The Ocean RaceGuyot vor Comeback – “Noch mal richtig angreifen”

Tatjana Pokorny

 · 18.04.2023

Co-Skipper Robert Stanjek auf "Guyot"
Foto: Charles Drapeau/Guyot Environnement – Team Europe/The Ocean Race

Fünf Tage sind es noch bis zum Start der vierten Etappe im Ocean Race. Im brasilianischen Itajaí befinden sich die Teams im Endspurt ihrer Vorbereitungen auf die 5.500 Seemeilen lange Herausforderung auf Kurs Newport. Das Team Guyot sucht beim Comeback ab 23. April seine Chance, setzt im Angriffsmodus auf besseres Risikomanagement

Die mehrwöchige Pause bei seiner Familie in Berlin hat Team Guyots Co-Skipper Robert Stanjek gutgetan. Seit dem Wochenende ist der 41-Jährige wieder zurück bei seiner Mannschaft, die sich im brasilianischen Etappenhafen Itajaí auf den Start zur vierten von sieben Etappen im Ocean Race vorbereitet. Das Guyot Environnement – Team Europe ist nach dem schweren Rückschlag auf der Königsetappe entschlossen, sein Comeback im Ocean Race für bessere Ergebnisse als bislang zu nutzen.

Robert Stanjek: “Die Reparatur ist grundsolide”

Das französisch-deutsche Team hat bei seiner Ocean-Race-Premiere nach drei Etappen nur zwei fünfte Plätze einfahren können. Dann kam schon der technische K.-o.-Schlag auf der Königsetappe. Skipper Benjamin Dutreux, Robert Stanjek, Navigator Sébastien Simon und Annie Lush mussten den längsten und wichtigsten Abschnitt der Weltumsegelung mit schwerem Rumpfschaden aufgeben und ohne Ergebnis nach Kapstadt zurückkehren. Dort gelang die Reparatur, bevor “Guyot” erfolgreich nach Itajaí überführt wurde. Nun greift das Team ab 23. April wieder ins Ocean Race ein.

“Die Reparatur ist grundsolide”, urteilte Robert Stanjek im Countdown bis zum Start der vierten Etappe in einer Pressemitteilung seines Teams. Und weiter: “Ich sehe keine Gefahr, dass das Boot brechen könnte. Wir müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass wir unser älteres Design nicht härter pushen können als die Konkurrenz ihre Boote der neuesten Generation. Aber auch die anderen Teams haben ihr Päckchen zu tragen. Bis auf das Team Holcim von Kevin Escoffier sind alle mit Handicaps aus der Southern-Ocean-Etappe gekommen, die sie hier in Itajaí beheben mussten.“

Ich bin stolz, wie sich das Team vom Tiefschlag auf Etappe drei erholt hat.” (Jens Kuphal)

Stanjeks Team liegt mit nur zwei Zählern nach zwei fünften Rängen in den Etappen eins und zwei auf dem letzten Platz der Ocean-Race-Flotte. Jetzt soll das Blatt gewendet werden. “Ich freue mich riesig, wieder ins Rennen zu gehen. Wir wollen noch ein paar positive Ergebnisse einfahren. Wenn wir geduldig bleiben und da sind, wenn sich die Chancen eröffnen, dann wird das auch gelingen”, hofft Stanjek.

Bei der Mannschaft ist in dieser Woche auch Teammanager Jens Kuphal. Nach der abgebrochenen dritten Etappe feiert der Berliner die Ocean-Race-Wiedervereinigung mit seinem Team. Kuphal sagte: “Ich freue mich, dass wir in Itajaí wieder alle zusammengekommen sind. Es liegen noch fünf Wertungen vor uns. Ich bin stolz, wie sich das Team von dem Tiefschlag in der dritten Etappe erholt hat.”

Feintuning für Foils und Ruderblätter

Kuphal gab Einblicke in die Arbeit der letzten Wochen und sagte: “Es war eine starke Leistung der Shorecrew, den Rumpf der Yacht in der kurzen Zeit wieder zu reparieren. In Brasilien konnte die Zeit nun sogar genutzt werden, um ein Feintuning an Foils und Ruderblättern vorzunehmen. Dazu hatte in der Vorbereitung und zwischen den Etappen bisher die Zeit gefehlt. Außerdem hat die gesamte Mannschaft Kraft getankt. Wir wollen noch einmal richtig angreifen.“

Das Team ist mit dem Rücken zur Wand zum Angriff entschlossen. Die Besinnung auf die eigenen Stärken soll der Schlüssel zum Erfolg werden. “Wir haben noch nicht das Maximum aus der Mannschaft herausgeholt”, weiß Robert Stanjek und verweist damit auf die Ursprungsidee, die Kombination sehr unterschiedlicher Qualitäten im Team Guyot zu einer Erfolgsformel zu machen. “Diese Qualitäten müssen wir noch mehr nutzen“, fordert Stanjek.

Besseres Risikomanagement auf See gefordert

Nicht frei von Wehmut blickt Robert Stanjek zurück auf die vertane Großchance auf Etappe zwei. Da hatte Team Guyot den Äquator als erstes Boot überquert, dann aber einen risikoreichen Kurs zu weit abseits der Konkurrenz gewählt – und alles verloren. Stanjeks Forderung: “Die Stimme zum Risikomanagement muss mehr Gewicht erhalten. Die Kommunikation haben wir auch schon verbessert. Die Zusammenarbeit zum Start der dritten Etappe war sehr gut, bis uns leider der Rumpfschaden aus dem Rennen nahm. An diese Zusammenarbeit wollen wir anknüpfen. Deshalb haben wir uns auch entschieden, die gleiche Crew-Konstellation wieder auf der vierten Etappe einzusetzen.“

Damit wird auf dem 5.500-Seemeilen-Abschnitt von Itajaí den Atlantik hinauf in den schmucken amerikanischen Seglerhafen Newport jenes Quartett erneut angreifen, das die Königsetappe so gut eingeläutet hatte, bevor der “Guyot”-Rumpf nachgegeben hatte: Neben den beiden französischen Vendée-Globe-Seglern Benjamin Dutreux und Sébastien Simon ist die erfahrene Britin Annie Lush bei ihrer dritten Weltumsegelung im Einsatz. Robert Stanjek, Starboot-Olympia-Sechster von 2012, ist als Taktiker und starker Mann am Grinder gefordert.

Weitere Crew-Rotationen fürs Europa-Finale geplant

Stanjeks Motivation könnte nach dem geplatzten Traum von der Ocean-Race-Königsetappe kaum größer sein: “Die Punkte-Lücke zu den anderen Teams wurmt uns. Wir wollen jetzt mal abliefern. Wenn wir eine stabile Leistung zeigen, dann wird sich das auch auszahlen.“ Auf den verbliebenen Etappen zurück über den Atlantik nach Europa und in europäischen Gewässern wird die Crew weiter rotieren.

Auf der Atlantik-Etappe von Newport in die dänische Segelmetropole Århus wird Phillip Kasüske für Robert Stanjek an Bord kommen. Bei den beiden Europa-Etappen von Århus via Kiel nach Den Haag und von dort in den italienischen Ocean-Race-Zielhafen Genua wird die Konstellation aktiv, die 2021 die erste Auflage des The Ocean Race Europe gewonnen hatte. Vor zwei Jahren hatten Robert Stanjek, Phillip Kasüske, Annie Lush und Benjamin Dutreux mit einem nichtfoilenden Imoca die gesamte Foiler-Konkurrenz hinter sich lassen können und die Rennpremiere gewonnen. Von einem solchen Husarenstück träumen sie beim Comeback im Ocean-Race-Finale jetzt wieder.

So hoffnungsfroh war das Guyot Environnement – Team Europe nach der Überführung im brasilianischen Etappenhafen angekommen. Seitdem wurden Boot und Team für das Comeback fit gemacht: