The Ocean RaceDie Flucht vor dem Sturm – weniger Sorgen im Norden

Tatjana Pokorny

 · 28.02.2023

Mit einem guten Start legte Team Holcim – PRB mit Skipper Escoffier die Basis zur Führung nach zwei Tagen auf Etappe drei
Foto: Team Holcim-PRB/The Ocean Race

Die Ocean-Race-Flotte hat sich vorerst entschieden: Alle fünf Boote segeln nach der zweiten Nacht auf See oberhalb des 40. Breitengrades Süd und nähern sich wieder der Rhumbline. Damit weichen die Crews einem Sturmtief im Süden aus, das in den kommenden Tagen an der Eisgrenze entlangzieht

Verschnaufpausen gibt es bei dieser Königsetappe nicht. Gerade hatten die Segler den Action-Thriller vom Start verdaut, da standen schon wichtige strategische Entscheidungen an. An Tag eins wurden die Navigatoren bei ihren Abwägungen zwischen einem Hochdruckkeil und den Tücken des Agulhasstroms intensiv geprüft. An Tag zwei segelt die gesamte Flotte wieder auf Kurs Rhumbline.

Der Süden muss warten …

Der direkte Weg in den nächsten Etappenhafen Itajaí führt südöstlich vom Kap der Guten Hoffnung über den 40. Breitengrad Süd. Ein tieferes Eintauchen ins Südmeer verhindert vorerst ein gewaltiger Sturm, der in den kommenden Tagen von West nach Ost entlang der Eisgrenze zieht, die in dieser Region zunächst etwa bei 45 Grad südlicher Breite gezogen wurde.

So die Lage am 28. Februar um 11 Uhr deutscher Zeit. Die gesamte Flotte segelt in Richtung Rhumbline, um dem sich entwickelnden Sturm im Süden auszuweichenFoto: Screenshot/The Ocean Race
So die Lage am 28. Februar um 11 Uhr deutscher Zeit. Die gesamte Flotte segelt in Richtung Rhumbline, um dem sich entwickelnden Sturm im Süden auszuweichen
In etwa so wird die meteorologische Lage für den 1. März erwartet. Das Sturmtief fegt an der von den Ocean-Race-Wächtern gesetzten Eisgrenze entlang. Das zu erwartende Szenario umgehen die Crews durch Ausweichen nach NordenFoto: Screenshot/The Ocean Race
In etwa so wird die meteorologische Lage für den 1. März erwartet. Das Sturmtief fegt an der von den Ocean-Race-Wächtern gesetzten Eisgrenze entlang. Das zu erwartende Szenario umgehen die Crews durch Ausweichen nach Norden

“Holcim – PRB” führt, “Guyot” lässt nicht locker

Die Führung verteidigte auch am Morgen des 28. Februar das Schweizer Team Holcim –PRB. Skipper Kevin Escoffier, Tom Laperche, Sam Goodchild und Abby Ehler trieben ihren grün-blauen Imoca mit Geschwindigkeiten um die 20 Knoten in Richtung Osten. Teilweise sogar schneller war am Dienstagvormittag das zweitplatzierte Guyot Environnement – Team Europe mit Skipper Benjamin Dutreux, dem Berliner Co-Skipper Robert Stanjek, Navigator Seb Simon und Annie Lush unterwegs. Das “Guyot”-Quartett ließ auf seinem älteren, aber gut erprobten Boot nicht locker und blieb bei nur 38 Seemeilen Rückstand an den Spitzenreitern dran.

Mit mehr als 100 Seemeilen Rückstand auf “Holcim – PRB” folgten dahinter in kurzen Abständen das US-Team 11th Hour Racing und Boris Herrmanns Team Malizia mit Navigator Nico Lunven, Will Harris und Rosalin Kuiper. Das nach den Reparaturen in Kapstadt mit etwa neun Stunden Verspätung in die wichtigste Ocean-Race-Etappe gestartete Team Biotherm hatte den Anschluss zur Flotte bei nur noch 15 Seemeilen Rückstand auf das viertplatzierte Team Malizia längst wiederhergestellt. Dabei hatten Skipper Paul Meilhat, Sam Davies, Damien Seguin und Anthony Marchand unter anderem von der zähen Dümpelei der anderen im Agulhasstrom profitiert.

Kevin Escoffier: “Wir haben gerade eine erste Halse gemacht”

Seine Führung hat das Escoffier-Team mit der schnellsten Befreiung aus dem “Dümpel-Gefängnis” im Agulhasstrom vorerst zementiert. Nach dem Motto “Die Reichen werden reicher” hatte das Holcim-PRB-Quartett die wieder zunehmenden Winde zuerst erreicht und den schon zum Rennauftakt erkämpften Vorsprung in der Folge leicht ausgebaut und konsequent verteidigt.

Die Halse nach Norden, für die sich Team Holcim – PRB zur Vermeidung des zu brutalen Sturmtiefs im Süden entschied, haben auch alle anderen Teams absolviert. Kevin Escoffier erklärte kurz danach: “Wir haben gerade eine erste Halse gemacht. Das liegt natürlich daran, dass wir so viel Wind haben. Außerdem sind wir uns nicht einmal sicher, ob wir bei mehr Wind überhaupt durchkommen, was die langfristige Strategie angeht. Es gab intensive Überlegungen an Bord. Wie immer, wenn man Entscheidungen treffen muss, die je nach Ausgang zu großen Abständen zwischen den Booten führen können. Aber vielleicht werden alle so handeln wie wir.”

“Das Tief ist nicht so schnell, wie es scheint”

Es kam, wie Escoffier vermutete. Auch die anderen Boote halsten. Zu dem Vorteil seines Teams auf dem führenden Boot sagte Kevin Escoffier: “Wir sind in einer etwas anderen Situation, weil wir die paar Meilen Vorsprung haben, die wir von Anfang an herausgeholt haben. Alles läuft gut. Wir haben es geschafft, einen guten Wachrhythmus zu finden. Alle schlafen gut. Wir greifen den Indischen Ozean an. Es wird also ein großer Brocken. Wir werden uns mit dieser Wetterlage in Richtung Australien bewegen: Wir werden diesem Tiefdruckgebiet folgen, das nicht so schnell ist, wie es scheint. Wir werden hinter ihm sein. Es wird auch ein tropisches Tiefdruckgebiet geben, das wir im Auge behalten müssen. Wir haben also viel zu tun!”