Tatjana Pokorny
· 16.03.2023
Es ist viel Bewegung im Ocean Race am 18. Tag der Königsetappe von Kapstadt nach Itajaí. Während Team Holcim – PRB die Flotte im tiefen Südmeer beim 53. Breitengrad weiter vor Team Malizia anführt, hat die “Guyot”-Crew ihr Comeback eingeläutet. Am selben Tag kündigte Boris Herrmanns Team einen neuen Spielfilm zum Vendée-Globe-Abenteuer des Hamburger Skippers an
Team Malizia rückt Team Holcim – PRB wieder dichter ans Heck. Bis auf sieben Seemeilen waren Boris Herrmann und seine Crew Kevin Escoffiers bisherigen Ocean-Race-Dominatoren am Vortag schon nahe gekommen, als sie zunächst wieder etwas zurückfielen. Jetzt läuft die nächste Angriffswelle. Auch die Verfolger der Teams Biotherm und 11th Hour Racing haben Boden gutmachen können. Das Szenario ist spannend, wie Kevin Escoffier am 18. Tag der Königsetappe bei einem Pressegespräch von See berichtete.
Escoffier sagte: “Wir haben heute Nacht eine kleine Leichtwindzone zu passieren und werden dann voraussichtlich an die Eisgrenze reachen. Wir rechnen mit überschaubaren und guten Bedingungen für etwa die nächsten drei Tage. Für die Zeit danach sind sich die amerikanischen und die europäischen Modelle nicht einig.”
Das erfrischende Gespräch am Donnerstagnachmittag nutzte Escoffier auch für einen Rückblick auf den von seinem Team im Ocean Race aufgestellten 24-Stunden-Rekord von 595,3 Seemeilen: “Wir waren richtig positioniert, weiter im Süden als die anderen, hatten einen guten Windwinkel, moderaten Seegang, haben intensiv mit den Segeln und den Foils gearbeitet und befanden uns vor der Kaltfront.”
Gleichzeitig erzählte Escoffier, dass sogar mehr drin gewesen wäre. “Wir haben das Boot noch nicht ans Limit getrieben. Wäre das hier nicht die längste Etappe im Ocean Race, sondern ein kürzeres Rennen gewesen, dann hätten wir noch mehr gepusht. So aber geht es vor allem um hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten, aber auch die Sicherheit des Bootes.”
Escoffier hält ein bis zwei Knoten schnellere Durchschnittsgeschwindigkeiten für schon bald erreichbar, sagte: “Da ist so viel Raum für Verbesserungen beim Segeln der Imocas mit Crews. Der “Holcim – PRB”-Skipper stimmt auch dem Vendée-Globe-Zweiten Charlie Dalin zu. Dalin hält es für möglich, dass die Imocas auch den 24-Stunden-Einrumpfrekord für Monohulls aller Größen knacken, also die aktuelle Bestmarke des 100-Fuß-Maxis “Comanche” von 618 Seemeilen überbieten können. “Ich bin total einer Meinung mit Charlie”, sagte Kevin Escoffier, “es ist absolut möglich, den 24-Stunden-Rekord über alle Kategorien zu holen.”
Während das aktive Ocean-Race-Quartett auf Kurs Kap Hoorn nach Osten strebt, geht es für das Guyot Environnement – Team Europa nach Westen. Die Überführungscrew der deutsch-französischen Mannschaft hat am 16. März Kapstadt verlassen und strebt dem nächsten Etappenhafen Itajaí in Brasilien mit repariertem Rumpf über den Atlantik entgegen. Mit von der Überführungspartie sind der Berliner Phillip Kasüske, Navigator Seb Simon, An-Bord-Reporter Charles Drapeau und Mitglieder des Technik-Teams. Sowohl Skipper Benjamin Dutreux als auch Co-Skipper Robert Stanjek nutzen die etwa zweiwöchige Überführung für eine Ruhephase und Heimaturlaub.
“Unser Team hat Großes geleistet”, sagte Benjamin Dutreux, “wir mussten die Reparaturarbeiten in einer Woche machen, die normalerwiese einen Monat dauern. Das war eine außergewöhnliche technische und menschliche Leistung. Normalerweise wären die Container schon auf dem Weg nach Newport gewesen. Das haben wir gemanagt. Die Kommunikation haben wir gemanagt. Natürlich war es ein sehr frustrierender Moment für das ganze Team, als wir aufgeben mussten. Die Entscheidung war aber richtig. Dann wollten alle nur helfen. Man sieht, was mit mentaler Kraft geleistet werden kann.”
Ende der zweiten April-Woche wird Team Guyot rechtzeitig vor dem Start zur vierten Etappe am 23. April wieder in Itajaí zusammenkommen, um sich auf den Wiedereinstieg ins Ocean Race vorzubereiten. Seine ursprüngliche Crew-Planung hat das Team für Etappe vier leicht verändert.
Stanjek erklärte: “Wir haben mit allen sieben Seglern im Team gesprochen. Wir hatten ursprünglich eine Art Blue Print, in welchen Konstellationen wir alle Etappen im Ocean Race segeln wollen. Nun hatten wir auf Etappe drei (Redaktion: an Bord waren Ben Dutreux, Seb Simon, Robert Stanjek und Annie Lush) gerade ein sehr gutes Gefühl. Wir fanden, dass wir eine gute Kommunikation hatten und das Boot schnell gesegelt haben. Deswegen wollen wir dieser Kombination eine weitere Chance geben.”
Was kann Team Guyot nach zweimal null Punkten und nur zwei Punkten aus den ersten beiden Etappen noch erreichen? Immerhin gibt es in den noch ausstehenden vier Etappen, von denen eine weitere doppelt gewertet wird, noch mehr Punkte zu holen, als nach der Königsetappe verteilt sein werden. “Theoretisch ist noch alles drin”, sagt Stanjek und korrigiert sich dann lächelnd schnell selbst, weil der Gedanke an einen Sieg doch zu unrealistisch erscheint: “Na, das wird nicht passieren … “
“Aber wir haben noch fünf Ziellinien vor uns und die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir immer noch Platz drei oder vier erreichen können. Wir werden alles geben. Unser Ziel, unser Mindset haben sich nicht verändert. Wir sind sehr motiviert. Wahrscheinlich noch mehr als vorher.”
Während das Ocean Race seine Fans sportlich bewegt, freuten sich Boris-Herrmann-Fans am Donnerstag über spannende Kino-Kunde. Sein Vendée-Globe-Abenteuer, die erste Teilnahme eines deutschen Seglers am Solorennen um die Welt, soll verfilmt werden. Der deutsche Schauspieler und Produzent Ben Blaskovic war von den Abenteuern des Extremseglers so fasziniert, dass er das Herrmann-Buch “Allein zwischen Himmel und Meer” binnen drei Tagen verschlang. Er habe damals sofort gewusst, dass er diese Geschichte verfilmen und auf die Leinwand bringen wolle. Nun wird auch sein Traum verwirklicht.
Ben Blaskovic erzählt: „Da ich seit Kindesbeinen selbst passionierter Segler bin, freut es mich ganz besonders, Boris Herrmanns Heldenreise auf der Vendée Globe als fiktionalen Spielfilm zu verfilmen. Andreas Wolfers hat hierzu eine wunderbare Grundlage geschaffen, die der herausragende Drehbuchautor Gernot Griksch zu einem spannenden Drehbuch verarbeitet. Es entsteht ein Film, der Boris’ äußere und vor allem innere Reise auch für Nicht-Segler spürbar macht und den Zuschauern – zwischen all dem negativen ‚Krach’ der Welt – eine nachhaltige, positive und starke Message mit auf den Weg geben wird.“
Boris Herrmann sagte: “Ich freue mich sehr auf dieses Projekt! Ich bin eher an Dokumentarfilme über unser Team gewöhnt, bin aber sehr gespannt darauf, mein erstes Vendée-Globe-Rennen als Spielfilm zu erleben. Ben und ich haben uns endlich persönlich in Kapstadt getroffen. Das war perfekt, um die Emotionen mitzuerleben, da diese Etappe uns wie die Vendée Globe durch die Südmeere führt. Während des Stopovers ist Ben sogar beim In-Port Race auf unserer ‘Malizia - Seaexplorer’ mitgefahren und konnte so erleben, wie es ist, gegen die besten Imoca-Skipper zu segeln.”