The Ocean RaceFür den Gesamtsieg – Holcim – PRB gibt Etappe vier auf

Tatjana Pokorny

 · 29.04.2023

Team Holcim – PRB kommt unter Jury-Rigg in Rio de Janeiro an
Foto: Team Holcim-PRB/The Ocean Race

Sie haben alle Optionen geprüft und an allen Fronten gekämpft. Nun aber sieht Team Holcim – PRB keinen anderen Weg mehr als die Aufgabe der vierten Etappe. Das gab die Mannschaft um Skipper Kevin Escoffier am 29. April nach der Ankunft unter Notrigg in Rio de Janeiro bekannt

Der neue Plan von Team Holcim – PRB sieht drei Tage nach dem Mastbruch am frühen Morgen des 27. April ein Comeback zur doppelt gewerteten fünften Etappe von Newport über den Atlantik ins dänische Aarhus vor.

Die Aufgabe des Comeback-Plans für die laufende vierte Etappe gab “Holcim – PRB”-Skipper Kevin Escoffier kurz nach Ankunft in Rio de Janeiro bekannt. Zuvor hatten die Segler und ihre Landmannschaft alle Optionen für eine mögliche Rückkehr ins aktuelle Renngeschehen ausgelotet. Doch jede Idee ergab bei genauen Berechnungen immer nur eine Antwort: Es reicht zeitlich nicht, um den nächsten Etappenhafen Newport rechtzeitig zum Start der doppelt gewerteten fünften Etappe nach Aarhus zu erreichen.

Wir wollen die Chance auf den Gesamtsieg wahren.” (Kevin Escoffier)

Entsprechend hat das Schweizer Team Holcim – PRB seine Pläne nun angepasst. Nur so sei laut Escoffier das Ziel erreichbar, den Ocean-Race-Gesamtsieg anzusteuern. “Diese Chance wollen wir wahren”, sagte der Antreiber in Brasilien. Noch liegt sein Team nach herausragender Leistung auf den ersten drei Etappen mit 19 von 20 möglichen Punkten in der Gesamtwertung deutlich vorn. Es folgen Team Malizia (14 Punkte) und 11th Hour Racing (13 Punkte). Je nach Ausgang der vierten Etappe – nach einer knappen Woche liegt 11th Hour Racing auf Etappe vier vor Team Malizia in Führung – könnten vor dem Start zur Transat-Etappe fünf alle drei Teams fast gleichauf liegen.

“Es ist eine sehr schwierige Entscheidung, aber der gesunde Menschenverstand hat den Ausschlag gegeben”, sagte Escoffier. Und weiter: “Seit unserem Mastbruch hat sich das ganze Team darauf konzentriert, die besten Lösungen zu finden, damit wir solide in den Wettbewerb zurückkehren können. Mit einem Wiedereinstieg in diese vierte Etappe könnten wir zwar einen Punkt mitnehmen, aber nicht rechtzeitig ankommen, um beim Start der nächsten Etappe in Newport dabei zu sein.”

“Der sportliche Wert der fünften Etappe ist sehr hoch”

Auf der Kehrseite des Gedankenspiels stehe mit Etappe fünf die zweite und letzte doppelt gewertete der insgesamt sieben Etappen der Weltumsegelung. Escoffier erklärt: “Der sportliche Wert der fünften Etappe ist sehr hoch. Wir wollen uns bei dieser Etappe, die doppelt zählt, von unserer besten Seite zeigen. Wir wollen auf jeden Fall noch den Sieg bei dieser Weltumsegelung erreichen. Mit der Prämisse ist dies die beste Entscheidung, die wir treffen können.”

Mit Unterstützung von GAC Pindar, dem offiziellen Logistikdienstleister des Ocean Race, hatte Team Holcim – PRB zuvor zahlreiche Optionen geprüft, um einen Mast von Europa zum Boot in Rio oder nach Newport zu bringen. Heute hat das Team entschieden, dass Newport die realistischste Option ist.

“Holcim – PRB” geht per Frachter nach Newport

In einem Statement erklärte Team Holcim – PRB, dass die Mitglieder der Landmannschaft den Imoca mit Hilfe der Segler für die Verladung auf ein Frachtschiff vorbereiten. Das Schiff könne bereits am Dienstag nach Newport aufbrechen. Für die Route in die US-Hafenstadt Newport wurde eine Transportzeit von 16 Tagen auf See berechnet. Parallel wird der Ersatzmast auf der anderen Seite des Atlantiks auf ein weiteres Frachtschiff verladen. Die Überfahrt wird nur sieben Tage dauern. Der neue Mast könnte bereits am 9. oder 10. Mai in Newport entladen werden.

Nach Angaben des Teams wird die Rennyacht “Holcim – PRB” Newport im günstigsten Fall am 18. Mai erreichen. Das Team wird dann nur etwa 48 Stunden Zeit haben, um das Boot aufzuriggen und für die wichtige Etappe nach Europa vorzubereiten. Experten gehen von einer lösbaren Aufgabe aus, wenn die Transportzeiten etwa eingehalten werden können. “Ich weiß, dass alle vereint sind, damit wir pünktlich in Newport sein können”, sagte Escoffier. “Ich habe volles Vertrauen in mein Team, diese gemeinsame Herausforderung zu meistern.”

“Unstoppable”: Team Holcim – PRB gibt nicht auf

Das Team erinnert in diesen Tagen oft an seinen Teamsong “Unstoppable” von Sia, der die Mannschaft bei ihrer Mammutaufgabe immer wieder begleitet. Escoffier erzählte: “Wir erhalten so viele Unterstützungsbekundungen, und das ist ein großer Ansporn. Auch unsere Partner stehen voll hinter uns und zeigen ebenso wie wir eine unglaubliche Entschlossenheit.”

Der 43-Jährige aus Saint-Malo, der sich vor Beginn des 14. The Ocean Race noch in vorsichtiger Begeisterung geübt hatte, wirkt entschlossener denn je: “Ich habe nur einen Wunsch: dieses magische Rennen fortzusetzen. In Newport, zu Beginn der fünften Etappe, ist es möglich, dass wir in der Gesamtwertung immer noch vorn liegen. Mechanische Ausfälle gehören zu unserem Sport, wir akzeptieren sie. Die nächste Etappe wird entscheidend für den weiteren Verlauf des Rennens sein, und wir freuen uns darauf, unser Bestes zu geben, so wie wir es bisher getan haben.”

Wer führt vor dem Start zu Etappe 5?

Escoffiers Theorie zur Verteidigung der Gesamtführung greift allerdings nur, wenn die Flotte so ins Ziel kommt, wie sie aktuell segelt: 11th Hour Racing vor Team Malizia. Sollte Boris Herrmanns Team Malizia den vierten Abschnitt mit Etappen-Skipper Will Harris gewinnen, könnte das deutsche Boot das Schweizer Team noch vor Beginn der fünften Etappe von der Spitze verdrängen. Denn bei der dann entstehenden Punktgleichheit gäbe die Platzierung in der Wertung der Hafenrennen den Ausschlag. Hier liegt Team Malizia mit Platz zwei und 13 Zählern deutlich vor Team Holcim – PRB, das mit sieben Punkten auf Platz vier rangiert.

Lust auf Navigation? Hier erklärt Team Malizias Navigator Nico Lunven einige der Herausforderungen auf Etappe vier: