Vendée GlobeVorsegel verloren – Boris Herrmanns Unglücksserie hält an

Max Gasser

 · 10.01.2025

Schwer gebeutelt: Boris Herrmann mit seinem beschädigten Vorsegel
Foto: Boris Herrmann/VG2024
Nach genau zwei Monaten auf See wird Boris Herrmann bei seiner zweiten Vendée Globe erneut vom Pech verfolgt. Der “Malizia - Seaxplorer”-Skipper musste sich heute von seinem wichtigsten Vorsegel verabschieden. Auch Yoann Richomme verlor eines seiner Tücher – ist Charlie Dalins Sieg damit schon sicher?

Heute Morgen musste der deutsche Hochseesegler Boris Herrmann erneut einen schweren Rückschlag vermelden. Bei der Vendée Globe, derzeit auf Platz sechs liegend, brach das Fallenschloss seiner J2. “Ich habe gut geschlafen und bin aufgewacht, weil ich ein Flattergeräusch gehört habe. Und tatsächlich, das Fallenschloss der J2 ist gebrochen. Deshalb war sie ein Stück das Vorstag hinuntergerutscht”, so Herrmann.

Das rund 95 bis 100 Quadratmeter große Vorsegel kann in einer Vielzahl an Konfigurationen sowie auf unterschiedlichen Kursen gesegelt werden und gilt daher als nahezu unverzichtbare Arbeitsfock. Auch auf der verbleibenden Strecke bis Les Sables-d'Olonne ist das Tuch für die Skipper von großer Bedeutung. Normalerweise bleibt dieses Vorsegel allerdings immer oben und stützt den Mast. Wenn es dann ein Problem mit der J2 gibt, sind Reparaturen oft schwierig oder im schlimmsten Fall können die Schäden sehr ernst werden. Mit seinem System mit Fallenschloss wollte Boris Herrmann das Segel zur Sicherheit oder für Reparaturen daher herablassen können. Genau dieses Teil ist jetzt jedoch Ursache des verheerenden Problems. “Ich wollte das eigentlich aus Sicherheitsgründen, für den Fall, dass das Segel kaputtgeht. Letztendlich ist es meine Verantwortung, in dieser Situation zu sein.”

Der Verlust dürfte seine Konkurrenzfähigkeit auf den verbleibenden 4.000 Seemeilen erheblich beeinträchtigen. “Wenn die Vendée Globe einfach wäre, würden sie viele Leute machen”, sagte der schwer getroffene Skipper. “Ich verliere Meilen und rutsche wahrscheinlich in der Rangliste ab”, erklärt er weiter. Damit würde der spannende Kampf um Platz vier für den 43-Jährigen frühzeitig enden. Er selbst schätzt nun 30 bis 40 Prozent langsamer zu sein und möglicherweise bis auf Platz 10 zurückzufallen, wenn er das Segel nicht reparieren kann.

Boris Herrmann schwer gebeutelt, auch Yoann Richomme verliert Segel

Dafür bräuchte Herrmann ruhigeren Seegang, um erneut in den Mast zu steigen. Eine entmutigende Aufgabe für den Deutschen mit Höhenangst, insbesondere nach der erst kürzlichen Mastreparatur und dem Blitzschlag in dieser Woche. In engem Kontakt mit seinem Team, das bei technischen Problemen von Land aus helfen kann, versucht er positiv zu bleiben und eine Lösung zu erarbeiten. Aktuell ist das beschädigte Segel an Deck festgezurrt, und er benutzt das kleinere J3-Vorsegel.

Auch an der Spitze des Feldes könnte ein spannendes Duell derweil von einem Segelschaden beeinträchtigt werden. Der Zweitplatzierte Yoann Richomme vermeldete ebenfalls heute Morgen den Verlust eines Vorsegels infolge eines gebrochenen Fallenschlosses. Der Franzose muss fortan auf die große J0 verzichten, welche er in 4o-minütiger Plackerei wieder an Deck brachte, nachdem sie ins Wasser gefallen war.

Vendée Globe: Charlie Dalin weiterhin auf historischem Rekord-Kurs

Dem 200 Meilen vor ihm in Führung liegenden Charlie Dalin spielt das zweifelsfrei in die Karten, wenn auch die Auswirkungen des Malheurs weitaus nicht so groß wie für Boris Herrmann sein dürften. Richomme wird wie Dalin noch immer am Dienstag in Les Sables d'Olonne erwartet. Der zu Anfang der 10. Vendée Globe für schier unmöglich gehaltene neue Rekord wird nun von Tag zu Tag greifbarer. Lediglich rund 1.500 Seemeilen trennen den “Macif Santé Prévoyance”-Skipper von einem historischen Triumph. Sollten aktuelle Berechnungen eintreffen, würde er Armel Le Cléac'hs bestehende Bestzeit von 2016/17 um fast zehn Tage unterbieten. Statt nach 74 Tagen, 3 Stunden, 35 Minuten und 46 Sekunden, könnte Dalin das Ziel bereits nach 65 Tagen erreichen.

Zuvor muss er das Rennen, das immer mehr an die Substanz der Boote und Skipper geht, allerdings sicher und schadensfrei fortführen. Weiter hinten in der Flotte berichtet beispielsweise Samantha Davies von ihrem Boot, das in rauer See knarrt und ächzt. “Ich habe fast 20 Knoten Wind, aber der Seegang ist schrecklich, so schlimm, dass ich nicht schneller fahren kann”, so die Britin. Alle Blöcke ihrer Großschotanlage seien völlig zerstört, die Kugeln der Kugellager hätten sich bereits vollständig verabschiedet.

Auch Mettraux, Crémer und Davies kämpfen um Rekord

Sie selbst sei derweil noch in sehr guter Verfassung: “Ich fühle mich immer noch gut in Form und habe das Gefühl, dass ich den ganzen Weg zurück nach Les Sables d'Olonne schaffen kann”, sagte die “Initiatives-Cœur” Skipperin, derzeit auf Position 13. Sie sei einfach glücklich und froh, noch im Rennen zu sein. Aufgrund eines Kielschadens hatte sie die vorherige Ausgabe 2020/21, nach Reparatur an Land, außer Konkurrenz zu Ende segeln müssen, 2012/13 musste sie nach Mastbruch aufgeben.

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Etwas mehr als 300 Seemeilen vor ihr liegt aktuell Justine Mettraux auf dem zehnten Platz. Die Schweizerin befindet sich bei ihrer ersten Teilnahme aktuell auf Rekord-Kurs für die schnellste Zeit einer Frau in der Geschichte der Weltumseglungs-Regatta. Den zuvor 20 Jahre währenden Rekord von Ellen Mac Arthur (94 Tage, 4 Stunden), hatte Clarisse Crémer erst 2020/21 gebrochen. 87 Tage, 2 Stunden und 24 Minuten brauchte die vor der aktuellen Vendée von Sponsor Banque Populaire ausgebootete Skipperin damals. Jetzt ist nochmal mit einer bis zu zwölf Tagen schnelleren Zeit zu rechnen.

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Im Video: Boris Herrmann berichtet von seiner Lage:

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