The Ocean Race“Pan Pan” – das Mastbruch-Video von Holcim – PRB

Tatjana Pokorny

 · 27.04.2023

"Holcim – PRB" ohne Rigg im Südatlantik
Foto: Georgia Schofel/polaRYSE/Team Holcim-PRB/The Ocean Race

Nach dem Mastbruch auf “Holcim – PRB” am frühen Morgen des 27. April hat das Team jetzt ein Video dazu veröffentlicht. Skipper Kevin Escoffier spricht von “eindeutigem mechanischen Versagen”

Auch zehn Stunden nach dem Mastbruch auf “Holcim – PRB” gibt es weiter keine detaillierten Angaben zu den Gründen für das Rigg-Versagen an Bord der Ocean-Race-Spitzenreiter auf Etappe vier. Das am Abend veröffentlichte Video zeigt aber, dass die J2 – das Amwind-Vorsegel – von oben kommt und der Mast dann wie ein gefällter Baum nach hinten fällt. Was genau gebrochen ist, lassen die Bilder offen. Ob es das Kabel oder die Lasching oder der Beschlag am Mast waren, bleibt vorerst ungeklärt. Definitiv hat sich oben im Mast die Verbindung zwischen Kabel und Mast gelöst.

Die Akku-Flex zur Hand, die Axt gewünscht

Der Video-Clip beginnt mit einem Blick der Mastkamera nach Lee. Zu sehen ist das runterkommende Vorsegel. Dann zeichnet die Mastkamera die Momente auf, in denen der Mast aufs Deckshaus aufschlägt. Unter Deck realisiert die Crew den Mastbruch. Das Boot hat sich aufgerichtet, der Druck ist aus den Segeln. Hektisch werden unter Deck Werkzeuge zusammengesucht, mit denen das Rigg vom Boot losgeschnitten werden kann. Zur Hand ist eine Akku-Flex. Annemieke Bes ruft nach einer Axt.

Fieberhaft versucht das Team fortlaufend, die Situation zu analysieren. An-Bord-Reporterin Georgia Schofield setzt per UKW eine “Pan Pan”-Meldung ab: “Wir haben unseren Mast verloren …” Alles, was das Boot beschädigen könnte, wird weggeschnitten. Es sieht so aus, als wenn das Großsegel und etwa zwei Drittel des Mastes der See übergeben werden. Danach entsteht eine gespenstische Stille an Bord.

Wie einst Chris Dicksons “Tokio” im Whitbread Round the World Race …

Kevin Escoffier berichtet von der Situation für seine Mannschaft: “In der einen Sekunde ist noch alles perfekt, in der nächsten ist es ein Albtraum. Wir hatten ein mechanisches Versagen. Der Mast ist von oben gekommen, wie ihr sehen könnt. Wir arbeiten an einem Notrigg, um einen Hafen zu erreichen. Wir haben letzte Nacht sehr hart daran gearbeitet, alle möglichen Teile zu bergen. Das ist das Leben. Jetzt arbeiten wir hart daran, so schnell wie möglich ins Rennen zurückzukommen.”

Die Situation erinnert an das Ocean Race 1993/1994, als Chris Dicksons “Tokio” als Spitzenreiterin und Führende im Gesamtklassement auf der vergleichbaren Etappe gen Norden ebenfalls seinen Mast verlor. Am Ende erreichte Team Tokio im damals noch nach Zeit gewerteten Whitbread Round the World Race nur Platz fünf unter den Whitbread 60s. Es gewann die 60er-Wertung Ross Fields “Yamaha” vor der europäischen “Intrum Justitia”.

Der Ersatzmast ist versandbereit – nur: wohin?

Wie Team Holcim – PRB den von Lorima zum Versand bereits verpackten Ersatzmast wohin bekommen kann, stand am Donnerstagabend zunächst noch nicht fest. Darüber berät sich Kevin Escoffier mit seiner Landmannschaft und Logistik-Experten. Seine Entscheidung will das Team schnellstmöglich bekannt geben. Oberste Priorität hätte das Erreichen des nächsten Ocean-Race-Hafens Newport. “Wenn wir Newport erreichen könnten, wo der nächste Startschuss am 21. Mai fällt, würden wir immer noch führen. Wir arbeiten also hart daran, das zu schaffen.”

Um dieses “kleine Wunder” zu ermöglichen, müsste der Ersatzmast sehr zeitnah nach Brasilien geflogen werden können. Nur dann könnte Team Holcim – PRB das Rennen wieder aufnehmen und die Etappe noch zu Ende bringen. Damit könnten sich Kevin Escoffier und seine Crew einen Punkt und die Gesamtführung sichern, bevor es über den Atlantik zurück nach Europa geht. Sollte sich die Wunschlösung als logistisch zu schwierig erweisen, könnte ein Schiffstransport der “Holcim – PRB” nach Newport eine weitere Lösung sein. Scheitert auch dieser Versuch, käme alternativ ein Schiffstransport in den übernächsten dänischen Etappenhafen Aarhus in Frage.

Es ist unglaublich schade! Kevin hat so ein starkes Rennen bestritten!” (Robert Stanjek)

Von den anderen Teams gab es an diesem schwarzen Ocean-Race-Tag viele Solidaritätsbekundungen. Boris Herrmanns Team Malizia hat Unterstützung und Logistik-Support angeboten. “Guyot”-Co-Skipper Robert Stanjek sagte: “Das sind schockierende Nachrichten. Zum Glück ist niemand verletzt, aber es ist unglaublich schade. Kevin hat so ein starkes Rennen bestritten.”

In der laufenden vierten Ocean-Race-Etappe führte am Donnerstagabend weiter Charlie Enrights Team 11th Hour Racing mit elf Seemeilen Vorsprung vor Team Malizia. Knapp dahinter folgte Team Biotherm. 25 Seemeilen Rückstand hatte das Guyot Environnement – Team Europe am beginnenden fünften Tag auf See.

Hier geht es zum Mastbruch-Clip von Team Holcim – PRB: