Tatjana Pokorny
· 14.03.2023
Die Ocean-Race-Flotte kämpft sich zwischen Neuseeland und der Antarktis nach Osten. Alle Teams haben nach der erbarmungslosen Rekordhatz zum Halbzeit-Wertungstor zu Beginn der zweiten Hälfte der Königsetappe mit Belastungsschäden zu kämpfen. Manche mehr als andere
Charlie Enrights US-Team hat erwogen, die Ocean-Race-Königsetappe für einen Reparaturstopp zu unterbrechen, setzt das Rennen aber zunächst fort. Das 11th Hour Racing Team wurde auf dem Mammut-Abschnitt von Kapstadt nach Itajaí von Beginn an schwer geprüft. Die Bruchserie hatte schon am Starttag mit gebrochenen Lattenendbeschlägen begonnen. In der zweiten Rennwoche musste die Mannschaft ihr angeknackstes Steuerbordruder ersetzen, stellte danach aber eine erste neue 24-Stunden-Bestmarke auf. Nun hat das Großsegel der “Mālama” dem Dauerdruck nachgegeben.
Ein riesiger Riss im Großsegel macht Skipper Charlie Enright, Navigator Simon “Sifi” Fisher, Jack Bouttell und Justine Mettraux im Team 11th Hour Racing schwer zu schaffen. “Der vordere strukturelle Teil von Reff 1 ist komplett abgerissen, also sind wir auf Reff 2 umgestiegen. Wegen des Risses können wir weder mit vollem Großsegel noch mit dem ersten Reff fahren”, erläuterte Jack Bouttell die angespannte Situation seiner Crew im 14. The Ocean Race. Die schlechte Kunde fügte er umgehend hinzu: “Es ist ziemlich schwierig, den Schaden an Bord zu reparieren. Fast unmöglich, denke ich, weil die Segelstruktur im Hochlastbereich des ersten Reffs kaputt ist. Diese Etappe fühlt sich momentan ziemlich schmerzvoll an.”
Nach genauerer Analyse und Rücksprache mit dem Technik-Team an Land informierte Skipper Charlie Enright über die aktuelle Situation an Bord der “Mālama”: “Wir haben gerade gestoppt, den Schaden aufgenommen und bewertet. Wir haben als Gruppe die Entscheidung getroffen, das Boot nach Brasilien zu bringen, um es dort wieder auf Vordermann zu bringen.”
Weiter sagte Enright: “Wir haben über einen Zwischenstopp in Neuseeland oder Tasmanien nachgedacht, aber letztendlich entschieden, dass wir die Weiterfahrt für sicher halten. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt … Als Mannschaft müssen wir uns auf eines der letzten großen Abenteuer des Lebens einlassen. Wir sind ein Team, und wir werden dieses Boot nach Brasilien bringen. Das ist das große Ziel ab jetzt.”
Auch Boris Herrmanns Team Malizia hat mit Belastungsschäden an Bord zu kämpfen. Waren es in Woche zwei ein geplatzter Titanring des Decksbeschlags der J3 und die Lichtmaschine, die Boris Herrmann und Will Harris zu einem 20-stündigen Reparaturmarathon mit nur kurzen Pausen zwangen, musste sich die Crew zuletzt mit der gelösten Befestigung des Hydraulikzylinders vom Foil-Kasten auseinandersetzen. “Wir haben etwa acht Stunden gebraucht, um das Problem zu lösen”, sagte Boris Herrmann. Sein Team konnte zuletzt dennoch das Gaspedal durchdrücken.
In der Anfangsphase von Etappe “3 B”, wie Herrmann die zweite Halbzeit der Königsetappe nennt, hat Team Malizia den Rückstand auf Spitzenreiterin “Holcim – PRB” auf rund 100 Seemeilen verkürzen können. “Es macht mich glücklich zu sehen, wie schnell das Boot jetzt fährt. Wir wollten am Anfang der Etappe mit dem Schaden am Mast umdrehen. Jetzt sind wir zum Auftakt der zweiten Hälfte der Etappe stark, segeln an Neuseeland vorbei und wollen dann den Pazifik erobern.”
“Malizia – Seaexplorer” jagt die Spitzenreiterin “Holcim – PRB”. Auch das Team auf dem bisherigen Parade-Boot dieser 14. Ocean-Race-Auflage hat mit technischen Problemen zu kämpfen. Erst vor wenigen Tagen hatte die Britin Abby Ehler bei ihrer vierten Weltumsegelung eine Schadensliste für “Holcim – PRB” zusammengestellt. Die Probleme reichten von Starterproblemen mit dem Generator über das vermutlich nach einer Kollision hochgeschnellte Ruder, das aber keine Schäden auswies, bis hin zu einem brennenden Solarpaneel.
Abby Ehler berichtete, dass das Feuer gelöscht werden konnte – vor allem durch das ständig über Deck kommende Wasser. Ein Leck im Öltank des Kiel-Systems sei unter Kontrolle. Die Crew müsse nur einen Blick darauf haben und immer wieder einmal Öl nachkippen. Ihren britischen Humor hat die erfahrene Technikerin Abby Ehler über die Prüfungen nicht verloren: “Am schlimmsten ist es mit den AirPods, die jedes Mal ausgehen, wenn du in eine Welle fällst.”