Vendée GlobeVollendung nach vier Jahren – der verdiente Triumph des Charlie Dalin

Tatjana Pokorny

 · 14.01.2025

Hier hat er es geschafft: Charlie Dalin ist als Sieger der 10. Vendée Globe am Ziel seiner Träume und Arbeit.
Foto: Jean-Louis Carli/Alea/VG2024
Fast vier Jahre musste Charlie Dalin auf diesen Moment warten. Vier Jahre, nachdem er die Vendée-Globe-Ziellinie am 27. Januar 2021 schon einmal als Erster überquert und doch nicht gewonnen hatte, ist er jetzt endlich am Ziel. Mit Fabelrekord hat der 40-jährige Franzose die zehnte Jubiläumsauflage gewonnen. Dafür feiern sie ihn im Zielhafen Les Sables-d’Olonne!

Er kam an einem klirrend kalten Morgen bei rotgoldenem Sonnenaufgang ins Ziel. Da hatte er, wie er selbst festhielt, die wohl kälteste Nacht seines gesamten Rennens um die Welt gerade hinter sich. Doch dann wärmten ihn die Umarmungen seiner Liebsten und der Fanjubel schon beim Zieldurchgang: Charlie Dalin hat das Rennen seines Lebens bestritten und die Vendée Globe gewonnen. Der Dominator dieser zehnten Jubiläumsauflage, dem alleine der am Nachmittag folgende Yoann Richomme bis zuletzt hatte Paroli bieten können, hat die Welt in 64 Tagen, 19 Stunden, 22 Minuten und 49 Sekunden nonstop und solo umsegelt – ein neuer Vendée-Globe-Fabelrekord!

Spiel, Satz um die Welt, Sieg: Charlie Dalin

Die alte Bestmarke von seinem Landsmann Armel Le Cléac’h (“Banque Populaire VIII”) hat Charlie Dalin mit seiner Meisterleistung pulverisiert. Er hat sie um 9 Tage, 8 Stunden, 12 Minuten und 57 Sekunden unterboten. Der neue Rekord könnte dank Ausnahmeskipper, des schnellen und vom studierten Yachtdesigner Dalin mitgestalteten Guillaume-Verdier-Designs “Macif Santé Prévoyance” sowie eines großartigen Teams und der insgesamt günstigen Wind- und Wetterbedingungen lange Zeit Bestand haben.

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Bedankt hat sich Charlie Dalin bei seinem Team, den Fans, den Veranstaltern und auch bei Dauerrivale Yoann Richomme: “Ohne ihn wäre der Rekord so nicht möglich gewesen.” Kurz nach dem Zieldurchgang sagte Charlie Dalin: “Ich bin heute der glücklichste Mann der Welt.”

Ich habe lange gewartet auf diese Vendée Globe, tatsächlich seit dem 28. Januar 2021.” Charlie Dalin

Nie zuvor ist ein Segler mit einer solchen Entschlossenheit in eine Vendée Globe gestartet wie Charlie Dalin. Er wollte nichts als den Triumph, der ihm bei seiner Premiere vor vier Jahren so unglücklich verwehrt geblieben war. Und er hat ihn bekommen. Die Nacht vom 27. auf den 28. Januar 2021 wird er nie vergessen. Der ihm damals entrissene Premierenerfolg hat ihn 1448 Tage begleitet, angetrieben, motiviert und um die Welt gepeitscht.

Schon damals hatte Dalin die Ziellinie am 27. Januar an einem ebenfalls eisigen Abend um 19.35 Uhr als Erster gekreuzt. Doch den Sieg feierte knapp acht Stunden später um 3.19 Uhr morgens am 28. Januar ein anderer: Yannick Bestaven. Beflügelt wurde Bestaven dabei von einer Zeitgutschrift über zehn Stunden und 15 Minuten, die ihm die Jury – wie in ähnlicher Form weiteren Skippern, darunter auch Boris Herrmann – für seine Beteiligung an der Rettungsaktion für Kevin Escoffier zugesprochen hatte.

Vendée Globe: massives Happy End

Yannick Bestaven hatte sich nach stark bestrittenem Rennen mit seinem „Joker“ noch an Dalin vorbeikatapultiert. Damit ließ der Landsmann die Königskrönung des Vendée-Globe-Prinzen Charlie Dalin in der Winternacht im Januar 2021 platzen. Dalin fehlten nach den Entscheidungen am Grünen Tisch berechnet rund zweieinhalb Stunden zum Sieg. Damals noch mit “Apivia” im Einsatz, reagierte der Vendée-Globe-Zweite nach außen ruhig und fair, kontrollierte seine Emotionen gut.

In seinem Inneren aber quälte er sich danach lange: „Ich wachte nachts auf, um die Minuten zu finden, die mir fehlten.“ Er blieb bis zum seinem zweiten Vendée-Globe-Start der Jäger, aber auch ein Getriebener der Ereignisse von einst. Jetzt hat er den im ersten Anlauf geplatzten Triumph beim zweiten Solo um die Welt vollendet. Es gibt kaum jemanden, der das dem Skipper der “Macif Santé Prévoyance” nicht gönnt.

Das Segelteam von Maître Coq zieht den Hut vor dir.” Yannick Bestaven

Einer der ersten Glückwünsche kam von See, von Yannick Bestaven. Der schrieb bei LinkedIn unter der Überschrift "Ein Titel für einen Champion – VG24 #65": "Ich habe es Dir vor vier Jahren gesagt, jetzt ist es wahr geworden… Was für ein Rennen, was für ein Seemann! Herzlichen Glückwunsch an Dich und Dein ganzes Team, das ist so verdient! Genieße den Moment und wer weiß, vielleicht wirst du 2028 wieder auf Eroberungsfeldzug gehen, die Zukunft wird es zeigen! Inzwischen bleiben uns noch ein paar Wochen auf See… Lasst uns das Ende dieses Abenteuers teilen." Bestaven segelt das Rennen nach seiner Aufgabe außerhalb der Konkurrenz zu Ende.

Charlie Dalin war der Leuchtturm, der Dominator und verdiente Sieger dieser zehnten Jubiläumsauflage der Vendée Globe. Er hat das alle vier Stunden aktualisierte Klassement insgesamt 254 Male angeführt. Sein Verfolger Yoann Richomme war ihm mit 76 Führungen am nächsten gekommen. Sam Goodchild, der auch am 65. Renntag der Vendée Globe knapp 2900 Seemeilen entfernt von Les Sables-d’Olonne so leidenschaftlich mit Jérémie Beyou um Platz vier kämpfte, kam auf 24 Führungen.

Ein Segelstar aus einer Nichtsegler-Familie

Am Ende konnte auch der über weite Strecken ebenbürtige Dauerrivale Yoann Richomme nur an Dalins selbst gezimmerten Thron rütteln, die formidable Leistungsschau des in Le Havre großgewordenen Siegers aber nicht stoppen. Charlie Dalin feiert den größten Erfolg seiner Karriere, die 1992 mit einem Feriensegelkurs vor der bretonischen Halbinsel Crozon begonnen hatte. Dort hatten die Großeltern ein Ferienhaus für die Familie gemietet, in der es Sportler, aber bis dahin noch keine Segler gab.

Bis Mutter Christine ihren neugierigen Sohn zu einem Segelkurs anmeldete. Sie beschrieb die ersten Jollenerlebnisse ihres Sprösslings gegenüber der Zeitung Oest France als „Offenbarung für Charlie“, die ihn „wie ein Blitz“ getroffen habe. Er selbst sagte später: „Damals war es die große Freiheit, die mich am meisten begeistert hat:” Er genoss, dass es beim Segeln keine vorgegebene Wege gab. Nur diese glitzernde Weite, in der man mit dem Wind überall hinkommen konnte.

„Diese unsichtbare Kraft, die dich antreibt, war für mich magisch“, schwärmte der Normanne aus dem Land der Wikinger und Seefahrer von dem Gefühl, das für ihn zum Lebenselixier wurde. Zuhause meldete ihn Mama im Verein Sport Nautique et Plaisance in Le Havre an. Da fiel er bald auf. Auch, weil er schon mal einen 420er einhand aus dem Trapez steuerte. In seiner Geburtsstadt, wo Dalin im vergangenen Sommer stolz das olympische Feuer durch die Straßen seiner Kindheit tragen durfte, nahm seine Karriere Fahrt auf.

Die Vendée Globe als Teenager entdeckt

Mit zunehmender Leidenschaft stromerte der Teenager Charlie Dalin bald an Le Havres Transat-Jacques-Vabre-Stegen herum. „Da habe ich mich alle zwei Jahre träumend zwischen den TJV-Booten wiedergefunden“, erinnert er sich. Er bewunderte die Objekte seiner wachsenden Begierde, verfolgte Regatten live und gebannt im Radio. Als Zwölfjähriger hatte er erstmals bewusst eine Vendée Globe wahrgenommen. Es war die dritte Edition, die Christophe Augin auf “Geodis” gewann.

Die Eliteakademie Pôle Finistèrre, die harte Figaro-Schule, in der er vielen weiteren Größen des französischen Offshore-Segelsports und auch Yoann Richomme begegnete, das Studium zum Yachtkonstrukteur an der bekannten Universität von Southampton, Design-Engagements bis hinein ins Ocean Race und immer wieder Regattaerfolge prägten Charlie Dalins Werdegang.

Während der Ausbildung hatte ihn einst auch Armel Le Cléac’h unter seine Fittiche genommen, dessen Rekord Dalin jetzt zerschmettert hat. Mit seinem Wegbegleiter und Konkurrenten Yoann Richomme verbinden Dalin viele parallel und einige ganz unterschiedlich verlaufene Karrierestränge. Mit Perrine, einer Juristin für Unternehmensrecht und Tochter des Pole-Finistèrre-Gründers und Direktor Christian Le Pape, hat Charlie Dalin den gemeinsamen sechsjährigen Sohn Oscar.

Charlie Dalin: Der Perfektionist und sein Team

Die Karriere des Mannes, der mehr Wettkämpfer als Abenteurer ist: Nach Platz zwei beim Mini-Transat 2009 (Pogo2) bestritt er sieben Saisons in der harten Figaro-Talentschmiedeklasse, holt vier Podiumsplätze, wurde zweimal Zweiter. Interessant: Sein aktuelles Vendée-Globe-Duell mit Yoann Richomme begann schon damals. 2016 schlug Richomme Dalin in der Solitaire im Kampf um den Sieg mit fünf Minuten!

Dalin holt zweimal den begehrten nationalen Offshore-Titel „Champion de France Elite de Course au Large“ und stieg 2019 mit Sponsor Apivia und einem Transat-Jacques-Vabre-Sieg in Vollzeit in den Imoca-Ring. Er war schon in der Weltspitze angekommen, bevor sein aktuelles und so gelungenes Revanche-Solo begann. Mit drei Imoca-Siegen untermauerte er 2022 seine Entschlossen, im Kampf um die Vendée-Globe-Krone noch härter zu arbeiten.

Nach krankheitsbedingter früher Aufgabe des Transat Jacques Vabre 2023 gab er im Vendée-Globe-Jahr 2024 mit Platz vier im Transat CIC und dem Sieg im New York Vendée - Les Sables-d’Olonne sein fulminantes Comeback, katapultierte sich zurück in die Favoritenrolle. Die hat er nun gemeinsam mit seinem Team und der bei CDK Technologies in Zusammenarbeit mit MerConcept gebauten und am 24. Juni 2023 zu Wasser gelassenen “Macif Santé Prévoyance” maximal ausgefüllt.

Boris Herrmanns Prognose

Nach Dalins massiver Überlegenheit beim Défi Azimut, dem letzten kurzen Regatta-Test vor der Vendée Globe, hatte Boris Herrmann eine Prognose abgegeben, die nun eingetroffen ist: „Charlies Dominanz im 48-Stunden-Rennen war atemberaubend. Das war wie eine andere Liga, echt sauber und beeindruckend gefahren. Wenn wir solche Bedingungen bei der Vendée Globe im Atlantik bis Kapstadt haben, dann kann er dramatisch weit vorne liegen.“

So kam es – zumindest aus Herrmanns Sicht: Charlie Dalin erreichte das Kap der Guten Hoffnung mit rund 900 Seemeilen Vorsprung vor dem Malizia-Skipper als Erster. Er passierte Kap Leeuwin als Spitzenreiter, musste nur ausgerechnet beim Königskap Hoorn seinem ewigen Rivalen Yoann Richomme bei knapp zehn Minuten Rückstand den Vortritt lassen. Doch Dalin überholte ihn im Südatlantik wieder und wackelte nicht mehr.

Hatte Dalin den Solo-Kurs um die drei Kaps vor vier Jahren über gesegelte 28.365 Seemeilen mit einem Schnitt von 14,6 Knoten gemeistert, so konnte er sich jetzt auf sagenhafte 17,79 Knoten über 27.667,91 Seemeilen steigern. So kam er als Schnellster um die Welt – Rennrekord, Weltrekord, Dalins Rekord!


REPLAY! Die Wiederholung der NDR-Live-Übertragung von Charlie Dalins Triumphfahrt:

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