Tatjana Pokorny
· 04.02.2023
Es bleibt hochspannend auf Etappe zwei im Ocean Race. Am zehnten Tag auf See verteidigte Team Guyot zwar noch seinen Vorsprung. Doch im Westen der Spitzenreiter rast die Konkurrenz fast doppelt so schnell gen Süden. Die Teams Biotherm, Holcim – PRB mit Sanni Beucke und 11th Hour Racing trennten dabei weniger als zehn Seemeilen. Team Malizia holte rasant auf
Das deutsch-französische Guyot Environnement – Team Europe führte die Ocean-Race-Flotte auch an Tag zehn der zweiten Etappe an. Doch von den am Vortag noch weit mehr als 100 Seemeilen Vorsprung waren am Samstagnachmittag nur noch 37 geblieben. Entsprechend haben “Guyot”-Skipper Robert Stanjek, Navigator Sébastien Simon, Anne-Claire le Berre und Phillip Kasüske ihren Kurs korrigiert und ihren Bug nach Westen gerichtet: raus aus den zu flauen Winden am Rande des St.-Helena-Hochs und hin zu den Verfolgern auf der “Südautobahn”.
Ein weiterer Grund für die jüngsten Meilenverluste von Team Guyot ist der geplatzte große Spinnaker. Robert Stanjek berichtet aktuell von Bord: “Gestern schlief ich noch, als plötzlich ein Alarm ertönte. Alle eilten an Deck, und wir stellten fest, dass der Spinnaker gerissen war. Das war ziemlich überraschend, denn es war nicht viel Wind. Wir haben das Tempo gedrosselt und das Boot fast in den Wind gerichtet. Dann haben wir die Teile des Segels eingefangen, die um das Profil herumflogen, und das große Stück, das im Wasser schwamm.”
Weiter berichtete Robert Stanjek: “Wir haben es geschafft, alles einzusammeln und nichts im Wasser schwimmen zu lassen. Wir haben etwa acht bis zehn Minuten gebraucht, um alles wieder an Bord zu bringen. Eine Rekordzeit. Dann haben wir den A3 hochgezogen und segeln immer noch damit. Das Team hat einen tollen Job gemacht und die Krise gemeistert! Es sind noch 2.500 Meilen bis Kapstadt, unsere Motivation ist intakt, und wir werden bis zum Ende kämpfen.”
Auch die Konkurrenz kämpft. Alle wollen den Poker rund ums riesige und sehr bewegliche St.-Helena-Hoch gewinnen. Für die kommenden Tage ergibt sich daraus ein Wettrennen nach Süden. In dem war zuletzt Boris Herrmanns “Malizia – Seaexplorer” das schnellste Boot. Zum Wochenendbeginn segelte der Imoca unter deutscher Flagge mit 17 bis 19 Knoten und mehr in Winden zwischen zwölf und 14 Knoten – mit zunehmender Tendenz. Der Express nach Süden könnte die westlich positionierten Boote und insbesondere Team Malizia weiter mächtige Sprünge nach vorn machen lassen.
Allein von Freitagmorgen bis Samstagnachmittag hat die Malizia-Crew um Skipper Will Harris ihren Rückstand auf die Spitzenreiter von gut 230 auf 82 Seemeilen reduzieren können. Etwa so hatte es Boris Herrmanns Skipper-Vertreter zwei Tage zuvor erhofft, als er sagte: “Wir werden auf eine Kaltfront treffen und hoffen, dann Boden gutmachen zu können.” Diese positive Tendenz könnte sich für Team Malizia vorerst fortsetzen. Die Etappe birgt aber bis ins rund 2.600 Seemeilen entfernte Kapstadt noch einige weitere Hürden, die von den Teams zu nehmen sind. Dazu zählt auch die finale Ansteuerung von Kapstadt, für die erneut sehr leichte Winde erwartet werden.
Klar ist, dass alle Boote nun sehr tief in den Süden eintauchen werden, bevor sie wieder nach Osten abbiegen und Kapstadt ansteuern können. Angesichts der um voraussichtlich mindestens 48 Stunden verzögerten Ankunft der Flotte im nächsten Etappenhafen haben alle Crews mit leichter Rationierung von Proviant und Bordenergie begonnen.