Tatjana Pokorny
· 24.05.2023
Im Nordatlantik hält das Verdrängungsrennen auf Etappe fünf im Ocean Race an. In der Nacht zum dritten Renntag hatte Team Malizia zunächst einen mächtigen Satz nach vorn gemacht, den Rückstand auf das US-Team 11th Hour Racing stark verkürzt, inzwischen aber wieder Meilen eingebüßt
Am Vortag war es noch andersherum: Da haben die amerikanischen Spitzenreiter ihren Vorsprung in günstigeren Winden konstant ausbauen können. Über Nacht dann konnte Team Malizia den Rückstand stark verkürzen, hatte bis zum Morgen des 24. Mai 14 Seemeilen auf Charlie Enrights “Mālama” gutgemacht. Danach wendete sich das Ocean-Race-Blatt im Laufe des Mittwochvormittags wieder. Um 11 Uhr deutscher Zeit hatte 11th Hour Racing knapp 13 Seemeilen Vorsprung auf Team Holcim – PRB und 41 Seemeilen auf Team Malizia.
“Ich glaube, die haben vorne einfach etwas weniger Wind. Und wir kommen mit mehr Wind angerauscht”, erklärte Boris Herrmann die gelungene Aufholphase über Nacht am frühen Mittwochmorgen. Dazu beschrieb der 41-Jährige die harten Bedingungen im Nordatlantik: “Wir haben hier aktuell nur zwei Grad Wassertemperatur. Es ist verdammt kalt hier draußen.” Wenig später zog die “Mālama” von 11th Hour Racing dann wieder davon. Schnellstes Boot war aber zu dem Zeitpunkt “Malizia – Seaexplorer” mit mehr als 19 Koten Speed gegenüber 18 Knoten der beiden vorn liegenden Boote.
Auf See bleibt das Geschehen vom Dreikampf zwischen den Teams um Charlie Enright, Kevin Escoffier und Boris Herrmann geprägt. Gegenüber stehen sich ein ehrgeiziger Franzose mit bewegter Vergangenheit. Ein Amerikaner, der nach langem Anlauf endlich siegen will. Und ein Deutscher mit Angriffslust bei seiner Ocean-Race Premiere. Alles deutet darauf hin, dass Charly Enright, Kevin Escoffier und Boris Herrmann den Kampf um den Sieg im 14. Ocean Race mit ihren Teams unter sich ausmachen werden. Dabei haben die Ergebnisse der laufenden Etappe möglicherweise vorentscheidendes Gewicht.
Der älteste unter den drei Skippern führt in der Gesamtwertung: Der 43-jährige Kevin Escoffier und Team Holcim – PRB erleben auf Ocean-Race-Etappe fünf gerade ihr bislang erfolgreiches Comeback mit neuem Mast. Das Schweizer Team ist mit 19 Punkten auf dem Ocean-Race-Konto in die fünfte Etappe gestartet. Die Jäger – das US-Team 11th Hour Racing und Team Malizia – haben nur einen Zähler weniger. Dieser minimale Rückstand und die Hackordnung ließen sich im Erfolgsfall auf dem mit doppelter Punktzahl honorierten Transatlantik-Abschnitt durchaus umkehren.
Für den nordatlantischen Ritt zurück nach Europa hat sich Kevin Escoffier ein Dream-Team an Bord geholt. Titelverteidiger und Ultim-Maestro Charles Caudrelier ist an Bord. Sam Goodchild und Rekordteilnehmerin Abby Ehler, die ihre vierte Weltumsegelung absolviert, machen das “Holcim – PRB”-Quartett komplett.
Dagegen treten die aktuellen Etappen-Spitzenreiter mit ebenfalls prominentem Neuzugang an: Charly Enright hat sich Imoca-Ass Charlie Dalin ins Boot geholt. Für eine hohe Schlagzahl an Bord sorgen außerdem der extrem erfahrene Navigator Simon “Sifi” Fisher und die Schweizerin Justine Mettraux. Gestärkt vom Heimsieg auf Etappe vier nach Newport, gibt 11th Hour Racing aktuell auf Kurs Europa den Takt vor.
Skipper Charly Enright, 38-jähriger Ocean-Race-Dauerläufer, will nach zwei fünften Plätzen im letzten Jahrzehnt endlich das Rennen um die Welt gewinnen. Die Amerikaner hatten die längste Vorbereitungszeit. Materialbruch aber hatte sie bei dieser 14. Ocean-Race-Edition zunächst ausgebremst. Mit dem ersten Etappensieg haben sie sich im Heimathafen Newport Krone zurückgemeldet. Aktuell zeigen sie als Spitzenreiter, wie ernst sie es mit ihrem Angriff meinen.
In diesem Dreikampf setzt Boris Herrmann auf bewährte Mitstreiter. Die Co-Skipper Will Harris, Rosalin Kuiper und Yann Eliès ringen mit ihm um die maximale Punktzahl. Zwar liegen sie in der Auftaktphase aktuell nur auf Platz drei, doch verspricht diese Ocean-Race-Etappe noch hochspannende Phasen und einen Endspurt mit diversen Hürden.
Am Ende von Ocean-Race-Etappe fünf warten der Norden über Großbritannien, die Ostsee und das Kattegat. Bei der Ansteuerung von Aarhus – das hat gerade erst der deutsche Zweihand-Klassiker Baltic 500 am vergangenen Wochenende gezeigt – ist mit allem zu rechnen. Auch mit flauen Phasen, die das Potenzial mitbringen können, zuvor erarbeitete Platzierungen noch einmal auf den Kopf zu stellen.