Tatjana Pokorny
· 04.03.2023
Nach dem Reparatur-Marathon der vergangenen Tage hat Boris Herrmanns Team Malizia die Aufholjagd eingeläutet. Zwar ist Kevin Escoffiers Team Holcim – PRB dem Feld auf der Königsetappe vorerst enteilt, doch dahinter entwickelt sich ein spannender Dreikampf. Und es sind weitere Chancen für die Verfolger in Sicht
Team Holcim – PRB setzt auf Etappe drei im Ocean Race weiter den Maßstab. Die Escoffier-Crew steuert mit hohen Geschwindigkeiten unangefochten auf das erste Wertungstor bei 143 Grad östlicher Länge zu. Doch inzwischen können auch die drei Verfolger endlich wieder das Gaspedal durchdrücken. Paul Meilhats Team Biotherm, das US-Team 11th Hour Racing und Team Malizia mussten bis an den südlichen Rand der Eissperrzone vordringen, um den Wind dafür zu finden. Im Indischen Ozean legt das Trio jetzt bei unter 45 Grad südlicher Breite gute Etmale in Richtung Osten zurück.
“Wir haben gute Bedingungen und flachen Seegang”, berichtet Team Malizias Navigator Nico Lunven von der wiedereröffneten Jagd. “Bei 22 bis 24 Knoten Wind aus Nordwest sind es schöne und schnelle Segelbedingungen. Morgen früh werden wir von einer Kaltfront erwischt, die von hinten kommt. Dadurch werden wir für ein paar Tage eine Übergangsphase erleben”, schloss Lunven mit Blick auf den dann nach Süden drehenden Wind. Bei seinen Schilderungen ist Nico Lunven die Erleichterung anzumerken, die nach dem Reparatur-Marathon der vergangenen Tage im Team Malizia herrscht.
“Der Bug zeigt endlich nach Osten. Die Bootsgeschwindigkeit liegt endlich bei über 20 Knoten”, notierte am Samstag auch 11th-Hour-Racing-An-Bord-Reporter Amory Ross, “unser Fünf-Minuten-Durchschnitt liegt bei ... ich überprüfe es kurz ... 26 Knoten. Ich würde sagen, es sind sehr angenehme 26.”
Der erfahrene Weltumsegler beschrieb das aktuelle Segeln im Southern Ocean als ungewöhnlich mild: “Die See ist relativ flach für das Südpolarmeer und die Temperaturen sind relativ warm. Das aber sage ich in der Gewissheit, dass unser Date mit der nahenden ‘Ecke’ der Eisgrenze – etwa 10 Seemeilen südlich von uns und 440 Meilen östlich von hier – eine Rechtskurve und den Sprung in die Extreme bringen wird. Davon wissen wir, dass es nicht immer unbedingt angenehm ist.”
Die drei Imoca-Jäger befanden sich am Abend des 4. März zu Beginn des siebten Tages der Ocean-Race-Königsetappe deutlich weiter südlich als die einsamen Spitzenreiter auf “Holcim – PRB”. Sie schrammten unterhalb des 45. südlichen Breitengrades an der von der Wettfahrtleitung gezogenen Eisgrenze entlang, während die Escoffier-Crew über 400 Meilen nördlich nach Osten strebte. Dabei nutzt Team Holcim – PRB weiter das Wettersystem, das den grün-blauen Imoca schon so weit getragen hat. Sein Vorsprung von rund 540 Seemeilen macht nach der ersten Etappenwoche immerhin einen Anteil von mehr als vier Prozent der Gesamtstrecke der “Monster-Etappe” aus.
Es bleibt ein “Aber” für Team Holcim-PRB. Denn auch das Team unter Schweizer Flagge muss sich irgendwann in Richtung Süden orientieren. Das könnte neue Chancen für das Verfolger-Trio bringen. Denn dann müssen Kevin und seine Crew ihrerseits ein Feld mit leichteren Winden durchfahren. Es wird damit gerechnet, dass die Flotte in der kommenden zweiten Woche der dritten Ocean-Race-Etappe wieder enger zusammenrückt.
Von solchen Aussichten kann das Guyot Environnement – Team Europe aktuell nur träumen. Skipper Benjamin Dutreux, Co-Skipper Robert Stanjek, Annie Lush und Navigator Seb Simon werden am Samstagabend in Kapstadt erwartet. Um 17.30 Uhr deutscher Zeit hatten sie mit ihrem angeknacksten Boot noch etwa 50 Seemeilen bis in den rettenden Hafen zu absolvieren. Spielt das Wetter mit, soll das Boot am Sonntag aus dem Wasser gekrant werden. Die Landmannschaft hat alles für den sofortigen Beginn der Reparaturarbeiten an der beschädigten Rumpfstruktur vorbereitet.