Vendée GlobeEs ist vollbracht: 74 Tage, 3 Stunden, 35 Minuten

Andreas Fritsch

 · 18.01.2017

Vendée Globe: Es ist vollbracht: 74 Tage, 3 Stunden, 35 MinutenFoto: Olivier Blanchet/DPPI/Vendee Globe
Armel Le Cléac'h im Ziel

Armel Le Cléac'h gewinnt die 8. Vendée Globe in neuer Rekordzeit. Um 16.37 Uhr überquerte er die Ziellinie vor Les Sables d'Olonne

Die Arme hochgerissen, ein breites Lächeln im Gesicht: So passierte der 39-jährige Bretone die Ziellinie. Die nächste Geste galt seinem Boot "Banque Populaire VIII": Armel Le Cléac'h küsste das Deck seines Open 60 unmittelbar nach dem Zieldurchgang. Mit seiner Zeit unterbietet er den bestehenden Rekord von François Gabart von 2012 um fast vier Tage.

Kurz vor dem Eingang zum Kanal nach Les Sables d'Olonne wird es dann noch emotionaler: Als ein Reporter an Bord kommt, um den Sieger zu interviewen, reicht es nur für ein paar Sätze, dann übermannen ihn die Gefühle, und der Bretone heult erst einmal los, ringt minutenlang mit den Worten. Ein bewegender Moment, es ist dem zweimaligen Zweiten anzumerken, wie wichtig ihm dieser Sieg ist. "Für mich wird damit ein Traum wahr. Ich wollte dieses Rennen schon vor zwölf Jahren gewinnen. Heute ist ein perfekter Tag!"

  Zieleinlauf in Les Sables d'OlonneFoto: VINCENT CURUTCHET / DPPI /Vendee
Zieleinlauf in Les Sables d'Olonne

"Ich dachte, im Nordatlantik ist alles gegen mich. Ich war so weit vorn, und dann kam Alex immer wieder heran. Bei jedem schlechten Wetterbericht rannte ich fluchend durchs Boot! Die Unterstützung meiner vielen Fans hat mir sehr über diese Momente hinweggeholfen." Der Druck war offentlich bis kurz vor das Ziel enorm. Dann lüftete er ein gut gehütetes Geheimnis: Der Franzose konnte seit dem Pazifik das G-1-Vorsegel nicht mehr benutzen, weil der Haken, um es am Masttopp einzuhängen, gebrochen war.

"Erst als ich Ouessant querab hatte, habe ich an den Sieg wirklich geglaubt!" Von Schäden ist an seiner "Banque Populaire" sonst nichts zu sehen, das Schiff wirkt fast makellos wie am Start, nur ein paar Rostnasen laufen das Cockpit herunter, und an den Salingen hängen lose ein paar Tapestreifen.

  Sichtlich gerührter SkipperFoto: Jean Marie Liot/DPPI/Vendée Globe
Sichtlich gerührter Skipper

"Alex hat die ganze Zeit enorm Druck gemacht, es war ein sehr anstrengendes Rennen, er ist ein würdiger Zweiter!" Erst bei Kap Hoorn habe er einmal etwas verschnaufen können, doch dann kam der Atlantik, der es mit den vielen Hochdruck-Zellen mit Leichtwind so schwer machte. Großer Dank gelte auch seinen Leuten an Land, die "ein Dream-Team" seien und den Sieg erst möglich gemacht hätten. Erst mit dem neu gebauten Boot (2012 war er noch mit einem zuvor gebraucht gekauften Open 60 gesegelt) war es möglich, den Sieg zu erringen, weil es perfekt auf ihn und seine Art zu segeln zugeschnitten war.

Nachdem er rund eine Stunde warten musste, bis die Tide genug Wasser in den Kanal nach Les Sables gedrückt hatte, lief er am Bug stehend mit Leuchtfackeln winkend in den Hafen. Der Bretone macht am Dock dann einen recht frischen, fitten Eindruck, das viele Adrenalin trug sicher auch das seine dazu bei. Zum Schluss wurde noch die obligatorische Champagner-Flasche verspritzt, im Anschluss begann die Party.

Die ist für den Briten Alex Thomson noch etwas entfernt, er wird erst in den frühen Morgenstunden zwischen 4 und 5 Uhr in Les Sables d'Olonne erwartet.

Damit hat die Vendée Globe einmal mehr ihrem Ruf alle Ehre gemacht, die härteste Regatta der Welt zu sein. Der Zweikampf zwischen dem Briten Alex Thomson und Armel Le Cléac'h, der mit geradezu brutaler Härte wirklich um den ganzen Globus ausgetragen wurde, hat über zwei Monate Segelfans in aller Welt in Atem gehalten. Zuerst in den ersten Tagen gleichauf, hatte der Brite sich früh im Rennen bei einem riskanten Wetter-Extremschlag verzockt und fiel, in Führung liegend, zurück. Gerade als es so aussah, dass Armel Le Cléac'h sich absetzen und das Rennen souverän von vorneweg fahren könnte, überholte Thomson mit einer spektakulären Route durch die Kapverden, viel weiter östlich als der Rest des Feldes. Durch eine sensationell gute Doldrums-Passage setzte er sich wieder an die Spitze und gab diese bis zum Kap der Guten Hoffnung nicht mehr ab. Im Gegenteil, seine "Hugo Boss" erwies sich als das schnellste Schiff der Flotte und baute den Vorsprung auf über 100 Meilen aus.

Doch dann schlug das Schicksal gnadenlos zu: Am 19. November rammte Thomson mit "Hugo Boss" Treibgut und brach sich sein Steuerbord-Foil ab. Damit war der Speedvorteil dahin, und der Brite wurde von den Verfolgern Armel Le Cléac'h und Sébastien Josse eingeholt. Josse fiel kurz danach mit einem Schaden zurück, fortan duellierten sich die beiden Führenden aufs härteste. Im Indischen Ozean hielt Thomson noch gut mit, musste aber das Allerletzte aus sich und seinem Boot rausholen, um dranzubleiben. Immer wenn er auf Backbordbug segeln konnte, auf dem sein verbliebenes Schwert funktionierte, war er schneller und holte auf; auf dem anderen Bug sackte er langsam achteraus.

Noch kurz vor dem Kap Leeuwin waren beide praktisch gleichauf, das Rennen immer noch offen. Erst in zwei 55-Knoten-Stürmen, in dem der Brite auf "Survival Modus" umschalten musste, gelang es Le Cléac'h, sich mit bravouröser Entschlossenheit abzusetzen. Und dieser Vorsprung von knapp 100 Seemeilen reichte, um sich im Pazifik in einem anderen Wettersystem auf und davon zu machen. Thomson blieb im Leichtwind hängen, und der Franzose enteilte mit dem nächsten Tief gen Kap Hoorn. Satte 800 Seemeilen betrug der Vorsprung dort, als er die letzte große Landmarke passierte.

Doch diesmal waren die Götter gegen Le Cléac'h: Zwei große Flautenlöcher den Südatlantik hinauf und gute Bedingungen für Thomson ließen den Briten bis auf knapp 40 Meilen aufschließen. Wieder hatte er eine optimale Doldrums-Passage und war mit knapp 50 Seemeilen zeitweise in Schlagdistanz. Doch dann erwischte es den sympathischen Briten, der mit seinen trotz aller Unbilden stets gut gelaunten Videos von Bord viele Fans gewonnen hat, wieder hart: Seine Windinstrumente fielen aus, wochenlang konnte er den Autopiloten nicht nach Windeinfallswinkel fahren lassen, für einen Open 60 der "worst case". Es gelang ihm zwar noch, einen Ersatz an Deck an einer Stange zu riggen, doch die Performance des Bootes litt sichtbar.

Einen letzten Angriff fuhr der Brite dann mit der Entschlossenheit des Verzweifelten: In guten Bedingungen drei Tage vor dem Ziel holte er aus seinem Boot noch einmal alles raus und segelte einen neuen 24-Stunden-Rekord, nahm in einem Tag dem Führenden 34 Meilen ab. Doch Armel Le Cléac'h wehrt sich entschlossen: Immer wenn Thomson aufholt, pariert er den Angriff wenig später durch ebenfalls exzellente Performance. Der Franzose segelte clever, immer kontrolliert, bewahrte sein Boot vor allen größeren Schäden und hat nun seinen Traum wahrgemacht.