The Ocean Race“Krasser Zwiespalt zwischen Freud und Leid”

Tatjana Pokorny

 · 09.02.2023

Im Licht des Vollmondes: Jack Bouttell auf dem Vorschiff von 11th Hour Racing
Foto: Amory Ross/11th Hour Racing/The Ocean Race

Die Olympia-Zweite Susann Beucke erlebt ihre Ocean-Race-Premiere im Team Holcim – PRB. Am 15. Tag der zweiten Etappe lag das Boot unter Schweizer Flagge mit gut 90 Seemeilen Rückstand auf die Spitzenreiter auf Rang drei. Bei 1.000 Seemeilen bis in den Etappenhafen Kapstadt führte Team Malizia die Flotte am Morgen des 9. Februar mit rund 30 Seemeilen vor dem US-Team 11th Hour Racing an

Noch genießen die Crews auf Etappe zwei schnelle Segelbedingungen. Beim Aufstieg aus den 40er Breitengraden zeigen die Bugspitzen aller fünf Boote jetzt auf Kapstadt. Boris Herrmanns Team Malizia gibt weiter den Takt vor, strebte der südafrikanischen Hafenmetropole kurz vor Erreichen des 41. Breitengrads am Donnerstagmorgen mit gut 16 Knoten Geschwindigkeit entgegen. Die Malizia-Crew um Skipper Will Harris segelte an der Front der Flotte bereits in ein Feld mit leichteren Winden, während die Verfolger am Donnerstagmorgen noch mit 18 Knoten Gas geben konnten. Am Ende der Flotte genossen die Schlusslichter auf “Guyot” die besten Bedingungen.

Die Ocean-Race-Flotte an Tag 15 der zweiten Etappe: Team Malizia führt das Feld an. Die hier blau sichtbaren Flautenfelder voraus sorgen für Hochspannung. Welches Team kommt am besten durch? Wer bleibt womöglich hängen? Vor den Navigatoren liegen schwere Stunden und Tage der EntscheidungenFoto: Screenshot/The Ocean Race
Die Ocean-Race-Flotte an Tag 15 der zweiten Etappe: Team Malizia führt das Feld an. Die hier blau sichtbaren Flautenfelder voraus sorgen für Hochspannung. Welches Team kommt am besten durch? Wer bleibt womöglich hängen? Vor den Navigatoren liegen schwere Stunden und Tage der Entscheidungen

Malizia-Navigator Nico Lunven: “Da kann alles passieren”

Der Berliner Skipper Robert Stanjek, Navigator Seb Simon, Phillip Kasüske und Anne-Claire le Berre waren immer noch mit mehr als 21 Knoten Speed unterwegs. Ihr großer Rückstand von 450 Seemeilen auf Team Malizia dürfte über den Tag zumindest sichtbar schmelzen. Was dann kommt, wagt aktuell niemand genau zu prognostizieren. Die Flotte muss ein flaues Windband vor Kapstadt durchqueren. “Das ist eine sehr, sehr leichtwindige Zone, bevor wir die Ziellinie kreuzen. Da kann alles passieren”, weiß nicht nur Team Malizias Navigator Nico Lunven.

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Aufgrund des schwer vorhersagbaren Durchkommens durch den flauen “Wall” vor Kapstadt bleibt der Kampf um den Etappensieg und die Podiumsplätze weiter offen, auch wenn Team Malizia über die letzten Tage stark beeindruckt hat. “Holcim – PRB”-Skipper Kevin Escoffier sagte im tiefen Südatlantik: “Malizia ist ein gutes Boot für diese Bedingungen mit den kurzen Wellen. Bei uns war es zuletzt zu viel ‘Nosediving’.” In Kevin Escoffiers Team kämpft die Olympia-Zweite Susann Beucke bei ihrer Ocean-Race-Premiere um einen guten Auftakt.

“Da sind wir alle zehn Minuten in die Sonne geschossen”

Im Gegensatz zu anderen Seglern hatte die 31-jährige Ocean-Race-Novizin in den vergangenen Tagen trotz starker Schiffsbewegungen und brutal lauter Geräuschkulisse keine Schlafprobleme. “Jetzt beim Ruckeln ist es zwar nicht gemütlich, aber aushaltbar. Ich hatte eher Schlafprobleme, als es so heiß war. Da lag man in seiner eigenen Flüssigkeit. Ich habe Bilder davon gemacht, weil ich es nicht glauben konnte”, erzählt die frühere 49er-FX-Vorschoterin von ihren ersten Südatlantik-Erfahrungen.

Sam Goodchild und Susann Beucke bringen ein Reff ins Großsegel einFoto: Georgia Schofield/polaRYSE/Holcim - PRB/The Ocean Race
Sam Goodchild und Susann Beucke bringen ein Reff ins Großsegel ein

Die vergangenen Tage waren an Bord von “Holcim – PRB” von Kampf geprägt. “Die drei Nächte vor der Nacht auf heute waren heftig. Da hat sich alles gehäuft. Einmal ist die ganze Elektronik ausgefallen. Wir mussten handsteuern, hatten dann nachts auch keinen vernünftig funktionierenden Autopiloten. Die Nacht danach, also vorgestern Nacht, haben wir das Boot gar nicht zum Laufen bekommen. Da sind wir alle zehn Minuten in die Sonne geschossen. Das war auch sehr heftig”, erzählt Beucke vom brutalen Einsatz auf See.

“Die Momente, die man braucht, um durchzuhalten”

Was ihr besonderen Spaß macht in der Auseinandersetzung mit den Elementen und den Gegnern? “Das ist keine einfache Frage”, sagt die Seglerin aus Strande nachdenklich, “ich glaube, es ist dieser krasse Zwiespalt zwischen Freud und Leid – die ganze Zeit. Das macht irgendwie auf ganz fantastische Art und Weise Spaß. Dieses Kennenlernen der Gedanken. Das macht mir irgendwie Spaß: Diese kleinen Momente bewusst zu nutzen, die man braucht, um durchzuhalten.”