The Ocean RaceDie Flotte unter Druck – “Guyot” stark vorgefahren

Tatjana Pokorny

 · 28.01.2023

"Guyot"-Skipper Robert Stanjek auf Etappe zwei
Foto: Charles Drapeau/Guyot Environnement – Team Europe/The Ocean Race

In Zickzackkursen bewegen sich die fünf Imocas auf Etappe zwei im Ocean Race auf den Äquator zu. Der direkten Linie nach Kapstadt am nächsten positioniert, rückte am dritten Tag auf See das Guyot-Team stark vor. Als Zweite rangen der Berliner Robert Stanjek und sein Team mit Paul Meilhats “Biotherm”-Crew um die Führung

Zwischen Investition in den Westen und direktem Kurs nach Kapstadt

Das Katz-und-Maus-Spiel im Atlantik hält an. Die Ocean-Race-Flotte der fünf Imocas nähert sich dem Äquator. Man kann zuschauen, wie die Crews daran arbeiten, den optimalen Weg und die beste Brücke über den von Flautenfallen übersäten Kalmengürtel zu finden. Mal wird in den Westen investiert, weil die Doldrums dort in der Prognose schmaler wirken und möglicherweise schneller zu durchqueren sind. Dann geht es wieder zurück in die Nähe der direkten Kurslinie nach Kapstadt.

An diesem Screenshot ist gut zu erkennen, dass Team Malizia bei der Aufholjagd gerade nach Westen ausholt, während der Bug der vier anderen Teams nach Süden zeigtFoto: Screenshot/The Ocean Race
An diesem Screenshot ist gut zu erkennen, dass Team Malizia bei der Aufholjagd gerade nach Westen ausholt, während der Bug der vier anderen Teams nach Süden zeigt

Je dichter an dieser direkten Linie ein Boot positioniert ist, umso besser sieht es in der Zwischenwertung aus, wo die Investments in den Westen naturgemäß zunächst nicht belohnt werden. Doch abgerechnet wird nach der Passage des notorischen Flautengürtels rund um den nullten Breitengrad. Der Ocean-Race-Tracker hilft dabei, die strategischen Herausforderungen und Entscheidungen der Teams besser zu verstehen.

Team Malizia sucht sein Glück aktuell im Westen

Wer sich beispielsweise beim Blick auf den Tracker den Wind mit dem vierten Button von unten am linken Tracker-Bildrand über den Kurs legt und dann am oberen Bildrand die Zeit vorspult, kann gut beobachten, wie sich die Flautenzone am Äquator entwickelt, bewegt, größer oder schmaler wird. Natürlich sind das nur Prognosen, aber sie zeigen gut, womit sich die Strategen an Bord der Boote auseinanderzusetzen haben.

Das galt am Samstagmorgen ganz besonders für Team Malizia. Die Mannschaft um Neu-Skipper Will Harris hatte nach drei Nächten auf See als letztes Boot einen erheblichen Rückstand von mehr als 170 Seemeilen zu den Spitzenreitern aufzuholen. Dafür hat die Crew mit Navigations-Ass Nico Lunven und dem mit allen Wassern gewaschenen Yann Eliès sowie der Niederländerin Rosalin Kuiper in den Westen ausgeholt.

Holcim – PRB und Guyot mit Spitzenwerten

Beim Investionspoker lagen die vorderen vier Boote bei verbliebenen rund 4.300 Seemeilen bis in den Etappenhafen Kapstadt zu Wochenendbeginn nur gut 30 Seemeilen auseinander. Die höchste Geschwindigkeit hat in den vergangenen 24 Stunden das Team Holcim – PRB mit durchschnittlich 13,7 Knoten erreicht. Den besten VMC-Wert (Geschwindigkeit auf dem Kurs zum Ziel) über 24 Stunden allerdings verzeichnete das Guyot Environnement – Team Europe mit 11,6 Knoten. Bei der VMC-Annäherungsgeschwindigkeit ans Ziel kamen “Biotherm” und Kevin Escoffiers Team Holcim – PRB mit Susann Beucke auf 10,1. Das US-Team 11th Hour Racing erreichte 9,4 VMC im Durchschnitt, Team Malizia im Westen nur 6,0.

Robert Stanjek: “Wir können uns endlich live mit den anderen Booten vergleichen”

“Wir haben uns Meilen zurückerkämpft und wieder Kontakt zur Flotte. Das ist super”, hatte Guyot-Steuermann Robert Stanjek schon am Ende des zweiten Segeltages erfreut vermeldet. Und weiter: “Wir sind jetzt in guter Position, können uns endlich live mit den anderen Booten vergleichen und nicht nur anhand der Zahlen.” Die aktuelle Aufgabe beschrieb Simon Fisher, Navigator an Bord von 11th Hour Racing: “Wenn die Passatwinde zunehmen, wollen wir nach Westen gehen, aber wir müssen sicherstellen, dass wir nicht zu früh gehen.”

Der künftige Vendée-Globe-Herausforderer und jeweils zweimalige Figaro- und Route-du-Rhum-Sieger Yoann RichommeFoto: Paprec Arkéa
Der künftige Vendée-Globe-Herausforderer und jeweils zweimalige Figaro- und Route-du-Rhum-Sieger Yoann Richomme

Im weit entfernten Lorient, wo der neue Imoca “Paprec Arkéa” von Yoann Richomme schon zu bewundern ist, beschäftigt sich auch der zweimalige Figaro- und zweimalige Route-du-Rhum-Gewinner mit dem Atlantik-Geschehen im Ocean Race. Während das eigene Finot-Conq-Antoine-Koch-Design kurz vor der Erstwasserung steht, äußerte sich Yoann Richomme beeindruckt von den Ocean-Race-Teams und seinen künftigen Rivalen bei Imoca-Regatten und der Vendée Globe 2024/2025. “Ich sehe ‘Biotherm’ ziemlich agil in den leichten Winden”, sagte der Franzose über seine Landsleute.

Yoann Richomme: “Paul macht einen tollen Job”

Und weiter: “Einiges davon könnte auf die Wahl ihrer Segel zurückzuführen sein und darauf, ob sie einen Spinnaker tragen oder nicht. Aber man konnte sehen, dass andere Boote beim Verlassen der Kapverden nicht in der Lage waren, so tief zu segeln wie Biotherm. Also denke ich, dass es ein Spinnaker-Design oder ein Segelstil ist, der ein bisschen besser ist als bei den anderen.”

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogenen Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzbestimmungen.

Wetterexperte Yoann Richomme sagte im Interview mit der Imoca-Klasse auch dies über “Biotherm”-Skipper Paul Meilhat: “Paul macht einen tollen Job. Er hat auch bei der Route du Rhum großartige Arbeit geleistet, obwohl er ein ganz neues Boot hat, nur sehr wenig Vorbereitungszeit und kein großes Budget. Er hat kein großes Team, das er bräuchte, um das Boot schnell zu optimieren. Aber er ist sehr gut darin, ein Projekt mit einem knappen Budget durchzuziehen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das Boot ist auch eine gute Basis – es ist eine Weiterentwicklung von ‘LinkedOut’. So weiß Paul, wo der Ausgangspunkt ist. Und er segelte eine Saison lang auf der ‘Apivia’, sodass er bereits eine ganze Menge Erfahrung mitbringt.”

“Guyot wird ab Punkt X ins Spiel kommen”

Richomme glaubt, dass auch die Leistungen von Kevin Escoffiers Team auf “Holcim – PRB” ähnlich gut sind. Was nach seiner Ansicht Charlie Enright und dessen Team 11th Hour Racing auf “Mãlama” Kopfschmerzen verursachen könnte. Er habe, so Richomme, ein Interview mit Charlie Enright gelesen, in dem Enright beschrieben hat, dass es eine Weile gedauert habe, bis sein Team sich an den Segelstil auf Imocas gewöhnt habe. Aus diesem Grund, so Richomme, hätten die französischen Imoca-Könner im Rennen vermutlich ihre frühen Gewinne gemacht.

Von Team Malizia erwartet Yoann Richomme “Stärke in starken Winden”. Zum Guyot Environnement – Team Europa mit dem einzigen älteren Boot im Feld, dem aktuell pausierenden Skipper Ben Dutreux und Robert Stanjek sagte Richomme: “Das Boot ist ein bisschen schwer. Das wissen wir alle. Ich bin mir nicht sicher, ob sie das Können haben, es wie die Top-Leute zu segeln. Ich denke, das Team befindet sich noch in einer steilen Lernkurve im Umgang mit diesen Booten. Nicht alle Segler an Bord haben die Imoca-Erfahrung. Es wird also eine Weile dauern, bis sie in Fahrt kommen. Aber: Sie werden ab Punkt X ins Spiel kommen.”