist wichtig, nicht abgehängt zu werden. Es ist nicht unmöglich, dass es (Red.: in Abhängigkeit der Winde) Neustarts im Rennen gibt. Da muss man gut positioniert sein, um davon zu profitieren.”
Die Routinen setzen ein, und es läuft nicht schlecht. Das hilft, die Emotionen des Starts zu überwinden” (Armel Le Céac’h)
Die Ultim-Herausforderer haben es in diesen Tagen mit eher ungewöhnlichen Windbedingungen zu tun. Armel Le Cléac’h erklärt: “Die Passatwinde sind überhaupt nicht in Position, es kommt ein großes Tiefdruckgebiet ... Es wird kompliziert, wir gehen Schritt für Schritt vor. Wir arbeiten intensiv mit dem Routing in Lorient. An Bord fühle ich mich immer besser. Es kommen immer wieder Emotionen hoch, weil wir nicht zu einem Training aufgebrochen sind. Aber die Routinen setzen ein, und es läuft nicht schlecht. Das hilft, die Emotionen des Starts zu überwinden.”
Éric Péron vermeldete seine ersten Renneindrücke vom Ende der Flotte: “Meine ersten Stunden im Rennen verliefen gut. Es war nicht zu anspruchsvoll, aber es gab viele Manöver. In der ersten Nacht war ich wegen der Frachtschiffe etwas gestresst, zumal ich ein kleines Problem mit meinem Computer hatte. Gestern mussten wir mit einer kleinen, nicht ganz einfachen Regenfront und einem etwas ungnädigen Meer zurechtkommen.”
Ich bin etwas abgehängt und kann bei diesem Tempo nicht mithalten” (Éric Peyron)
Weiter berichtete Éric Péron, der die frühere “Sodebo Ultim” von Thomas Coville segelt, deren Rumpf auf der 22 Jahre alten “Geronimo” von Olivier de Kersauson besteht: “Im Moment liegen die fünf Konkurrenten vorn sehr dicht beieinander. Ich bin etwas abgehängt und kann bei diesem Tempo nicht mithalten. Doch ich versuche, alles richtig zu machen. Aber man überlegt es sich zweimal, bevor man ein Segel wechselt oder ein Manöver durchführt. Die Anstrengung ist jedes Mal beträchtlich, und man muss sich schonen, um das Tempo halten zu können.”
Das kommende Tief ist ein kleiner Brocken, der mir nicht so gut gefällt” (Éric Péron)
Der 42-Jährige aus Quimper sagte: “Im Moment ist es ziemlich stabil, ich werde versuchen zu essen und zu schlafen. In den nächsten Stunden wird wahrscheinlich ein Segel gesetzt. Das kommende Tief ist ein kleiner Brocken, der mir nicht so gut gefällt, vor allem wegen des zu erwartenden Seegangs. Noch sind die Winde mild, aber wir fangen schon an, es zu spüren. Wir werden unser Bestes geben, um einen Kurs zu finden, der uns entspricht."