Tatjana Pokorny
· 29.03.2023
Das Spitzenduell der Finalphase hält Segler und Fans auf Etappe drei im Ocean Race in Atem. Team Malizia verteidigt seine 30-Seemeilen-Führung auch am 31. Tag der Mammut-Etappe. Bei 1.400 Seemeilen bis ins Ziel vor Itajaí hält “Malizia –Seaexplorer” den Angriffen von Holcim – PRB stand. Boris Herrmann berichtet
Eine aufgewühlte See, stürmische Winde und das Spitzenduell zwischen Team Malizia und Team Holcim – PRB prägen den Endspurt der Königsetappe im Ocean Race. Die Positionen der beiden führenden Boote bleiben auch am 31. Tag der Etappe von Kapstadt nach Itajaí fast unverändert zueinander. Es wirkt bei Ansicht des Tracker-Bildes, als hätte jemand einen Abstandshalter von etwa 30 Seemeilen Länge zwischen die Yacht unter deutscher Flagge und ihre Schweizer Jäger geklemmt. In der Realität ist die anhaltende Führung von Boris Herrmann, Will Harris, Nico Lunven und Rosie Kuiper sehr hart erarbeitet.
Insbesondere das Malizia-Team ist stark gefordert, weil es mit einem Akteur weniger auskommen muss, solange sich Rosie Kuiper von ihrer Gehirnerschütterung ausruht. Boris Herrmann und Will Harris wechseln sich mit ihren Wachen ab. Navigator Nico Lunven ist wachfrei, kümmert sich im spannenden Duell mit Kevin Escoffiers Team Holcim – PRB ums Routing, wann immer gefordert.
“Der einfachste Weg, die Etappe vor ihnen zu beenden, wäre es, unseren Vorsprung auszubauen”, erklärt Team Malizias Co-Skipper Will Harris, “wir müssen tun, was wir für richtig halten, und unser eigenes Spiel spielen.” Die Teams 11th Hour Racing und Biotherm scheinen angesichts von 325 und 370 Seemeilen Rückstand am Morgen des 29. März nicht mehr in den Kampf um den Sieg eingreifen zu können. Nach dem glücklichen Kap-Hoorn-Gipfelsturm berichtet Skipper Boris Herrmann, wie hart es im Südatlantik im Ringen um den Etappensieg gerade zur Sache geht.
“Wir haben im Moment Bedingungen, die deutlich schwieriger sind als im Südmeer. Wir hatten vorletzte Nacht 50 Knoten Wind. Ab heute ist wieder mit einem Tief zu rechnen. Das sind so kleine, aber starke Tiefs, die sich von der argentinischen Küste ablösen und sich hier entwickeln. Sie sind schwer vorhersagbar. Da ist erneut mit 50 Knoten zu rechnen. Also es geht auch ein bisschen darum, jetzt nichts falsch, nichts kaputt zu machen.
Die See ist chaotisch. Man scheppert hier so durch.” (Boris Herrmann)
Wir waren in der Phase der stärksten Winde in der vorletzten Nacht schneller als Holcim. Mit zwei Reffs. Und ich glaube, die hatten noch ein bisschen mehr gerefft. Es bleibt ein Mix hier draußen: Es ist nicht so cleanes Racen wie irgendwie bei normalen Bedingungen. Die See ist komplett chaotisch. Man scheppert hier so durch. Der Wind war gestern Abend 50 Grad anders als vorhergesagt. Der dreht unheimlich mit den Wolken.
Wir segeln hier in einem sehr ungewöhnliches Offroad-Terrain. Das ist wohl eher ein Vorteil für uns und unseren 4 Wheel Drive. Weitermachen wie bisher, das ist die Devise. Nico leistet eine supersaubere Arbeit mit dem Wetter. Das bedeutet eine gute Risiko-Reduktion für uns: Jemanden zu haben, der so gut aufpasst. Will und ich versuchen, hauptsächlich gut aufs Schiff aufzupassen. Rosie kann sich natürlich nicht so gut erholen, weil es unheimlich schlägt. Selbst ich hatte vorgestern Kopfschmerzen von dem Slamming. Jetzt haben wir gerade einen kurzen Moment mit weniger Wind, deswegen kann ich mich melden.
Es gilt einfach: dranbleiben, weitermachen und um jeden Meter kämpfen.” (Boris Herrmann)
Alles kann noch passieren. Ich hoffe natürlich, dass wir Erster oder Zweiter werden und nicht noch irgendwie ganz große Überraschungen passieren. Es gilt einfach: dranbleiben, weitermachen und um jeden Meter kämpfen. Es gibt keine großen strategischen Pläne. Ich glaube auch, dass Kevin bei uns bleiben wird. Oder wir bei ihm. Sodass man sich von hier bis zum Finale ein Matchrace vorstellen kann, bei dem es viel um Bootsspeed gehen wird. Und ein bisschen Glück.
Manchmal kann man auch nichts machen. So wie am Montag. Da waren wir 20 Meilen östlich voraus. Dadurch waren wir nordöstlich in dem Tief positioniert, das gleichzeitig über uns nach Osten zog. Das war für Kevin deutlich besser. Da hat er einmal 20 Meilen gewonnen. Die haben wir uns wieder zurückgeholt. Aber so wirken sich die Dynamik und die Geometrie des Spielfelds und die Verschiebungen mit den Wetterphänomenen aus: Sie können dem einen oder dem anderen große Vorteile bescheren. Da kann man auch als Führender manchmal nichts gegen machen.
Noch einmal zum Genießen: Der Rückblick auf die Kap-Hoorn-Passage und Team Malizias Erfolg …