Vom Bodensee an die Spitze des Offshore-Segelsports? Laurent Wurmser aus Meersburg erreichte das Ziel der Vendée Globe nach lediglich 75 Tagen, 16 Stunden, 28 Minuten und 19 Sekunden. Dafür musste der in Frankreich aufgewachsene Ingenieur nicht einmal das Haus verlassen. Denn Wurmser segelte lediglich virtuell um den Globus. Das mittlerweile etablierte Computerspiel “Virtual Regatta”, das unter anderem mit den Daten echter Wettermodelle arbeitet, machts möglich.
Während sich der erfolgreiche deutsche e-Sailor mit dem Nicknamen “El_Double_Ve” im echten Klassement der Vendée Globe knapp vor Thomas Ruyant auf Platz sieben einsortieren würde, reicht die Zeit im Spiel sogar für Platz zwei, knapp hinter dem Sieger Gilles Boulard – natürlich aus Frankreich. Anders als bei der realen Weltumseglung mit Charlie Dalins Fabelzeit von 64 Tagen, 19 Stunden, 22 Minuten und 49 Sekunden, fielen in der Simulation bei dieser Ausgabe keine Rekorde.
Das launische Wetter dürfte den fast 850.000 Teilnehmern bei Virtual Regatta trotz ihrer geschützten Lage an Smartphone, Tablet oder PC ähnliches Kopfzerbrechen wie den 40 Skippern auf ihren Imocas bereitet haben. Deren enormer Entwicklungssprung seit der vergangenen Vendée und eine zweifellos tadellose Leistung von Charlie Dalin dürfte den klaren Vorsprung der Profis aus der echten Welt erklären. Auch Abweichungen von Vorhersagemodellen, mit denen das Videospiel arbeitet, und der Realität auf dem Wasser, verfälschen den direkten Vergleich vom echten Rennen mit seinem digitalen Ableger.
Das virtuelle Segeln gewinnt derweil zunehmend an Bedeutung. Das 2006 ins Leben gerufene Spiel “Virtual Regatta” begeistert immer mehr Menschen und bietet virtuell Zugang zu den wichtigsten Rennen im Offshore-Bereich. 8.200 Schulklassen nahmen unter anderem an der Vendée Globe am Bildschirm teil und auch Unternehmen, wie beispielsweise die Bénéteau-Gruppe mit 15.000 ihrer Mitarbeiter, führten das Rennen samt eigener Wertung durch.
Daneben erfährt auch simuliertes Segeln auf Dreiecksbahnen immer mehr Aufmerksamkeit. Erst vor wenigen Wochen fand mit Melderekord von 64 Teilnehmern mithilfe der Inshore-Variante von “Virtual Regatta” die Deutsche Meisterschaft im e-Sailing statt. Der 19-jährige Mats Krüss aus Hamburg, der sonst J/70 und J/24 segelt, sicherte sich den Titel.
Zukünftig könnten Simulatoren auch für den Erfolg auf der realen Regattabahn und beim Segelnlernen eine immer größere Rolle spielen. Das zeigte zuletzt der 37. America’s Cup, bei dem der Einsatz von Simulatoren für alle Teams unerlässlich war. Deutsche Segler bereiteten sich auf den Youth und Women’s America’s Cup gar ausschließlich am Computer auf die Rennen mit den rasanten AC40-Foilern vor. Andere Projekte erproben zudem den Einsatz von Virtual Reality für Segelschulen.